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Über die "Kunst" zu dopen

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Über die "Kunst" zu dopen

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    Die DVS bereitet gerade eine Erklärung vor, welche sich mit Doping im Leistungssport beschäftigt. Was wollen Sie mit dieser Erklärung bezwecken?

    Wir wollen auf Forschungsergebnisse, die in der momentanen Dopingsituation von Interesse sein könnten, hinweisen. Denn aus trainingswissenschaftlicher Sicht gibt es keine Zweifel über die weite Verbreitung von Doping. Vielmehr gehört Doping in den meisten Sportarten einfach dazu.

    Sie stützen sich bei dieser Aussage auf Ihre Forschungsergebnisse?

    Ja, man muss sich nur die Leistungsentwicklung in der Leichtathletik anschauen. Dort hat man festgestellt, dass synchron mit dem Bekanntwerden bestimmter Dopingsubstanzen auch die Leistung der Athleten anstieg.

    Wie sieht das konkret aus?

    Betrachtet man Kraftsportarten wie das Kugelstoßen der Männer, ist festzustellen, dass ­ zeitgleich mit dem Aufkommen von Anabolika ­ enorme Leistungszuwächse von Mitte der 60er Jahre bis etwa 1988 zu beobachten sind. Nach 1988 ­ als dann Trainingskontrollen eingeführt worden sind ­ gab es wieder dramatische Rückgänge bei den Weiten. Das gleiche wiederholte sich in den Ausdauersportarten Ende der achtziger Jahre. Seit dem Aufkommen des gentechnischen EPOs (Erythropoetin) werden dort Zeiten erreicht, die vorher gar nicht denkbar waren.

    Als Konsequenz davon hört man häufig, dass es beispielsweise gar nicht mehr möglich wäre, die Tour de France zu gewinnen, ohne illegal leistungsfördernde Mittel einzunehmen...

    Ja, das kann man definitiv so sagen. Doping gehört einfach zum Leistungssport. Das ist in Fachkreisen allgemein bekannt. Ignoriert man das, stellt man sich bewusst unwissend.

    Ist ein Sportler mit einem negativen Dopingbefund dann auch grundsätzlich "sauber"?

    Nein, das heißt eigentlich nur, dass der Wert, der im Körper des Sportlers gefunden worden ist, sich nicht jenseits der Schwelle des Erlaubten befindet. Das bedeutet aber bei Weitem nicht, dass diese Werte im normalen Bereich liegen.

    Das hat dann zur Folge, dass der Trainer- oder Betreuerstab in der Vorbereitungsphase die Sportler knapp unterhalb dieser Grenze halten muss...

    Genau. Man könnte sagen, dass es die Kunst ist, die Athleten an diese Schwelle heranzuführen. Werden Athleten dann doch einmal über dieser Schwelle erwischt, handelt es sich ­ nun ja ­ um Betriebsunfälle. Dann hat einfach das Betreuungssystem versagt.

    So könnte es auch dem 100-m-Läufer Gatlin und dem Radfahrer Landis ergangen sein...

    Genau. Beim Radfahren wird ja beispielsweise ein bis zwei Stunden vor dem Rennen nicht mehr kontrolliert, weil sich die Sportler dann vorbereiten müssen. Da bleibt genügend Zeit, um die Fahrer zu präparieren. Im Regelfall sind die aufgetragenen Substanzen nach einem siebenstündigen Rennen nicht mehr im Körper nachzuweisen. Das könnten dann Hormonsalben sein, die möglicherweise ja auch Gatlin zum Verhängnis wurden.

    Gibt es noch andere Möglichkeiten, das Doping zu verschleiern?

    Ja, durch die Entwicklung neuer Dopingmittel oder bestimmter Tarnmedikamente gibt es genügend Wege, einen Dopingtest "sauber" zu halten, obwohl man gedopt ist.

    Gibt es überhaupt ein Allheilmittel gegen das Doping? Ein Antidopinggesetz wäre ja bei all den Schlupflöchern auch nicht wirklich hilfreich?

    Die momentan bestehende Gesetzgebung ist durchaus tauglich, müsste nur konsequenter angewandt werden. Denn die ganze Strategie ist nicht in Ordnung. Es ist eine reine Bestrafungsstrategie. Man bestraft allein den Sportler, der es im Körper hat.

    Er ist nun mal derjenige, der dopt.

    Nein, sondern eben nur derjenige, der es im Körper hat.

    Wieso kann der Leistungssport anscheinend ohne Doping nicht mehr stattfinden?

    Darauf gibt die Sportsoziologie sehr interessante Deutungen, die untersuchen, in welchen Rollen die gesamte Gesellschaft steckt. Das Publikum möchte Erfolge der Sportler sehen und sich mit ihnen identifizieren. Die Politiker und Sportfunktionäre fordern eine erfolgreiche Medaillenausbeute. Das Fernsehen und die werbetreibende Wirtschaft bezahlen viel Geld und alle zusammen möchten im Austausch dafür sportliche Spitzenleistungen, aber natürlich nur auf legale Art und Weise. Das sind insgesamt widersprüchliche Erwartungen, die aber ohne Doping nicht mehr zu erfüllen sind.

    Wäre es dann nicht konsequent, wenn die öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen wirklich ihren Rückzug von der Tour de France bekannt geben?

    Ja, aber daran glaube ich nicht. Gerade wenn ich sehe, wie stark von ARD und ZDF versucht worden ist, die DeutschlandTour von diesem Dopingschatten freizuhalten. Die ARD hat ja bereits angedeutet, dass sie weiterhin vom Radsport übertragen wird und das ZDF wird auch noch einen Rückzieher vom Rückzieher machen.

    Eigentlich müsste das ganze Sportsystem samt Umfeld grundlegend verändert werden...

    Genau. Man darf nicht nur immer die Täter sehen, sondern auch das grundlegende Motiv, nach welchem sie handeln: Die Systemzwänge, die zu widersprüchlichen Erwartungen führen und Doping als Folge haben. Frage: Was wäre notwendig, um diese Zwänge irgendwie abzubauen? Lames: Man bräuchte eine weltweite Solidarität und daran scheitert es sofort. Solange es grundsätzliche Kontrollunterschiede in den einzelnen Ländern gibt, ist ein Abbau dieser Zwänge nicht möglich.

    Wäre es dann nicht eine Überlegung wert, alle Langzeit-Weltrekorde zu löschen und somit den Druck von Sportlern und Funktionären zu nehmen?

    Das Problem ist, dass der konkrete Nachweis, dass bei den Rekorden damals gedopt wurde, fehlt. Deswegen kann man sie nicht einfach von der Liste streichen.

    Wie sieht die Zukunft aus?

    Wir müssen auf absehbare Zeit mit dem Wettlauf zwischen Doping und Dopingkontrolle leben. Wir sollten darauf achten, dass Strafen und Kontrollen eine wirksame Abschreckung darstellen, um dem Doping zumindest Schranken zu setzen. Trotzdem müssen wir auch in Zukunft mit Doping-Skandalen rechnen, die uns die Freude am Sport trüben.

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