Franz Wagner, nachdem die Orlando Magic in den vergangenen drei Jahren die NBA-Play-offs jeweils deutlich verpasst haben, ist Ihr Team nun wieder mittendrin im Kampf um die Endrunden-Teilnahme. Was zeichnet die Magic in dieser Saison bislang aus?
Franz Wagner: Ich denke, dass wir einerseits eine sehr gute Verteidigung spielen und andererseits in der Offensive immer wieder unseren Topspieler Paolo Banchero gut in Szene setzen. Ansonsten haben wir einfach richtig viel Spaß, gemeinsam auf dem Court zu stehen und dort einen möglichst schnellen Basketball zu kreieren. Wenn uns das gelingt, können wir mittlerweile jeden Gegner schlagen.
Wenn zwei Brüder zusammen in einer Mannschaft spielen, heißt es nicht automatisch, dass die Chemie auf dem Court untereinander stimmt. Bei Ihnen und Moritz scheint jedoch blindes Verständnis zu herrschen. War das von Anfang an der Fall?
Wagner: Wir haben ja in der Vergangenheit eigentlich nie viel miteinander trainiert oder in einer Mannschaft gespielt. Von dem her würde ich schon sagen, dass es etwas gedauert hat, bis wir dieses gegenseitige Verständnis untereinander entwickelt haben. Was uns dabei aber sicherlich auch entgegengekommen ist: Gerade in Sachen Basketball sind wir doch sehr ähnlich aufgewachsen. Wir kommen beide aus der Alba-Berlin-Schule, was man ja auch an unserer Spielweise etwas sehen kann.
Die Orlando Magic sind eine sehr junge Truppe, die sich über einen längeren Zeitraum kontinuierlich verbessert hat. Lässt sich dieser Entwicklungsprozess mit dem der deutschen Nationalmannschaft in den zurückliegenden Jahren vergleichen?
Wagner: Von außen sieht das vielleicht immer so aus, als würde es in Sachen Entwicklung permanent steil nach oben gehen. Für dich als Spieler fühlt sich das jedoch ehrlicherweise nicht immer so an. Was die Nationalmannschaft betrifft: Nachdem ich erst seit knapp zwei Jahren dabei bin, kann und will ich mir eigentlich gar nicht das Recht rausnehmen, groß über dieses Thema zu sprechen. Ich kann letztlich nur sagen, dass ich in ein richtig cooles System reingekommen bin und es wahnsinnig viel Spaß macht. Auf die Magic bezogen: Grundsätzlich bin ich schon auch der Meinung, dass wir hier gute Arbeit machen und auf dem richtigen Weg sind. Eine Saison in der NBA ist sehr lang und in der Regel durch viele Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Wichtig für uns wird es sein, dass wir auch bei diesen Tiefen als Team zusammenstehen und weiterhin gemeinsam viel lernen.
Wenn man sich heute, rund vier Monate nach dem gewonnenen WM-Finale gegen Serbien (83:77), mit den deutschen Nationalspielern unterhält: Viele sagen, dass sie diesen großen Erfolg immer noch nicht realisiert hätten. Wie ist das bei Ihnen?
Wagner: Mir geht's ähnlich (lacht). Wenn man in Deutschland aufwächst, dann ist der Glaube, dass so etwas tatsächlich einmal passieren könnte, nicht unbedingt groß. Aber klar, es war natürlich ein krasses Erlebnis für uns alle. Wir haben in diesem Turnier wirklich alles reingeworfen, was wir hatten. Dass dann am Ende der Weltmeistertitel herausgesprungen ist, lässt sich mit Worten eigentlich kaum beschreiben. Ich denke daher, dass dieses Gefühl hinsichtlich dessen, was wir im Sommer 2023 erreicht haben, noch viele Jahre anhalten wird.
Haben Sie den Eindruck, dass dieser WM-Triumph dem deutschen Basketball in Nordamerika ein noch größeres Ansehen und mehr Respekt verschafft hat?
Wagner: Das hoffe ich natürlich. Grundsätzlich ist der Stellenwert des europäischen Basketballs hier mittlerweile schon sehr hoch. Das war vor zehn oder 15 Jahren sicherlich noch etwas anders. Heutzutage sind drei der absoluten Topspieler in dieser Liga aus Europa. Wenn du da als junger Spieler neu dazukommst, wie es ja bei mir persönlich auch der Fall war, spürt man schon von Beginn an einen gewissen Respekt. Ansonsten glaube ich jetzt ehrlich gesagt nicht wirklich, dass die Amerikaner so genau wissen, was da bei der Weltmeisterschaft tatsächlich passiert ist (lacht). Die machen vielmehr ihr eigenes Ding, schauen vielmehr auf die NBA und können daher beispielsweise auch behaupten, dass ihre besten Spieler bei der WM gar nicht dabei waren – was uns Deutschen letztlich aber auch völlig egal sein kann.
Ein Turnier, das bei den US-Amerikanern definitiv einen deutlich höheren Stellenwert genießt, sind die Olympischen Spiele, die in diesem Jahr in Paris stattfinden (26. Juli bis 11. August). Wie groß ist bei Ihnen bereits die Vorfreude auf dieses sportliche Großereignis?
Wagner: Sehr groß. Für mich persönlich ist es eine coole Kindheitserinnerung, da ich früher die Olympischen Spiele im Fernsehen immer verfolgt habe. Aus diesem Grund freue ich mich sehr darauf, hoffentlich in Paris dabei zu sein. Das wird mit Sicherheit ein Riesenerlebnis, bei dem man ja neben seinem eigenen Turnier auch die Möglichkeit hat, andere Sportarten "live" anzuschauen, um dieses ganz besondere Flair auch aufzusaugen.
Die deutsche Nationalmannschaft wird als amtierender Basketball-Weltmeister nach Paris reisen. Wird man daher auch mit dem Selbstbewusstsein, zu den Mitfavoriten zu zählen, in dieses Turnier starten?
Wagner: Nachdem es bis dahin ja doch noch einige Monate sind, bin ich ehrlicherweise noch gar nicht so richtig in diesem Thema drin. Aber klar, wenn wir dort antreten, dann werden wir dies auf keinen Fall nur deshalb tun, um dort unsere Zeit abzusitzen oder zu verschwenden. Wir wollen schlichtweg so gut spielen, wie es nur geht und dabei die gleiche Mentalität, die uns bei der Weltmeisterschaft ausgezeichnet hat, auf den Court bringen. Nur so macht es auch Spaß. Ansonsten brauchen wir da gar nicht erst hinzufahren.
Zur Person
Franz Wagner, 22, stammt aus Berlin und lernte, wie auch schon sein älterer Bruder Moritz, beim ortsansässigen Erstligisten Alba das Basketballspielen. Im April 2018 debütierte er als 16-Jähriger in der Bundesliga. 2021 wechselte Wagner zu den Orlando Magic in die NBA, die beste Basketballliga der Welt. Dort spielt er seitdem mit seinem Bruder zusammen. 2023 gewann er mit der deutschen Nationalmannschaft WM-Gold.