Die Reise in ihre Wahlheimat Ruhpolding kam für Denise Herrmann genau zur richtigen Zeit.
"Daheim kann man doch am meisten Kraft schöpfen. Zwei Tage die eigenen vier Wände, das eigene Bett. Ich hoffe, das fruchtet, und ich konnte den Reset-Knopf drücken", sagte die Biathletin vor dem Start des zweiten Heim-Weltcups. In der verschneiten Chiemgau Arena versuchte die Ex-Weltmeisterin, sich bei perfekten Bedingungen und Sonnenschein mit Blick auf den Auftaktsprint am Mittwoch (14.30 Uhr/ZDF und Eurosport) neues Selbstvertrauen zu holen - vor allem am Schießstand.
Denn da erlebte die 33-Jährige einen Jahresauftakt zum Vergessen. Beim Weltcup in Oberhof war die Sächsin am Sonntag nach acht Schießfehlern in der Verfolgung nur 41. geworden, im Sprint zuvor hatte es auch nur zu Platz 26 gereicht.
Zuletzt eine "Vollkatastrophe"
Ein Tiefpunkt für Herrmann, die eigentlich in knapp vier Wochen in Höchstform bei den Olympischen Winterspielen in Peking antreten und möglichst auch Medaillen gewinnen will. "Der letzte Wettkampf war eine absolute Vollkatastrophe. Aber ich weiß, es fehlt nicht viel", sagte Herrmann optimistisch. Auf die Unterstützung von Fans muss sie verzichten. Wie schon in Hochfilzen und Oberhof sowie kommende Woche in Antholz sind coronabedingt keine Fans zugelassen.
Während es läuferisch hinhaut, macht die ehemalige Langläuferin zu viele Fehler am Schießstand, vor allem im eigentlich leichteren Liegendanschlag. Nach ihrem späten Wechsel zu den Skijägern hatte Herrmann den Umgang mit der Waffe schon fast perfekt drauf. Sie gewann sieben Weltcuprennen, wurde 2019 in Schweden Weltmeisterin in der Verfolgung und peilt in China auch endlich eine Olympia-Medaille an. Das war ihr 2014 schon mit der deutschen Langlauf-Staffel in Sotschi gelungen.
Der Weg zurück aufs Podest scheint nun aber weit. Beim Schießen würden derzeit ein paar Kleinigkeiten nicht passen. "Und die hindern dich halt manchmal extrem am Treffen. Dafür brauche ich einfach mal wieder so richtige Erfolgserlebnisse", sagte Herrmann, die sich auf die Rennen auf ihren Heimstrecken freut: "Es wird morgen anders sein, da bin ich ganz sicher, so gehe ich auch ans Rennen ran."
Bundestrainer optimistisch
Gleich im ersten Saisonrennen hatte es Herrmann Ende November in Östersund als Dritte im Einzel aufs Podium geschafft. Nach dem starken Start gelang das aber nicht mehr. Ein Infekt hatte sie Ende Dezember zur vorzeitigen Abreise vom Weltcup in Frankreich gezwungen, in Oberhof wollte es trotz besserer Verfassung noch nicht wieder laufen. "Die Form war noch nicht da, wo sie sein kann", sagte Bundestrainer Mark Kirchner, der aber entspannt bleibt: "Ich bin überzeugt, dass sie sich stark bei den Olympischen Spielen präsentieren wird."
Herrmann steckt nicht auf, auch wenn sie manchmal "in so einem Negativstrudel drin" ist: "Und dann kommt mein eigener Anspruch und der Druck dazu. Da ist es manchmal etwas schwierig. Aber ich bin da schon oft rausgekommen, und ich hoffe, dass es auch in der nächsten Phase der Fall ist", sagte Herrmann, auf der nach dem weiteren Ausfall von Franziska Preuß (Fußverletzung und Corona-Infektion) mehr denn je der Fokus liegt.
Ein Wohlfühl-Umfeld in ihrer Wahlheimat könnte ihr nun beim Weg zurück zu alter Stärke helfen. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Thomas Wick, einem ehemaligen Langläufer, baut sie in Ruhpolding ein Haus und sieht ihren Lebensmittelpunkt weiter in Bayern. Auch viele Stunden Training in der Chiemgau Arena in der Vergangenheit sollen nun Sicherheit geben: "Im Wohnzimmer Ruhpolding kennt man die Scheiben vielleicht ein bisschen besser - und da hoffe ich, dass ich den Flow Richtung Peking langsam aufbauen kann."
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