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Trauer: Robert Enke: Der Tod war stärker als die Liebe

Trauer

Robert Enke: Der Tod war stärker als die Liebe

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    Robert Enke litt an Depressionen - Tiefe Trauer
    Robert Enke litt an Depressionen - Tiefe Trauer Foto: DPA

    "Ich kann nicht mehr. Ich bin fertig." (Sebastian Deisler gegenüber FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß im November 2003). Sebastian Deisler war eines der größten deutschen Fußballtalente. Nationalspieler, wie Robert Enke. 2003 erkrankte Deisler an Depressionen.

    Gerne hätte er seine Erkrankung verheimlicht, wie die meisten anderen, die unter Depressionen leiden. Sie haben Angst davor erklären zu müssen, was kaum zu verstehen ist. Also schweigen sie lieber. Wenn es nicht mehr auszuhalten ist, gehen sie zum Arzt oder Therapeuten. Ein Schritt, der sie viel Überwindung kostet. Wie viel größer also war der Schritt für Deisler, seine Erkrankung öffentlich zu machen. Seine Karriere hat das nicht gerettet, vielleicht aber sein Leben. Deisler geht es wieder besser. "Es geht voran", sagt er in seinem kürzlich erschienenen Buch.

    Robert Enke dagegen ist tot. Dienstagabend hat sich der 32-jährige Torhüter an einem Bahnübergang in Neustadt am Rübenberge, in der Nähe seines Wohnorts, von einem Zug überrollen lassen. Selten hat der Tod eines Sportlers das Land so erschüttert.

    Ein sachlicher Torhüter, der auf Beiwerk verzichtete

    Dass er seit Jahren unter Depressionen gelitten hat, konnte sich keiner vorstellen, der ihn als Teil der Fußballwelt kannte. Er, der souveräne Weltklassetorhüter. Ein sachlicher Typ mit fester Stimme, der auf Beiwerk verzichtete.

    So, wie er war, hat er auch gespielt. Wenn Robert Enke flog, dann nicht um der Show willen. Er brüllte auch nicht über den Platz, wie es Oliver Kahn getan hat. Es hat zu Enke gepasst, dass er bei einem Mittelklasseklub wie Hannover 96 gespielt hat. Aber auch dort wusste keiner, wie es wirklich um ihn steht. In seinem Abschiedsbrief hat sich Enke bei allen entschuldigt, denen er etwas vorgemacht hat. Auch, um am Ende selbst gewählt aus der Welt scheiden zu können.

    Sein Arzt und seine Frau Teresa haben am Mittwoch öffentlich versucht, das Unerklärliche zu erklären. Dass der Suizid des gebürtigen Jenaers eine lange Vorgeschichte voller Angst, Hoffnung und Verzweiflung hatte. "Wir haben das früher zusammen durchgestanden und haben gedacht, wir schaffen das", sagte Teresa Enke. Die beiden hatten einiges zu bewältigen. Es gab sportliche und private Tiefschläge.

    Im Sommer 1999 war der große Tierfreund Enke, der später zeitweise acht Hunde besaß, nach Portugal zu Benfica Lissabon gewechselt. Eine gute Zeit für ihn. Unter Trainer Jupp Heynckes war er dort Mannschaftskapitän. Aber Benfica kam nicht vom Fleck. 2002 ging Enke zum FC Barcelona. Ein Fehler. Er kam nur einmal zum Einsatz. Ein Ausleihgeschäft 2003 zu Fenerbahçe Istanbul endete im Desaster. Das erste Spiel ging verloren, worauf ihn die Fans mit Gegenständen bewarfen. Enke flüchtete und löste seinen Vertrag auf. 2004 landete er bei CD Teneriffa in der zweiten Liga auf der Bank. Zwei Jahre später der härteste Schicksalsschlag: Enkes zweijährige Tochter erlag einem Herzfehler.

    Die Enkes haben sich nicht unterkriegen lassen. Sie adoptierten ein Mädchen, Enke wurde die Nummer eins im deutschen Tor. Die Krankheit aber blieb. Dazu kam die Angst, das Sorgerecht für die Adoptivtochter zu verlieren. "Wir fürchteten uns vor dem, was passiert, wenn die Krankheit an die Öffentlichkeit kommt", räumte die Ehefrau ein, "Robert wollte das nicht."

    Nicht zuletzt deshalb lehnte er einen Krankenhausaufenthalt ab. "Er wollte nicht stationär behandelt werden", bestätigte sein Kölner Arzt Valentin Markser. "Ich dachte, mit Liebe schaffen wir das", sagte die um Fassung ringende Witwe. Dienstagabend waren Krankheit und Tod stärker als die Liebe. Anton Schwankhart

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