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Biathlon-Star Laura Dahlmeier gibt Tipps für Bergwanderer

Interview

Ex-Biathletin Laura Dahlmeier: „Wenn die Bergwacht gerufen wird, ist schon einiges schief gegangen“

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    Fühlt sich in den Bergen wohl: Laura Dahlmeier.
    Fühlt sich in den Bergen wohl: Laura Dahlmeier. Foto: Daniel Hug

    Wie gehts es Ihnen und wo störe ich gerade?
    LAURA DAHLMEIER: Mir geht es richtig gut und ich nutze die Zeit für Schreibtischarbeit.

    Das Comeback hat gefühlt immer Konjunktur. Vor kurzer Zeit ist TV-Unterhalter Stefan Raab als Boxer auf den Bildschirm zurückgekehrt. Vielleicht würden die Sportfans die Rückkehr von Laura Dahlmeier in die Loipe und auf den Schießstand lieber sehen. Wie stehen die Chancen?
    DAHLMEIER: Ich gehe weder zum Boxen noch kehre ich zum Biathlon zurück. Ich kann alle beruhigen. Ich bin glücklich und freue mich auf die Wintersaison. Ich bin beim Biathlon dabei. Nicht aktiv, aber für das Fernsehen.

    Sie sind 31 Jahre jung, kribbelt es nicht doch ab und an?
    DAHLMEIER: Nein, der Zug ist abgefahren.

    Kommen wir auf ihren ehrenamtlichen Einsatz bei der Bergwacht zu sprechen. Wie aufwendig war die Ausbildung zur Bergretterin?
    DAHLMEIER: Zur Bergwacht bin ich bereits mit 18 Jahren gegangen. Das ist ein Prozess, der mindestens zwei Jahre lang dauert. Zuerst gibt es einen Eignungstest für Winter und Sommer, dann die Prüfungen in beiden Jahreszeiten. Dazwischen liegt jede Menge Ausbildung. Es kommt dann darauf an, welche Fähigkeiten man schon mitbringt oder sie erst erlernen oder trainieren muss. Meine Herausforderung war es, die Zeit neben Biathlon-Training und Wettkämpfen dafür zu finden. An einem rennfreien Wochenende im Winter habe ich dann meine Bergwacht-Prüfung ablegen können. Mein Vater Andreas, der aktuell Bereitschaftsleiter bei der Bergwacht in Garmisch-Partenkirchen ist, hat mir abgeraten. Ich soll es nicht machen, weil es viel Zeitaufwand bedeutet. Aber ich wollte es mir selbst anschauen und mich einbringen. Ich bereue es bis heute nicht.

    Glaubt an die deutschen Biathleten: Laura Dahlmeier.
    Glaubt an die deutschen Biathleten: Laura Dahlmeier. Foto: Matthias Balk, dpa

    Wir sind noch mitten in der Wandersaison. Was können sie jedem Bergwanderer raten, bevor er sich auf den Weg macht?
    DAHLMEIER: Immer aktuell: Schaut’s raus, wie das Wetter ist. Verlasst euch nicht ausschließlich auf irgendwelche Apps. Anfang September lag in diesem Jahr schon ungewöhnlich viel Schnee in den Bergen. Deshalb ist Wandern in höheren Regionen in diesem Jahr schwierig. Ich kann in eine Webcam schauen, die an einer Bergstation angebracht ist. Aber das Beste ist es, wenn ich mit eigenen Augen mir die Situation ansehe. Nichts ersetzt den eigenen Blick nach draußen. Dieses Gespür geht schnell mal verloren.

    Wie geht es dann mit der Tourenplanung weiter?
    DAHLMEIER: Wenn die Wetterlage klar ist, muss abgeglichen werden. Was habe ich drauf? Welche Fähigkeiten bringe ich mit, damit dann eine ordentliche Tourenplanung erfolgen kann? Ich würde jedem empfehlen, möglichst defensiv unterwegs zu sein. Ich kann mich beim Sport schon verausgaben, auf dem Fußballplatz oder in der Halle. Im Gebirge ist das anders. Wenn ich nicht mehr weiterkomme und in eine brenzlige Situation gerate, dann wird es sehr schnell ernst. Da können verschiedene Faktoren reinspielen. Das ist oft der Fall, wenn wir als Bergwacht gerufen werden. Dann ist schon einiges schief gegangen.

    Sind die Leute gut oder schlecht ausgerüstet? Worauf sollte man bei der Ausrüstung achten?
    DAHLMEIER: Es ist schwer, das jetzt pauschal zu sagen. Es gibt sehr viele Leute, die gut ausgerüstet starten, sonst wäre die Bergwacht kein Ehrenamt mehr, sondern ein Vollzeitjob. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen mittlerweile in den Bergen unterwegs sind, dann passiert prozentual nicht so viel. Aber es gibt auch Leute, die schlecht ausgerüstet starten, sich nicht gut vorbereitet haben und nicht wissen, welche Anforderungen die Tour an sie stellt. Auch dann kann es gut gehen, wenn sie Glück haben, aber manchmal geht es schief. Das sind die Fälle, die in den Medien zu lesen sind. Wenn die Leute mit Turnschuhen durch den Schneesturm stapfen. Dann haben sie keine Stirnlampe dabei, sondern leuchten mit dem Handy und sind orientierungslos.

    Was darf in der Ausrüstung für eine Bergtour nicht fehlen?
    DAHLMEIER: Neben der passenden Kleidung nehme ich immer ein Erste-Hilfe-Set mit. Dazu immer etwas zu trinken und einen Notfall-Energie-Riegel. Auf größeren Touren habe ich immer einen Biwaksack dabei, um notfalls draußen übernachten zu können.

    Reicht es aus, sich auf das Handy als Navigationsgerät zu verlassen?
    DAHLMEIER: So lange es funktioniert, ist es super. Ich selbst nutze das Handy mit verschiedenen Apps, habe Karten hinterlegt. Aber ich plane auch für den Fall, dass ich kein Netz habe. Dann brauche die Karten auch offline und muss sie vorher heruntergeladen haben. Und ich nehme eine Powerbank mit, um gerüstet zu sein, wenn der Akku leer ist. Das ist gerade im Winter beim Bergführen entscheidend. Wie in der Stadt komme ich mit Google Maps nicht weit. Denn wenn da steht, noch zwei Kilometer, und es sind aber 2000 Höhenmeter, dann ist das eine ganz andere Nummer. Und den besten Überblick liefert immer noch die gute alte Papierkarte.

    Aus welchen Notlagen, haben Sie und die Garmischer Bergwacht Wanderer gerettet?
    DAHLMEIER: Grundsätzlich: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Der Klassiker bei uns in Garmisch-Partenkirchen ist der Jubiläumsgrat. Am Wochenende bei schönem Wetter kann man fast die Uhr danach stellen, dass sich jemand übernommen hat und blockiert ist. Ganz schlimm wird es, wenn das Wetter umschlägt und gewittrig wird. Wenn es dunkel wird, klingelt das Telefon in der Bereitschaft und jemand will gerettet werden. Wenn es dunkel ist, kann der Hubschrauber aber nicht mehr starten. Von Unverletzten bis zu tödlichen Abstürzen ist alles vertreten. Typische Unfallmuster sind Wanderer, die sich übernommen haben und nicht mehr weiter kommen, weil sie Knie- oder Fußgelenkverletzungen haben. Das tritt z.B. an den Garmischer Hotspots rund um die Partnachklamm, Eckbauer und Wamberg auf. Ein Beispiel: Ein Vater hat mit seinem Kind eine falsche Tourenplanung gemacht. In der Nacht um zehn Uhr ist er im Osterfelder-Gebiet umher geirrt. Da fährt schon lange keine Bahn mehr, die beiden waren völlig erschöpft und haben sich nicht mehr ausgekannt. Mit Handyortung kann man den Standort lokalisieren. Dann überlegen wir, wie dringlich es ist und wie wir am besten helfen können ohne uns selbst zu sehr in Gefahr zu begeben.

    In welchen Fällen müssen Sie Kletterern zu Hilfe eilen?
    DAHLMEIER: Es gibt dramatische Situationen beim Klettern, wenn sich z.B. das Seil verhängt oder ein weiter Sturz mit schweren Folgen passiert. Dann hängen Leute in der Felswand und kommen nicht mehr weiter. Das sind alpinistisch schwierige Einsätze. Dazu kommen Mountainbike-Unfälle. Die allermeisten Einsätze sind über das ganze Jahr gesehen jedoch im Winter die Unfälle im Skigebiet.

    Müssen die Geretteten den Einsatz selbst bezahlen?
    DAHLMEIER: Wir machen unsere Einsätze ehrenamtlich, aber die Einsätze werden abgerechnet. Das läuft über die zentrale Abrechnungsstelle, deshalb kennen uns wir von der Bereitschaft nicht genau aus. Wenn Menschen verletzt sind und ins Krankenhaus kommen, dann übernimmt meist die Krankenversicherung. Oder die Wanderer sind Mitglied im Alpenverein, dann kann die Versicherung einspringen. In einigen seltenen Fällen müssen aber die Geretteten die Kosten übernehmen. 

    Gehen Kletterer in der Regel gut ausgerüstet in die Berge?
    DAHLMEIER: Davon ist auszugehen. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Ein Kletterer, der ins Oberreintal aufbricht weiß, was ihn erwartet.

    Worauf müssen Kletterer achten, bevor sie aufbrechen?
    DAHLMEIER: Die Berge bei uns in den Alpen und das Klettern dort ist etwas ganz anderes als das Klettern in der Halle. Und zwar in jeglicher Hinsicht. Am klarsten wird das in der Schwierigkeits-Skala. Wenn mir jemand sagt, in der Kletterhalle klettere ich einen Schwierigkeitsgrad sechs (relativ hoch, Anm. d. Red.), dann mache ich das im Gebirge auch. Das ist aber nicht das Gleiche. Die Griffe sind nicht rot und blau, sondern der Fels ist grau und ich muss die Griffe sehen und finden. Die Sicherungen hängen nicht in regelmäßigen Abständen an der Wand, sondern ich muss sie manchmal selbst legen. Dann muss man wissen, wo man wieder herunter kommt. Im Gebirge ist das Klettern deutlich komplexer.

    Sie haben auch die Ausbildung als Bergführerin abgelegt. Was bedeutet das?
    DAHLMEIER: Ich darf zum Beispiel Menschen, die gerne in der Kletterhalle klettern, in die Berge führen. Ich besitze dazu alle Fähigkeiten. Dazu kann man verschiedene Kurse belegen. Ich will den Menschen die Freude an den Bergen vermitteln, auch wenn sie noch nicht alle Skills besitzen. Irgendwo müssen sie es ja lernen. Ich bin staatlich geprüfte Berg- und Skiführerin und darf alles anführen, was mit Skifahren, Schneeschuhgehen, Wandern, Bergsteigen oder Hochtourengehen zu tun hat. Das ist ein breites Betätigungsfeld und gilt international.

    Heißt das, ich kann Laura Dahlmeier für eine Bergtour buchen?
    DAHLMEIER: Können Sie machen. Es gibt eine Mailadresse auf meiner Homepage, wo man mich anfragen kann. Ich habe die eine oder andere Tour ausgeschrieben. Ansonsten habe ich große Lust, mit motivierten, konditionsstarken Bergsteigern unterwegs zu sein, die noch nicht das nötige Know-how für das Bergsteigen haben. Aber es kommt auch darauf an, wie viel Zeit ich habe. Jeden Wunsch kann ich nicht erfüllen, ich leite dann an die Kollegen weiter.

    Wie sehen Ihre Pläne für den Herbst aus?
    DAHLMEIER: Es geht weiter weg und höher hinaus. Im Sommer war ich viel im Alpenraum unterwegs, habe coole und auch schwierige Klettertouren gemacht. Der Herbst ist die Zeit für Expeditionen. Es geht nach Nepal auf einen Sechstausender.

    Wie finanzieren Sie die Expedition?
    DAHLMEIER: Der ursprüngliche Plan war, dass ich als Bergführerin eine andere Expedition führe, das hat kurzfristig aber leider nicht geklappt. Jetzt muss ich es selbst finanzieren. Glücklicherweise habe ich einige treue Sponsoren, die meinen Wechsel vom Biathlon zum Bergsport mitgemacht und Interesse daran haben, was ich in den Bergen treibe und darüber berichte. Das ist für mich eine ideale Möglichkeit, selbst loszuziehen.

    Werden die Sportfans danach Sie bei den Biathlon-Übertragungen zu sehen bekommen?
    DAHLMEIER: Das ist der Plan. Ich werde den ZDF Experten-Job ab diesem Jahr gemeinsam im Duo mit Denise Herrmann-Wick übernehmen. Da freue ich mich schon darauf.

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