An Abenden wie diesen steht manches schräg im Raum und nachträgliche Interpretationen des Gesehenen und Geschehenen sind nicht selten von gewisser Selbstgerechtigkeit geprägt. Während die Fans in der Münchner Arena am Freitagabend bereits von dem Anschlag in Magdeburg erfahren hatten, waren die Spieler darüber noch nicht informiert. Möglicherweise kam es den Anhängern der Bayern pietätlos vor, dass die Leipziger Auswechselspieler nach der Partie konzentriert ihr Auslaufprogramm durchzogen. Das Stadion war bereits abgedunkelt, der Tölzer Knabenchor hatte Position bezogen, die Münchner hatten eine Weihnachtsfeier geplant. Der Vorstandschef Jan-Christian Dreesen erklärte dann allerdings am Mikrofon, dass die Feier aufgrund des Anschlags abgesagt sei. Die Leipziger liefen weiter. Die Fans pfiffen und kurz schien es, als würde dieser Abend eine Abzweigung nehmen, die der Sache nun wirklich nicht angemessen wäre.
Freilich ließe sich darüber diskutieren, ob die Leipziger mit ihren Läufen am Rande einer Weihnachtsfeier nicht sowieso schon ein unangemessenes Beiwerk abgegeben hätten. Zumal es auch für die Sachsen die letzte Partie eines fordernden Jahres gewesen ist und sich diese eine Miniatur-Einheit wohl nicht negativ auf die Fitness im kommenden Jahr ausgewirkt hätte. Profi-Sportler legen allerdings auch andere Maßstäbe an, wenn es darum geht, körperliche Voraussetzungen für ihr Arbeitspensum zu schaffen. Als dann endlich ein Betreuer die Leipziger Spieler davon überzeugte, dass es wirklich besser sei, das Laufen nun einzustellen, sprach Dreesen zu den Anhängern. Spätestens als der Tölzer Knabenchor „Stille Nacht“ sang, stellte sich jene besinnliche Stimmung ein, die weit von feierlicher Atmosphäre entfernt ist.
Vincent Kompany wünscht sich „Siege für Frieden“
Unter jenen außergewöhnlichen Eindrücken die richtigen Worte zu finden, ist nicht jedem gegeben. Zumal, wenn er zum Broterwerb keine Rhetorikkurse gibt. Vincent Kompany und Marco Rose aber handelten wohltuend reflektiert, indem sie gar nicht groß auf das Spiel eingingen und stattdessen ihr Mitgefühl aussprachen. Und wenn nicht an Abenden wie jenem, Pathos eingeräumt werden sollte, dann wohl nimmermehr. „Wir haben gewonnen, aber ich wünsche mir Siege für Frieden nächstes Jahr“, sagte also Kompany.
Der hatte zuvor eine beeindruckende Leistung seiner Mannschaft gesehen. Das tat zwar an jenem Abend wenig zur Sache, in wenigen Wochen aber werden Spieler, Vorstandsbosse und Fans doch wieder auf die Tabelle blicken und dort machen sich drei errungene Punkte gegen Leipzig aus Münchner Sicht gewiss nicht schlecht. Die Bayern errangen sie dank einer durchweg engagierten Vorstellung und etlicher ansehnlicher Spielzüge mit 5:1 und konnten sich dabei auch auf einige Akteure verlassen, die zuletzt eher als Nebendarsteller das große Münchner Schauspiel bereicherten. Konrad Laimer beispielsweise leitete ein und vollendete kurz danach auch gleich noch zum 2:1. Alphonso Davies nickte zum Endstand ein, am auffälligsten aber spielte Leroy Sané. Jener Akteur, dem aufgrund seiner Fähigkeiten die großen Bühnen der Fußballwelt offenstehen sollten. Der aber lange Zeit angeschlagen war und darüber hinaus mit einem nur unregelmäßig zu durchdringenden Fado aufläuft.
Vertragsverlängerung: Was macht Leroy Sané?
Gegen Leipzig aber zeigte er, weshalb ihn die Bayern vor vier Jahren aus Manchester holten. Im kommenden Sommer läuft sein Vertrag in München aus und noch sind sich die Verantwortlichen nicht sicher, wie sie damit umgehen sollen. Der Flügelspieler hingegen sagte nach der Partie, dass er gerne in München verlängern würde. „Dann werden wir im Januar reden“, sagte Max Eberl dazu.
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