So wie sie in München über Spielergenerationen hinweg ein selbstverständliches Selbstbewusstsein etabliert haben, können auch andere Klubs auf eine tief verwurzelte DNA verweisen. Auf Schalke gehört ebenso wie in Köln die Folklore maßgeblich zu einem anständigen Vereinswesen dazu. Herthaner kommen seit jeher über das Chaos zum Misserfolg und in Gladbach gefällt man sich in der Rolle des anständigen Spieler-Ausbilders.
Die Leverkusener wiederum sind bekannt für ihren extravaganten Geschmack bei der Verpflichtung von Trainern. Als sich der Werksklub noch der Millionen Mark des Bayer-Werkes bediente, ohne dass die 50+1-Regel infrage gestellt wurde, setzten die Verantwortlichen kurzerhand Rinus Michels auf die Trainerbank, der gerade erst mit den Niederländern Europameister geworden war und damit ja nun doch einige Nummern zu groß für Klub ohne Eigenschaften.
In unregelmäßigen Abständen folgten unter anderem der unterhaltsame Serbo-Hesse Dragoslav Stepanovic, Christoph Daum (der kein so reines Gewissen hatte, wie er es weismachen wollte), der immer etwas zu großspurige Klaus Toppmöller (unter dem sich Bayer zu "Vizekusen" entwickelte), der urige Klaus Augenthaler und Jupp Heynckes (bevor er die Bayern zum Triple führte).
Bayer Leverkusen versuchte es mit Weltklassespielern als Trainer
Zwischendurch auch gerne mal der Versuch mit ehemaligen Weltklassespielern auf der Bank. Nichts anderes nämlich war Berti Vogts, ehe er Bundesberti wurde. Und auch Rudi Völler (von dem es ja nur einen gibt): grandioser Spieler.
Der nun neue Mann an der Seitenlinie soll das Beste aus beiden Welten vereinen. Xabi Alonso strahlte nicht nur auf dem Feld Erhabenheit aus, sondern besitzt auch fernab des Rasenvierecks Wirkmächtigkeit. Die Leverkusener stellten den Spanier am Donnerstag als Nachfolger des zuletzt reichlich glücklosen Gerado Seoane vor. Unter dem Schweizer reihten die Leverkusener in den vergangenen Wochen Niederlage an Niederlage und traten dabei auch zunehmend konfuser auf, so war beim 0:4 in München keinerlei festigende Struktur mehr zu erkennen.
Xabi Alonso sammelte Erfahrungen in San Sebastian
Eben daran wird Alsonso wohl als Erstes arbeiten. Wenn nicht er, wer denn sonst? Schließlich war der Spanier über ein Jahrzehnt hinweg das Bindemittel in gleich drei europäischen Top-Teams. Mit Liverpool und Madrid gewann er die Champions League, beim FC Bayern dominierte er auf Anweisung von Pep Guardiola die Spielfelder von Freiburg bis Bremen. Nachdem er ein Jahr in der U14 von Real Madrid für sich erforschte, ob denn der Trainerberuf für ihn erstrebenswert ist, sammelte er weitere drei Jahre bei der zweiten Mannschaft von San Sebastian Erfahrungen. "Ich fühle, das ist der richtige Moment", sagte er nun zu seinem ersten Posten im Profibereich. Dabei wechselte der 40-Jährige immer wieder vom Deutschen ins Englische, wenn er zu lange nach den passenden Vokabeln hätte kramen müssen.
"Dominant und dynamisch" wolle er die Mannschaft spielen lassen. Allerdings weiß er auch, dass es ein weiter Weg ist, ehe das Team nach seinen Vorstellungen agiert. Schließlich stehen auch für die Bayer-Elf bis zur Winterpause beinahe ausnahmslos Englische Wochen an. "Zeit ist Luxus. Wir müssen effizient sein, um zu erreichen, was wir wollen", so Alonso. Für Erfolg nun wiederum stand Bayer Leverkusen bislang eher weniger. Allerdings hatten sie auch nie einen Trainer wie Xabi Alonso.