Ihr erstes Training in Melbourne bekam Angelique Kerber ein wenig schmerzhaft zu spüren. Zwei Wochen hatte die 33-Jährige in strikter Quarantäne nur auf ihrem Hotelzimmer verbracht, ehe sie endlich auf den Trainingsplatz durfte.
"Als ich aufgewacht bin, habe ich gedacht, ok, Tennis ist wirklich ein harter Sport, weil du den ganzen Körper fühlst", erzählte sie am Dienstag schmunzelnd von ihrer ungewohnten Erfahrung über den Morgen danach. Jetzt, ein paar Tage später, fühle sich aber alles in Ordnung an.
Fünf Jahre nach ihrem ersten Grand-Slam-Sieg bei den Australian Open steht die Kielerin an diesem für sie besonderen Ort vor einer außergewöhnlichen Herausforderung. In aller Kürze bereitet sich Kerber nach ihrer erzwungenen Trainingspause auf das erste Grand-Slam-Turnier der Saison vor, das am 8. Februar beginnt.
An diesem Mittwoch, am deutschen Morgen, steigt die ehemalige Nummer eins der Welt in den quirligen Tennis-Zirkus im Melbourne Park ein, in dem in dieser Woche mehrere Turniere zeitgleich ausgetragen werden. Die Grampians Trophy wird kurzfristig extra für die Spielerinnen organisiert, die nach ihrer Einreise nicht wie andere für fünf Stunden täglich ihr Zimmer verlassen und trainieren durften. Kerber ist an Position acht gesetzt und trifft in der ersten Runde auf die Tschechin Katerina Siniakova, gegen die sie eins ihrer wenigen Matches 2020 in Rom überraschend klar verlor.
Nach ihrer rätselhaften Erstrundenpleite bei den French Open Ende September hatte sich Kerber zurückgezogen und auch über ihr Karriereende nachgedacht, war dann aber mit ihrem neuen und alten Trainer Torben Beltz die Saison angegangen. Ihre Vorbereitung war in Australien jedoch schnell wieder weniger wert. Kerber zählte zu den 72 Profis und Betreuern, die davon betroffen waren, dass es auf Flügen positive Fälle auf das Coronavirus gegeben hatte.
Für zwei Wochen war viel Netflix schauen, Telefonieren und Fitness mit Matte, Hanteln, Medizinball sowie einem Laufband angesagt - aber eben kein Tennis. Als sie vom "harten Lockdown" für sich gehört habe, sei sie erst "ein bisschen geschockt" gewesen. "Ist das wirklich wahr?", habe sie gedacht, es aber schnell akzeptiert. "In den letzten Jahren habe ich gelernt, gelassener zu bleiben und mich nicht über Dinge aufzuregen, die ich sowieso nicht ändern kann", sagte Kerber einem von ihrem Sponsor verbreiteten Interview: "Es gibt in Zeiten von Corona so viele Menschen, die schwere Schicksalsschläge erleiden und um ihre Existenzen bangen. Dagegen sind zwei Woche Quarantäne in einem Hotelzimmer nichts, worüber man sich beschweren sollte."
Eurosport-Experte Boris Becker hatte die fehlende Chancengleichheit zuletzt bemängelt: "Die Frage, ob das faire Bedingungen für alle sind, muss man sich schon stellen. Als Veranstalter muss man sich fragen: Ist das richtig, ist das zumutbar?" Kerber sagte, sie wolle sich nicht darüber aufregen: "Vielmehr sollten wir alle froh sein, dass die Australian Open überhaupt stattfinden."
In der Nacht zum Samstag war ihre Quarantäne zu Ende gegangen, gegen Mitternacht hatte sie gleich zum ersten Mal wieder trainiert. Seitdem darf sich die Weltranglisten-25. wie die anderen in Melbourne frei bewegen und genoss auch einen Abstecher zum St. Kilda Beach. Die Quarantäne nehme ihr den Druck, so Kerber. Eine Situation, die ihr eigentlich besser liegt. "Ich kann den Sport sogar mehr genießen als vorher", sagte sie. Ein Erstrundensieg dürfte dabei helfen.
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