An ehemaligen Biathlon-Größen herrscht in Ruhpolding kein Mangel. Morgens kann es passieren, dass man mit Uschi Disl im Bus-Shuttle zur Chiemgau Arena sitzt. Die 51-jährige Olympiasiegerin ist längst von den Skijägerinnen ins Pressezentrum gewechselt. Disl, die seit zwölf Jahren in Schweden lebt ("Da, wo der Vasa-Lauf endet."), arbeitet in Ruhpolding für den schwedischen Sender Sveriges Radio. Magdalena Neuner ist als ARD-Expertin im Einsatz und erzählt, dass sie als Mutter kaum noch Zeit hat, um Biathlon zu schauen. Zum Beispiel, wenn die deutschen Frauen laufen. Dort nimmt die Dichte an bekannten Gesichtern gewaltig ab. Die deutschen Hoffnungen konzentrieren sich auf die Olympiasiegerin Denise Hermann-Wick. Zumal mit den erkrankten Vanessa Hinz und Franziska Preuß zwei arrivierte Biathletinnen ausfallen.
Als Goldmedaillengewinnerin im Einzel über 15 Kilometer hat Herrmann-Wick vor knapp einem Jahr in Peking die lange Reihe von Erfolgen deutscher Frauen wie Laura Dahlmeier, Magdalena Neuner, Uschi Disl oder Kati Wilhelm fortgesetzt. Für Herrmann-Wick können alle die Daumen drücken, die Fans aus Bayern wie auch aus dem Osten Deutschlands. Die 34-Jährige kommt aus Schlema in Sachsen. In Ruhpolding hat sie inzwischen Wurzeln geschlagen. Im September vergangenen Jahres heiratete sie ihren langjährigen Freund Thomas Wick, mit dem sie zusammen im Chiemgau wohnt. Der Begriff Heimrennen hat eine besondere Bedeutung für sie. "Viele aus der Nachbarschaft sind da. Es ist schön, dass so viele die Leidenschaft für Biathlon teilen. Da gibt man gerne etwas zurück. Das ist wie ein gemeinsames Projekt", sagte die Skijägerin nach dem Auftaktrennen.
Denise Herrmann-Wick: In einer Reihe mit Laura Dahlmeier und Magdalena Neuner
In das Teamquartier des deutschen Skiverbandes (DSV) im Unternberg Hof bei Ruhpolding geht sie nur zur Teambesprechung und zum Essen. Ansonsten genießt die Sportlerin den Luxus, im eigenen Bett zu schlafen. Unterwegs sei sie zuletzt zwischen Weihnachten und Neujahr genug gewesen. Herrmann-Wick hatte wegen des Schneemangels in Ruhpolding "die Flucht ergriffen" und war auf Trainingsstrecken in Südtirol und der Schweiz ausgewichen.
Mit Platz 15 im Einzelrennen am Donnerstag konnte die Gesamt-Fünfte des Weltcups nicht zufrieden sein. Wieder einmal haperte es am Schießstand. "Drei Mal ein Fehler sind zwei zu viel für Ruhpolding", sagte sie nach dem Rennen, ohne sonderlich geknickt zu wirken. Ihre Stärken in der Loipe konnte die ehemalige Langläuferin, die 2016 zu den Skijägern gewechselt war, wieder einmal ausspielen. Herrmann-Wick legte die beste Laufzeit aller Starterinnen hin und scherzte im Zielbereich. "Kräftetechnisch bin ich vorne dabei", sagte sie und verriet ihren Spitznamen in der deutschen Frauen-Mannschaft: "Bizeps-Queen".
Biathlon-Fans mit Tröten und Riesen-Ratschen
Muskeln helfen allerdings im Schießstand nicht weiter, weshalb sie mit Mentaltrainer Thomas Baschab zusammenarbeitet. Um die Treffsicherheit zu erhöhen. Mögliche Fehlerquelle: Sobald sie auf der Schießmatte stand, hatte sie Gedanken, die "nicht ideal sind, um Höchstleistungen abzurufen". Hier in Ruhpolding steht eine Tribünen-Wand mit 8000 erwartungsfrohen Fans samt Tröten und Riesen-Ratschen hinter dem Schießstand und feiert jeden Treffer mit lauten "Hey". Oder jeden Fehlschuss mit einem gequälten "Ohhhhh".
Die Situation kann sie verarbeiten. "Es fühlt sich gut an, hier Rennen zu laufen. Ich kann das Mitgrölen für die Schüsse gut ausblenden." Bei der Heim-Weltmeisterschaft in Oberhof vom 8. bis 19. Februar werden die Fans vor allem aus dem Osten Deutschlands riesige Hoffnungen auf die Sächsin projizieren. Auch damit kann sie umgehen. "Oberhof wird richtig, richtig gut werden. Da werden wir maximal gepusht." Mit ihrer Heimat im Erzgebirge ist sie stark verbunden. Räucherkerzen, Kerzen und eine Pyramide hat sie auch auf Reisen stets dabei.
Noch zwei Starts in Ruhpolding
Der Fahrplan zur Biathlon-WM im eigenen Land steht. Die konditionelle Basis stimmt, wie die Spitzen-Laufzeit im Einzel bewies. Ein Weltcup in Antholz steht vor der WM noch im Programm. Doch zunächst will sie die beiden Heimspiele in ihrer neuen Heimat genießen. In Ruhpolding stehen am Samstag (14.45 Uhr) die Frauen-Staffel und am Sonntag (14.45 Uhr/jeweils ARD und Eurosport) das Massenstartrennen im Programm. Dann will die Bizeps-Queen die Muskeln spielen lassen. Und wenn am Schießstand die richtigen Gedanken durch ihren Kopf gehen, dann ist ein Spitzenresultat garantiert.