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Zum Tod von Joe Frazier: "Es ist vorbei"

Zum Tod von Joe Frazier

"Es ist vorbei"

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    Joe Frazier schlug Muhammad Ali einst nieder.
    Joe Frazier schlug Muhammad Ali einst nieder. Foto: dpa

    Wortkarg und mit ernster Miene schlendert Joe Frazier in den Trainingsraum seines Lehrmeisters Yank Durham in einem alten Lagerhaus gegenüber des Nordbahnhofs von Philadelphia. Zu heißen Rhythmen boxt sich der aktuelle Weltmeister im Schwergewicht warm. Dann verprügelt er zwei bedauernswerte Sparringspartner. Die rund hundert Zuschauer bekommen einiges geboten für einen Dollar Eintritt. Vier Tage vor dem „Fight of the Century“ gegen Muhammad Ali im New Yorker Madison Square Garden. Frazier schwitzt noch, lümmelt in seiner Umkleidekabine auf einem schwarzen Ledersofa und teilt den Journalisten strotzend vor Selbstbewusstsein mit: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Clown fällt.“ Es ist die erste Begegnung mit

    Der berühmteste linke Haken der Boxgeschichte

    Der „Clown“ fällt am 8. März 1971 in der 15. Runde. Es ist dieser historische Schlag, der berühmteste linke Haken der Boxgeschichte, der Joe Frazier zur Legende machte. In der Nacht zum Dienstag ist Joe Frazier nach kurzer Leidenszeit in seiner Heimatstadt Philadelphia an Leberkrebs gestorben. Der Olympiasieger von 1964 und Weltmeister von 1970 bis 1973 wurde nur 67 Jahre alt.

    „Smokin’ Joe“, so der Markenname der bulligen Kampfmaschine, hatte als souveräner Sieger der Nachfolgeturniere das alleinige Erbe des wegen Wehrdienstverweigerung verbannten Ali angetreten. Doch der Schatten des „Größten“ verdunkelte seine Herrschaft in der Königsklasse. Frazier war Weltmeister geworden, ohne den Weltbesten jener Epoche besiegt zu haben. Das Championat war unvollkommen. Keiner spürte das Schattendasein empfindlicher als Joe Frazier selbst. Der Weltmeister ohne Glanz reichte sogar eine Petition bei Präsident Richard Nixon ein, Ali doch bitte wieder in den Ring zu lassen. Der Oberste Gerichtshof ermöglichte nach dreieinhalb Jahren Alis Comeback und Fraziers historischen Triumph im Duell zweier unbesiegter Champions im bis dahin gigantischsten Spektakel der Boxgeschichte.

    Einzig wahrer Champion

    Ein brutaler linker Haken Fraziers ans Kinn schmetterte Ali in der 15. Runde zu Boden. Der Schlag reichte zwar nicht zum K.o., manifestierte aber den Punktsieg Fraziers, die Krönung und Anerkennung als einzig wahrer Champion.

    Als solcher kam er im Mai 1971 nach Frankfurt am Main. Ein Sportartikelhersteller hatte ihn eingeladen. Ich habe ihn am Rhein-Main-Flughafen mit abgeholt und bin neben ihm im Fond einer Limousine nach Herzogenaurach gefahren. Joe schwärmte nur von sich als Sänger und seiner Rockband „The Knockouts“, mit der er nun auf Tournee gehen werde. An Clay, wie er Ali nur nannte, verschwendete er kaum ein Wort.

    Ich bin ihm nur noch zu drei weiteren Kämpfen gefolgt, zweimal wegen Ali, einmal seinetwegen nach London zum Kampf gegen Joe Bugner. Viereinhalb Jahre nach dem „Fight of the Champions“ der zweite Showdown um die Weltmeisterschaft: Frazier hatte seinen Titel schmachvoll (sechs Niederschläge bis zum Abbruch in der zweiten Runde) an George Foreman und die Revanche (nun ohne Titel) gegen Ali nach Punkten verloren. Ali wiederum hatte Foreman in Kinshasa entthront. Der „Thrilla in Manila“ wurde zu einer epischen Schlacht im Angesicht des Todes.

    "Nein Eddie, das kannst du mir nicht antun"

    Trainer Eddie Futch ließ am schwülheißen Vormittag des 1. Oktober 1975 Joe Frazier zur 15.und letzten Runde nicht mehr antreten. „Nein, Eddie, das kannst du mir nicht antun“, protestierte ein entsetzlich gezeichneter Frazier. „Setz dich, mein Sohn. Du kannst nichts mehr sehen. Es ist vorbei“, entschied Futch und sagte später: „Der nächste Schlag hätte tödlich sein können.“ Derweil murmelte ein völlig ausgezehrter Ali: „Es war wie das, was dem Sterben am nächsten kommt.“

    Frazier hasste Ali, weil der ihn als „Uncle Tom“, als „Hoffnung des weißen Mannes“ verachtete, ihn als „Gorilla“ verhöhnte. Vor zwei Jahren erst verkündete er seinen Frieden mit Ali: „Ich habe keine bösen Gefühle mehr gegen ihn.“

    So groß Frazier als Boxer auch war, so viel Pech hatte er im Privatleben. Sein Gym in Philadelphia musste Frazier 2009 verkaufen. Gesundheitlich war er zu diesem Zeitpunkt schon schwer gezeichnet. Durch Generosität, Naivität und Pleiten mit Immobilien hatte der einstige Millionär über die Jahre sein Vermögen verloren.

    Frazier verkörperte den längst verklärten amerikanischen Traum

    Trotzdem verkörperte Joe Frazier den längst verklärten amerikanischen Traum vom armen schwarzen Jungen aus dem Süden, der sich zum Champion hochboxt. Das jüngste von dreizehn Kindern einer armen Farmerfamilie aus South Carolina packt seine Sachen und verlässt mit 15 Jahren die rassistische Kleinstadt Beaufort. In Philadelphia findet der kräftige Junge Gefallen am Boxen und in einem Schlachthof einen Job. Yank Durham, ein Hobbytrainer für Amateure, wird sein Entdecker und zur Vaterfigur. Rinderhälften am Arbeitsplatz dienen den bloßen Fäusten des jungen Schlachters als Sandsack.

    Das Leben dieses Boxchampions war spannend genug, um eines Tages verfilmt zu werden. Es war ein Leben ohne Happy End.

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