Es ist nicht so, dass den frisch gekürten Weltmeistern die ungeteilte Aufmerksamkeit zukommt, wenn sie zur Pressekonferenz im Medienzentrum von Oberhof erscheinen. Nebenbei hacken die meisten Journalisten in ihre Laptops. Online müssen die Geschichten raus und der Radaktionsschluss für die Printausgabe rückt näher. Also war auch Johannes Thingnes Bö, der soeben im schweren Einzel über 20 Kilometer am Rennsteig seinen vierten WM-Titel gewonnen hatte, ebenfalls nicht bei der Sache und blickte in sein Handy. Er fühlte sich nicht angesprochen, als ein Kollege wissen wollte, ob Bö nicht wie sein Landsmann Ole Einar Björndalen mal für ein oder zwei Rennen ins Lager der Langläufer wechseln würde.
"Meinen Sie mich?", fragte der mit Abstand beste und eleganteste Läufer im Feld der Skijäger und antwortete dann höflich: "Nein, daran bin ich nicht interessiert." Norwegens Ikone Björndalen, der 94 Biathlon-Weltcups gewann und läuferisch ähnlich dominant war wie Bö jetzt, hatte im November 2013 auch ein Weltcup-Rennen bei den Langläufern gewonnen und dafür seine Saison bei den Biathleten unterbrochen.
Bö ist auf WM-Gold abonniert
Die Frage an Bö ist berechtigt. Der Norweger ist der, der mit der Konkurrenz spielt. Sobald der fünffache Olympiasieger antritt, ist eigentlich nur die Frage offen, wer Silber und Bronze hinter ihm gewinnt. Auf Gold ist der 29-Jährige abonniert. Der nun 16-malige Weltmeister hätte das Einzelrennen trotz zwei Strafminuten auch dann gewonnen, wenn die Konkurrenten fehlerfrei geblieben wären. "Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt müde gefühlt, meine Form ist wirklich verrückt", sagte der Weltcup-Gesamtführende angesichts der schwierigen Bedingungen bei Sonnenschein und fast elf Grad plus.
Selbst am brutal steilen Streckenabschnitt "Brixsteig" mit einer Steigung von bis zu dreizehn Prozent lief der Norweger leichtfüßig hinauf, als würde er über den Schnee fliegen. Währenddessen keuchten die Konkurrenten und schimpften im Ziel. "Es tat verdammt weh", bekannte Benedikt Doll, Benedikt Doll, der auf Platz fünf bester Deutscher war. "Wenn der Ski hinten raus abbaut, werden die Runden gefühlt immer länger", moserte der Schwarzwälder über sein Material.
Benedikt Doll schimpft über abbauende Ski
Ein weiterer Beleg dafür, dass Bö in der Champions League läuft, während der Rest Bundesliga-Format besitzt: Mit Startnummer elf ging Bö vor den begeistert Fahnen schwenkenden Norwegern auf den Tribünen in die Loipe. Im Ziel hatte der Norweger alle zehn vor ihm gestarteten Läufer kassiert, darunter auch Quentin Fillon Maillet. Der Franzose ist alles andere als ein hoffnungsvolles Talent. Obwohl sich der Olympiasieger nur einen Schießfehler leistete und zweieinhalb Minuten vor Bö gestartet war, musste er Johannes Thingnes Bö passieren lassen und sich mit einem Rückstand von 91 Sekunden mit dem undankbaren vierten Platz begnügen.
Maillet und vier unmittelbar hinter Bö platzierte Skijäger teilten sich den gleichen Frust: Sie alle hatten einen Schießfehler und damit eine Strafminute weniger, kamen aber an den Loipenflieger nicht heran. Während das geschlagene Feld grübelte, nahm nebenan Bö die Glückwünsche seiner Eltern Aslaug Hildegunn und Klemet Bö entgegen.
Seit neun Rennen in Serie ungeschlagen
Bö hat weiter die Chance, als Erster in seinem Sport siebenmal Gold bei einer Weltmeisterschaft zu gewinnen. Bisher hat er als Erster nun in allen WM-Rennen mindestens einen Titel geholt. 2020 in Italien holte er sechs Medaillen (dreimal Gold und dreimal Silber). Seit neun Rennen in Serie ist der Dominator im Weltcup und den Welt-Titelkämpfen ungeschlagen.
Am Donnerstag um 15.10 Uhr (ARD und Eurosport) ist wieder Bö-Zeit in Oberhof. In der Single-Mixed-Staffel wird ermittelt, wer hinter Johannes Thingnes Bö und seiner Partnerin Silber und Bronze holt.