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Torwartlegende: Der ewige Gaudi-Bursch Sepp Maier wird 75

Torwartlegende

Der ewige Gaudi-Bursch Sepp Maier wird 75

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    Dem FC Bayern ist Maier bis heute verbunden.
    Dem FC Bayern ist Maier bis heute verbunden. Foto: Sebastian Widmann, Witters

    Mitunter lässt einen das Leben weite Umwege gehen, ehe man den Ort seine Bestimmung erreicht. Im Fall von Sepp – bürgerlich Josef Dieter – Maier, geboren 1944 im niederbayerischen Metten, war es so, dass er seine Fußball-Karriere als Mittelstürmer beim TSV Haar begann. Auf dem Spielfeld also in maximaler Entfernung zum Torhüterposten der eigenen Mannschaft, mit dem er nichts zu tun haben wollte. Torhüter waren im damaligen Verständnis keine Fußballer. Beim Wiesenbolz mussten die Übrig gebliebenen, denen keiner einen Zweimeterpass zutraute, ins Tor. Der dürre Sepp, der Mittlere dreier Brüder, wollte da nicht hin. Eines Tages musste er doch. Der Stammtorhüter war ausgefallen und Sepp schien mit seinen 1,85 Metern groß genug für den Posten.

    Es war der Beginn einer der glanzvollsten deutschen Fußball-Karrieren. Hier hatte einer seine Bestimmung gefunden. Der FC Bayern lockte den dürren Kerl in seine A-Jugend, 1962 unterschrieb Maier einen Vertrag bei den Münchnern. Tagsüber hat er als Maschinenschlosser gearbeitet, abends trainiert. Maier hat nie für einen anderen Klub gespielt. 17 Jahre FC Bayern, 699 Partien für die Roten, Rekordspieler. 95 Einsätze in der Nationalelf. Weltmeister, Europameister, vielfacher Deutscher und Pokalsieger, Europapokalsieger der Pokalsieger und Landesmeister. Maier war in den 70er Jahren einer der besten Torhüter der Welt.

    Beim Derbsieg gegen den TSV 1860 München am 15. Oktober 1966 stand Maier im Bayern-Tor. Es sollten viele weitere Siege folgen.
    Beim Derbsieg gegen den TSV 1860 München am 15. Oktober 1966 stand Maier im Bayern-Tor. Es sollten viele weitere Siege folgen. Foto: Josef Zeitler, Witters

    Weil er so schnell war, nannten sie Maier "Die Katze von Anzing"

    Irgendwann hat er dafür das Prädikat "Die Katze von Anzing" erhalten, was ein geografischer Hinweis auf seinen Wohnort im Landkreis Ebersberg ist, seiner Spielweise allerdings nur am Rande entsprach. Maiers Spiel war nicht katzenhaft und selten spektakulär – abgesehen vom WM-Finale 1974 als er die deutsche 2:1-Führung gegen Holland mit atemberaubenden Reflexen ins Ziel brachte. Maier wusste, wo er zu stehen hatte. Einen Ball, an dem er seine Finger hatte, ließ er nicht mehr los. Dabei halfen ihm Handschuhe mit Frotteebesatz, die er zurecht seine Erfindung nennen durfte und die später, in modifizierter Form, serienmäßig in Produktion gingen. Was Maier über den Fußball hinaus Popularität verschaffte, war sein komödiantisches Talent.

    Er hat den Gaudiburschen im Profi-Fußball eingeführt. Wenn sich irgendwo Etwas auf den Kopf stellen lässt, greift Maier zu. Da scheut er auch keinen Altherrenwitz. Gaudi machen, wie er es nennt, war für ihn immer so wichtig wie Leistung abliefern und hart dafür arbeiten. So sehr er ein Spaßvogel ist, was ihm auch eine Rolle in einem Thoma-Lausbubenfilm beschert hat, so sehr ist er auch Grantler, dem man nicht versuchen sollte, einen Scherz zu entlocken. Einer, der die vermeintlich so guten alten Fußball-Zeiten preist, in denen Spieler noch mit einander befreundet waren und am Ende der Karriere die Lotto-Toto-Annahmestelle wartete. Als Maier 1979 seine Karriere beendete, gehörte ihm eine glänzende florierende Tennisanlage, die er selbst betrieb. Etwa 1200 Mark hat er nach eigenen Worten anfangs als beim FC Bayern verdient.

    Für keine Grimasse zu schade: Sepp Maier.
    Für keine Grimasse zu schade: Sepp Maier. Foto: Wilfried Witters, Witters

    Ein Unfall beendete Sepp Maiers Karriere beim FC Bayern

    Die Millionengehälter kamen später. Aus dem Tor, in das er anfangs nie wollte, hat er sich später schweren Herzens verabschiedet. Ein Verkehrsunfall auf dem Heimweg nach Anzing leitete das Ende ein. Die Bayern hatten zuvor ein Testspiel in Ulm haushoch gewonnen. Maier unterhielt das Publikum, baute im Strafraum eine Sandburg. Auf dem Heimweg gabs noch ein Pils. Maier rauscht zu schnell in ein Gewitter. Aquaplaning. Kracht in ein entgegenkommendes Fahrzeug. Was zunächst niemand ahnt: Er ist lebensgefährlich verletzt. Milz- und Lungenriss, schwere innere Blutungen. Uli Hoeneß, Jung-Manager des FC Bayern, veranlasst seine Verlegung ins Klinikum Großhadern. Maier sagt später: „Der Uli hat mir das Leben gerettet.“

    Doch Maier macht danach kein Spiel mehr für den FC Bayern. Es ist ein bitteres Ende. Trainer Pal Cernai setzt auf den jungen Walter Junghans. Immerhin: Maier wird Torwarttrainer. Erst beim Rekordmeister, dann in der Nationalmannschaft. Oliver Kahn ist sein Schützling. Er ergreift offen Partei für ihn, nachdem der neue Teamchef Jürgen Klinsmann offenbar darüber nachdenkt, Jens Lehmann für die WM 2006 als Nummer 1 zu installieren. Darauf feuert Klinsmann den Alten durch die Hintertür. Wie in solchen Fällen, in denen einer dem Maier Sepp vors Schienbein tritt, kommt direkt und ohne diplomatische Verrenkungen. „Eine linke Tour, linke Bazille und linker Schleimer“, urteilt er sich in Rage.

    Am Mittwoch, einen Tag vor seinem 75. Geburtstag, hat Sepp Maier deutlich Abstand vom Fußball genommen. Er kommt, wenn der FC Bayern ruft. Darüber hinaus verbringt der Vater einer erwachsenen Tochter aus erster Ehe viel Zeit auf dem Golfplatz. Eine große Party wird es morgen nicht geben. Maier feiert schon seit Jahren keinen Geburtstag mehr. Auf die große Gaudi wird er auch morgen verzichten. Wer Glück hat, trifft ihn mit seiner zweiten Frau Monika in Südtirol „bei einem Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat“.

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