Vor dem «Popcorn-Match» gegen Carlos Alcaraz wurmt eine Szene des so dramatisch verlorenen French-Open-Endspiels Alexander Zverev noch immer. Auf brutale Weise war in Paris gegen den spanischen Tennisstar Zverevs Traum vom ersten Grand-Slam-Triumph geplatzt. In Turin entscheidet nun am Freitag (14.00 Uhr/Sky) der Gruppen-Showdown zwischen Zverev und Alcaraz über den Einzug ins Halbfinale beim prestigeträchtigen Saisonfinale.
Mit ein bisschen Wehmut blickt Zverev auf den 9. Juni im Stade Roland Garros zurück. «Das Match an sich hängt nicht so sehr nach eigentlich, weil ich das Gefühl habe, ich habe alles getan, was ich machen konnte», beschwichtigte der zweimalige Grand-Slam-Finalist zwar.
Aber: «Die Schiedsrichterentscheidung hängt mir immer noch sehr, sehr nach. Die fand ich sehr bitter.» Im fünften Satz hatte sich das Drama zugespitzt und eine Fehlentscheidung seine Chancen auf den ersehnten Triumph zumindest geschmälert. Einen Aus-Ruf des Linienrichters hatte der Schiedsrichter falsch korrigiert. Es wäre ein Doppelfehler von Alcaraz und Spiel für Zverev gewesen.
Zverev zieht bei einem Satzgewinn ins Halbfinale ein
Bei den ATP Finals der acht besten Profis des Jahres steht nun noch kein Titel auf dem Spiel. Es geht darum, die Gruppenphase zu überstehen. Und die Ausgangslage für Zverev ist nach seinem 7:6 (7:3), 6:3 gegen den Norweger Casper Ruud und seinem zweiten Sieg im zweiten Auftritt wesentlich günstiger als für Alcaraz. Ein Satzgewinn reicht ihm schon für das Erreichen der Runde der besten Vier. Auf Alcaraz lastet größerer Druck. Verliert der Hamburger allerdings glatt, muss er bis zum Ende des Abendmatches zittern.
Zverev kann dem abschließenden Gruppenspiel bei aller Sehnsucht nach dem Malediven-Urlaub optimistisch entgegenblicken. Der 27-Jährige strahlt in den letzten wenigen Tagen der Saison Selbstvertrauen und Ruhe aus. Nachdem er sich im Oktober noch durch manches Match gequält hat, wirkt der Weltranglisten-Zweite jetzt wieder in Topform.
Wie fit ist Alcaraz?
Der bedenkliche Eindruck, den er noch vor wenigen Wochen mit Zorn und Schiedsrichter-Schelte hinterließ und der Fragen nach einem vorzeitigen Saisonabbruch aufwarf, ist wie weggewischt. Die deutsche Nummer eins glänzt mit einem dominanten Aufschlag. Und einem ungewohnten Drang zur Offensive. Das macht ihn unberechenbarer, was er auch gegen Alcaraz brauchen dürfte.
An den Gesundheitszustand der Nummer drei der Welt will der selbst noch immer ein wenig von seinen Lungenproblemen gehandicapte Zverev keine Gedanken verschwenden. Erkrankt und geschwächt war der spanische Wimbledon-Champion in die ATP Finals gestartet. Eine Taschentücher-Box stand bei seinem Sieg gegen den Russen Andrej Rubljow an seiner Bank parat. Ein Nasenpflaster half, besser Luft zu bekommen. «Er hat ein Supermatch gespielt gegen Rubljow, und ich erwarte dasselbe», meinte Zverev.
Es wird das elfte Duell zwischen den beiden. Die Bilanz ist mit fünf Siegen für jeden ausgeglichen. Potenzial für Spannung ist beim Aufeinandertreffen des viermaligen Grand-Slam-Champions Alcaraz mit dem zweimaligen ATP-Finals-Sieger Zverev gegeben. Das mögliche Ausscheiden erhöht den Reiz. Die Vorzeichen sind dabei ganz andere als in Paris: Hartplatz statt roter Asche, zwei statt drei Gewinnsätze. Hinzu kommt die Hallen-Atmosphäre, die eher für Zverev spricht. Entscheidungen darüber, ob die Bälle im Aus sind, fallen über das Hawk-Eye-System.
Primetime wäre Zverev lieber
Etwas überraschend wird das Match nicht zur Primetime am Abend, sondern am Nachmittag ausgetragen. Späte Matches mag Zverev eigentlich lieber. Verständnis für die Ansetzung hat er dennoch. «Ich hätte lieber abends gespielt, um den gleichen Rhythmus zu haben», sagte er. «Aber es ist, wie es ist. Ich habe jetzt zwei Abendspiele gespielt. Ich denke, es ist fair, dass ich einmal tagsüber spiele.» Sein Training setzte der Sieger von Paris-Bercy am Donnerstag auf 14.00 Uhr und damit genau zur Spielzeit am Freitag an.
«Das wird schon ein Riesenmatch, das wird so ein Popcorn-Match», urteilte der Sky-Experte und frühere Tennisprofi Patrik Kühnen. «Alexander Zverev ist für mich momentan in einer absoluten Topverfassung. Momentan passt alles», sagte der 58-Jährige. «Ich rechne auch mit einem nochmals stärkeren Alcaraz. Für Alcaraz geht es natürlich um alles.»
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