Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden. Doch manche scheinen sich dieser Gesetzmäßigkeit des Sports zu widersetzen. Der Punkterekord von Kareem Abdul-Jabbar beispielsweise. Der ist mittlerweile 77 Jahre alt und brachte es im Laufe seiner Basketball-Karriere in der nordamerikanischen Profiliga NBA auf 38.387 Punkte (reguläre Saison). Es schien ein Rekord für die Ewigkeit, auch weil Abdul-Jabbar erst im biblischen Sportleralter von 41 Jahren seine Karriere beendete. Im vergangenen Jahr brach dann aber ein ebenfalls schon betagterer Herr die Bestmarke. LeBron James wird im Dezember 40 und hat mittlerweile schon über 40.000 Zähler gesammelt.
Eine ähnliche Bestmarke gibt es im Eishockey. Der legendäre Wayne Gretzky, 63, gilt als bester Eishockeyspieler aller Zeiten. Kaum eine Statistik, an deren Spitze der Kanadier nicht steht. Auch ihm war eine lange Karriere vergönnt, die erst im Alter von 38 Jahren endete. 20 Jahre spielte er in der NHL und erzielte 894 Tore in der regulären Saison. Ein Rekord, der bald fallen wird. Alexander Ovechkin steht momentan bei 868 Treffern. Nicht ausgeschlossen, dass der Russe noch in dieser Saison zu Gretzky aufschließt. Denn obgleich Ovechkin schon 39 Jahre alt ist, wirkt er noch keineswegs müde, auch wenn er aktuell pausieren muss. Ein seltener Zustand, in seinen 20 NHL-Saisons hatte Ovechkin bisher gerade mal 35 Spiele wegen Verletzungen verpasst.
Altmeister LeBron James und Alexander Ovechkin brechen Rekorde
James und Ovechkin stehen sinnbildlich für die fortschreitende Professionalisierung im Leistungssport. Diese betrifft das gesamte Umfeld. „Die Gesundheitsversorgung und die Trainingssteuerung sind über die Jahre immer weiter optimiert worden“, sagt Professor Wilhelm Bloch, Leiter der Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin der Sporthochschule Köln. „Das erhöht die Chance, dass Sportler länger gesund durch ihre aktive Zeit kommen. Im Grundsatz gab es auch früher schon Athleten, die relativ lange im Sport waren, aber das waren dann eher zufällige Einzelfälle. Das ist jetzt anders.“
An der Grundvoraussetzung habe sich nichts geändert. „Die biologische Uhr tickt in jedem Sportler“, sagt der Sportwissenschaftler. „Mit jedem Jahr wird es schwieriger, die Leistung auf hohem Niveau zu halten.“ Dadurch wird auch die Trainingssteuerung immer anspruchsvoller. Dazu kommen die medizinische Versorgung durch Spezialisten, das Regenerationsverhalten und die Ernährung. Gefragt ist ein straff durchorganisiertes, professionelles Leben für den Sport. Bloch: „Das wird heute ganz anders gemacht als früher. Cristiano Ronaldo zum Beispiel lebt 24 Stunden nur für seinen Sport.“
Lange Sportkarrieren sind aber auch von der Sportart abhängig. Denn selbst der pfleglichste Lebenswandel kann den Alterungsprozess nur verlangsamen. Das gilt auch für LeBron James. Als NBA-Fan beobachtet Bloch dessen Leistungen seit Jahren, „und natürlich ist er nicht mehr auf dem Leistungsstand wie mit 30 oder 32 Jahren“. In diesem Alter seien Basketballer oft auf dem Leistungshöhepunkt. Einerseits haben sie sich die nötigen technischen Fähigkeiten und das Spielverständnis erarbeitet, andererseits aber auch die physiologischen Voraussetzungen wie Schnelligkeit und Sprungkraft. „James hat nicht mehr diese maximale Athletik“, sagt Bloch. „Aber er kann sein hohes Niveau halten, weil er das mit seinem Spielverständnis ausgleicht. Da geht es um das Antizipieren von Situationen. Deswegen können auch Fußball-Torhüter oft sehr lange auf Top-Niveau spielen. Wenn der Ball geschossen wird, muss der Torwart eigentlich schon wissen, wo er hingeht.“
Naturgemäß anders verhält es sich in Einzelsportarten wie Leichtathletik oder Schwimmen, wo die Alterungsprozesse die Leistung stärker beeinflussen. „Wir haben verschiedene Kurven, was die Abnahme der Leistungsfähigkeit betrifft, und zum Beispiel die Explosivkraft nimmt relativ früh ab, während man die Maximalkraft ganz gut erhalten kann“, erklärt Bloch.
Die biologischen Grenzen gelten weiterhin
Klar ist: Die Wissenschaft kann biologische Grenzen nicht verschieben. „Wir verändern den Menschen nicht einfach so. Dazu müssten wir andere Mittel verwenden und wären dann möglicherweise im Dopingbereich“, sagt Bloch. Dennoch ist die (legale) Optimierung längst nicht abgeschlossen. Vor allem im Bereich der neuen Wearable-Technologien sieht der Sportwissenschaftler Potenzial. Schon heute hat fast jeder Hobbysportler eine Smartwatch am Handgelenk, die Daten sammelt und auswertet. Inzwischen werden neuartige Sensoren entwickelt, die biologische Marker im Schweiß messen können, sagt Bloch. Deren Erkenntnisse können unter anderem über das Stresslevel des Körpers Auskunft geben und ergänzen die, die über den Herzschlag und die Herzratenvariabilität Stress erfassen. „Zudem haben wir dieses Jahr ein Projekt abgeschlossen, in dem wir ein Mikrosensor-System entwickelt haben für die Messung von Laktat, das in einigen Jahren in der Praxis eingesetzt werden kann.“ Bei Laktat handelt es sich um ein Stoffwechselprodukt, das bei einer intensiven Belastung entsteht. Der über die Atmung aufgenommene Sauerstoff reicht dann nicht mehr aus, um den im Muskel benötigten Energiebedarf zu decken. Die Werte können in Zukunft direkt auf Smartwatch oder Smartphone übertragen, ausgewertet und beispielsweise auf dem Tablet des Trainers zu sehen sein. Oder wie es Bloch formuliert: „Der Mensch wird immer gläserner.“
All die Daten dienen im Idealfall der Trainingssteuerung und Regeneration, beides wird immer individueller auf den einzelnen Athleten zugeschnitten. Sie können aber auch für die akute Belastungssteuerung angewendet werden, zum Beispiel während eines Marathons. Bloch: „Sie können dann auf der Basis exakter Werte entscheiden, bei Kilometer 32 das höhere Tempo nicht mitzugehen, weil sie am Limit sind und lieber noch mal einen Kilometer warten, ehe sie das Tempo anziehen.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden