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AZ live: Markus Wasmeier: "Die meisten Autogramme hat damals mein Vater geschrieben"

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Markus Wasmeier: "Die meisten Autogramme hat damals mein Vater geschrieben"

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    Skilegende Markus Wasmeier war im Kleinen Goldenen Saal der Stadt Augsburg zu Gast. Dort stellte er sich den Fragen der Redakteure Stefanie Wirsching und Andreas Kornes.
    Skilegende Markus Wasmeier war im Kleinen Goldenen Saal der Stadt Augsburg zu Gast. Dort stellte er sich den Fragen der Redakteure Stefanie Wirsching und Andreas Kornes. Foto: Bernhard Weizenegger

    Herr Wasmeier, fast auf den Tag genau vor 30 Jahren gewannen Sie in Lillehammer olympisches Gold im Super-G, es folgte eine zweite Goldmedaille im Riesenslalom. Wie erinnern Sie diese zwei Tage?

    Markus Wasmeier: Ich bin fünf oder sechs Jahre nach den beiden Siegen wieder nach Lillehammer gefahren und war selbst sehr gespannt, wie es mir dabei geht. Ich habe festgestellt, dass ich das Dorf nicht so wirklich erkannt habe. Das war damals alles so nebensächlich. Aber kaum war ich oben am Start und habe auf die Piste geschaut, war es, als sei es gestern gewesen. Und das ist eigentlich heute noch so. Ich bin fast jedes Jahr rund um den Termin in Lillehammer und kenne das Drumherum jetzt besser. Aber damals war ich wirklich so in dem berühmten Tunnel. Dafür habe ich noch jeden kleinen Schneeball, der auf der Piste lag, in Erinnerung. 

    Sie können die Strecken also auch heute noch genau abrufen?

    Wasmeier: Ich würde sagen, dass ich von 90 Prozent meiner Rennen noch jedes Tor und jeden Buckel weiß.

    Der Skirennsport hat sich extrem verändert, nicht zuletzt beim Material. Wären Sie heute auch noch gerne Fahrer?

    Wasmeier: Nach dem Karriereende ist ja das Schlimmste, dass du auf einmal eine Karte kaufen musst. Dass du dich am Lift anstellen musst und die Piste dann auch noch voll ist, weil lauter Touristen unterwegs sind. Glücklicherweise kam dann das Angebot von der ARD, ob ich Experte sein wolle. Ich habe zugestimmt und gesagt, dass ich unbedingt Kamerafahrten machen will. Das hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Also bin ich da mit der Kamera runtergefahren. Und auf einmal hatte ich wieder freie Pisten. 

    Als Olympiasieger und dann auch als TV-Experte waren Sie in ganz Deutschland bekannt. Zuletzt wurde es ruhiger um Sie. Kennen die jungen Leute Sie noch?

    Wasmeier: Das hängt ganz stark davon ab, wie begeistert die Eltern waren. Dann haben es natürlich die Kinder mitbekommen. Wenn das nicht der Fall ist, wird es natürlich weniger. Aber das ist ganz normal und das ist auch okay. Mittlerweile bin ich ja für viele ganz Junge nicht mehr der Olympiasieger oder Weltmeister, sondern der, der das Museum hat. 

    Bekommen Sie noch Fanpost?

    Wasmeier: Ja, aber natürlich nicht mehr so oft. Jetzt sind es in der Woche zehn oder 15 Briefe, früher waren es 700 am Tag. Die haben wir dann als Familienbetrieb bearbeitet. Die meisten hat damals mein Vater unterschrieben. Aber was hätte ich machen sollen? Du bist 300 Tage im Jahr unterwegs und zu Hause stapelt sich die Post. 

    Wo lagern Sie Ihre olympischen Goldmedaillen?

    Wasmeier: Die liegen im Büro in einer Schublade. Davor waren sie lange im Kinderzimmer verräumt.

    Sie haben die Risiken angesprochen: Wie geht es Ihrem Körper nach einer langen Karriere als Skirennfahrer?

    Wasmeier. Bei mir ist es weniger die Abnützung, meine Knie haben immer funktioniert. Aber ich habe mir zweimal ein paar Wirbel zertrümmert und auch sonst gab es schon ein paar Blessuren. Am brutalsten war ein Unfall im Training. Das war 1993. Da ist ein Service-Mann unbefugt hinter einem Sprung gestanden und ich komme mit 110 Stundenkilometern daher. Wir sind voll zusammengeprallt. Er hatte relativ wenig. Ich hatte die Hüfte gebrochen, die Sprunggelenke gebrochen, die Schulter verletzt und eine schwere Gehirnerschütterung. Das war eine Woche vor Saisonbeginn. Nach vier Wochen bin ich dann aber schon wieder Rennen gefahren. Beim Fahren blendest du das alles aus und ich war gar nicht so schlecht unterwegs. Da schmeißt du dann auch alles an Schmerzmitteln rein. Trotzdem war das Wahnsinn. Aber man hat so einen Ehrgeiz, man will einfach dabei sein. 

    Was haben Sie vom Leben als Sportler gelernt?

    Wasmeier: Ich war ein sehr sensibles Einzelkind, das sensibel reagiert hat, auch mit Tränen. Ich wurde als Kind oft gemobbt. Außerdem war ich kein guter Schüler. Mich hat der Sport einfach mehr interessiert und ich bin dann eigentlich immer zu der Erkenntnis gekommen: Eins kann ich besser als ihr, und das ist Skifahren. Das hat sich dann auch durch meine Karriere gezogen. Ich hatte nie ein Vorbild, sondern habe mir immer nur gedacht: Du bist einer hinter mir. Das war meine Motivation. 

    Sie leben in Schliersee und sind sehr heimatverbunden. Wie würden Sie den Begriff Heimat definieren?

    Wasmeier: Für mich gibt es mehrere Heimaten. Das ist der Sport, das ist meine Familie. Es können die Freunde sein, mit denen du unterwegs bist. Ich glaube, Heimat ist nicht ortsbezogen, es ist ein Gefühl. Wenn alles zusammenpasst, wenn du dich wohlfühlst, dann sind das die Heimaten. Das Dahoam ist wieder was anderes. Da hast du deine Wurzeln, da verbringst du dein Leben. 

    Das Thema Mobbing in der Schulzeit haben wir schon angesprochen. Auch rund um die Entstehung Ihres Freiluftmuseums gab es Widerstand und Streitereien. Hat Sie das auch mal an Ihrer Heimat verzweifeln lassen?

    Wasmeier: Sagen wir mal so: Im Sport muss man tagtäglich mit Niederlagen umgehen. Im Sport bin ich allerdings ganz allein dafür verantwortlich und ich kann jederzeit etwas ändern. Wenn du aber ein Projekt aufziehen willst, um der Allgemeinheit etwas zurückgeben, weil du auf der Sonnenseite leben darfst, ist das viel schwieriger. Ich bin auf viele Hindernisse gestoßen und habe eins gelernt: Neid muss man sich schwer erarbeiten. Mittlerweile bin ich so weit, dass ich mich nicht mehr ärgere, sondern nur noch wundere. 

    2017 haben Sie ein Buch mit dem Titel “Dahoam” veröffentlicht. Darin arbeiten Sie die schwere Krebserkrankung Ihrer Frau auf. Warum?

    Wasmeier: Ich habe mit dem Buch 2010 begonnen und als es fertig war, ist meine Frau krank geworden. Ich habe mich dann drei, vier paar Jahre komplett ausgeklinkt und nur um meine Frau gekümmert. Dann ist mir das Buch wieder ins Gedächtnis gekommen, aber es ist eine neue Geschichte gewesen. Ich habe lange überlegt und mit meiner Frau darüber gesprochen, ob wir die Krankheit thematisieren sollen. Sie hat dann Ja gesagt, weil man damit anderen Menschen helfen kann. Wie man mit positivem Denken Dinge schaffen kann, die man am Anfang nicht für möglich gehalten hätte. Meine Frau hat schwer gekämpft und schwere Zeiten hinter sich. Inzwischen können wir aber sagen, dass wir wirklich großes Glück gehabt haben. Eigentlich habe ich die Geschichte nur erzählt, um anderen ein bisschen Mut zu machen. 

    Das gilt auch für Ihr Engagement in der Ukraine-Hilfe. Schon vor dem russischen Angriffskrieg haben Sie einen kulturellen Austausch organisiert. Jetzt sammeln Sie Hilfsgüter und transportieren sie in die Ukraine. Mittlerweile scheint es so, als habe sich die Mehrheit in Deutschland an den Krieg gewöhnt. Haben Sie Sorge, dass das Thema zu weit in den Hintergrund gerät?

    Wasmeier: Ja, definitiv. Unsere Sorge war sogar, dass das schon nach dem ersten Jahr passiert. Jetzt hat es halt ein bisschen länger gedauert. Putin hat schon immer gesagt, was er will. Er will das große russische Reich wieder. 2014 ist das losgegangen, als er die Krim überfallen hat. Keiner hat was gemacht. Jeder hat gedacht, dass er nicht weitermacht, weil das unser demokratisches Denken und unsere Werte sind. Wenn man miteinander einen fairen Umgang auf Augenhöhe hat, dann kommen auch positive Dinge raus. Aber das war ein Irrtum. 

    Machen wir als Deutschland und als Europa genug, um die Ukraine zu unterstützen?

    Wasmeier: Ich glaube, dass in der Zivilbevölkerung großes Verständnis da ist. Von unserer Politik bin ich manchmal sehr enttäuscht. Ich weiß nicht, wie ich den Ukrainern erklären soll, warum das eine geht und das andere nicht. Die kämpfen auch für uns. Wenn Putin die Ukraine hat, dann steht er bald an der polnischen Grenze oder an der eines anderen EU-Landes und dann wird es noch enger. Was können wir dagegenhalten?

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