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Battle of Highbury: Legendäres Fußballspiel zwischen Italien und England vor 90 Jahren

Fußball

„Die Italiener traten auf alles, was sich bewegte“: Der „Battle of Highbury“ wird 90

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    Schon wieder liegt einer am Boden: Italiens Torwart Carlo Ceresoli hilft einem  englischen Spieler auf. Das Länderspiel am 14. November 1934 ging als „Battle of Highbury“ in die Fußball-Geschichte ein.
    Schon wieder liegt einer am Boden: Italiens Torwart Carlo Ceresoli hilft einem englischen Spieler auf. Das Länderspiel am 14. November 1934 ging als „Battle of Highbury“ in die Fußball-Geschichte ein. Foto: Imago,  TopFoto

    Am 14. November des Jahres 1934 sah die Welt noch anders aus. In der Luftfahrt gab es fast monatlich neue Rekorde zu vermelden, ein gewisser Donald Duck hatte seinen ersten Auftritt im Kurzfilm The Wise Little Hen und in Europa, speziell in Deutschland, braute sich großes politisches Unheil zusammen. Auch die Fußball-Welt vor 90 Jahren glich nur bedingt der heutigen. Weltmeister war im Sommer dieses Jahres zwar bei seinem Heimturnier Italien geworden, die zweite WM der Fußball-Geschichte hatte aber einen Makel: England, das Mutterland des Sports mit der vermeintlich stärksten Mannschaft, hatte keinerlei Interesse an dem Turnier. Der englische Verband FA war sechs Jahre zuvor sogar aus dem Weltverband Fifa ausgetreten. Die WM? Völlig uninteressant. England müsse eigentlich nicht beweisen, dass die besten Kicker der Welt auf der Insel zu Hause sind. Und doch sollte an diesem Tag in Norden Londons ein Spiel stattfinden, das offiziell ein Freundschaftsspiel war. Als solches betrachtete die Gewaltorgie, die unter dem Titel „Battle of Highbury“ Eintrag in die Geschichtsbücher fand, aber niemand: England gegen Italien.

    Der Weltmeister aus Südeuropa wollte dabei zeigen, dass man zu Recht den Titel der weltbesten Mannschaft trug, auch wenn sich rund um das Turnier einige Ungereimtheiten bei Schiedsrichterentscheidungen ergeben hatten. Dass das Spiel überhaupt zustande kam, war dem englisch sprechenden Nationaltrainer Italiens, Vittorio Pozzo, zu verdanken gewesen. Staatschef Benito Mussolini, „Il Duce“, wollte das Spiel für Staatspropaganda nutzen und versprach jedem Spieler der Squadra Azzurra im Falle eines Sieges einen Alfa Romeo, Befreiung vom Militärdienst und ein Handgeld von 150 Pfund (nach heutigen Maßstäben über 9000 Euro). Im Wesentlichen trat auf italienischer Seite die Weltmeistermannschaft an, während England die Sache offenbar nicht ganz so verbissen anging: Kein Spieler hatte mehr als zehn Länderspiele, ein 19-Jähriger namens Stanley Matthews lief zum dritten Mal für die „Three Lions“´auf.

    Von Fouls und Brüchen: England gegen Italien war der „Battle of Highbury“

    Trotzdem schien Englands Hochmut vor 51.000 Zuschauern im Arsenal-Stadion nicht bestraft zu werden: In der ersten Minute vergab Eric Brook einen Elfmeter, traf aber bis zur zehnten Minute doppelt. Nach zwölf Minuten stand es durch das Tor von Ted Drake sogar 3:0 - das Spiel drohte für Italien zur Blamage zu werden. Zudem war der Ton von Beginn an gesetzt: Nach einem Foul von Drake in den ersten Minuten hatte sich der italienische Mittelfeldspieler Luis Monti das Bein gebrochen. Weil Auswechslungen damals noch nicht erlaubt waren, mussten seine Mitspieler fast 80 Minuten in Unterzahl spielen, was der Stimmung auf dem Platz nicht zuträglich zu sein schien. Stan Matthews, der später zum besten Rechtsaußen der Welt werden sollte, erinnerte sich in seiner Biografie an das Spiel: „Die Italiener traten auf alles, was sich bewegte.“ Das Urteil Matthews‘, der immerhin 35 Jahre lang als Profi spielte: „Es war das brutalste Spiel meiner Karriere.“

    Tatsächlich erinnern die Diagnosen nach Abpfiff eher an einen Autounfall als an ein Fußballspiel. Englands Kapitän Eddie Hapgood wurde die Nase gebrochen. Drake erlitt bei einem Revanchefoul eine tiefe Fleischwunde im Bein, Ray Bowdens Sprunggelenk war nicht mehr zu gebrauchen. Dazu kamen zahlreiche Prellungen und blaue Flecken. Aus sportlicher Sicht kam Italien im zweiten Durchgang sogar nochmal ran, durch zwei Tore von Giuseppe Meazza. Dem späteren Namensgeber des Mailänder Stadions wäre vielleicht sogar in der Schlussminute der Ausgleich gelungen, seine Mitspieler übersahen den frei vor dem Tor stehenden Stürmer jedoch. Dass Italiens Spieler nach Schlusspfiff den Duce-Gruß sendeten, heizte die Atmosphäre zusätzlich auf.

    In England diskutierte man einen Verzicht auf Spiele gegen Teams vom Kontinent

    Der 3:2-Sieg Englands wurde in den beteiligten Ländern höchst unterschiedlich aufgenommen. Während das faschistische Italien die Spieler als die „Löwen von London“ feierte, war man in England schon beim Bankett, das eher einem Lazarett glich, außer sich. Welcher englische Spieler für das Zitat „It was not a game of football, it was a battle“ verantwortlich war, ist ungeklärt. Doch der Begriff „Battle of Highbury“ war geprägt. In England diskutierte man angesichts dieses Verlaufs sogar, ob eine englische Mannschaft jemals wieder gegen ein Team antreten solle, das vom europäischen Kontinent stammt. Die Partien gegen Schottland, Wales und Irland würden doch auch reichen. Bei der Weltmeisterschaft 1938 fehlte England folgerichtig erneut. Weltmeister wurde erneut Italien, nach einem 4:2-Sieg gegen Ungarn. Erst bei der nächsten WM im Jahr 1950 war das Mutterland des Fußballs erstmals dabei. Die Erinnerung an den 14. November 1934 hat auf der Insel bis heute Bestand.

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