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Teresa Enke: Witwe von Torwart Robert Enke im Interview: "Dachten, mit Liebe geht das"

Teresa Enke

Witwe von Torwart Robert Enke im Interview: "Dachten, mit Liebe geht das"

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    Teresa Enke kämpft dafür, dass offener über das Thema Depression gesprochen wird, damit Betroffenen besser geholfen wird. Ihr Mann Robert Enke nahm sich 2009 das Leben.
    Teresa Enke kämpft dafür, dass offener über das Thema Depression gesprochen wird, damit Betroffenen besser geholfen wird. Ihr Mann Robert Enke nahm sich 2009 das Leben. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Archiv)

    Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview erschien Anfang April 2019 in unserer Zeitung.

    Dieses Jahr werden es zehn Jahre, dass sich Ihr Mann das Leben genommen hat. Der damalige Torhüter der Fußball-Nationalmannschaft litt unter schweren Depressionen. Eine Erkrankung, für die Betroffene oft Unverständnis ernten, über die sie selbst im Freundeskreis nicht gerne reden. Hat sich daran, Ihrer Beobachtung nach, seit dem Tod Ihres Mannes etwas geändert?

    Teresa Enke: Mit der Frage nach Veränderung werden wir häufig konfrontiert. Dabei ist es mir wichtig, festzuhalten, was sich konkret verbessert hat. Und da bekomme ich mit, dass die Leute offener mit dem Thema umgehen, sie sind interessierter. Ich schreibe das vor allem dem tragischen Tod meines Mannes zu. Die Leute haben erkannt, dass es jeden treffen kann. Auch den Erfolgreichen, der mitten im Leben steht, ein hohes Ansehen genießt und ausreichend Geld zur Verfügung hat. Depressionen sind nicht mehr so stigmatisiert wie zu Robbis Tod. Das Tabu ist dabei zu brechen.

    Aber es ist noch immer einfacher über ein Magengeschwür zu reden als über eine Depression.

    Enke: Das stimmt. Die Krankheit ist den Menschen unheimlich, weil sie sie nicht greifen können. Deshalb ist es mein Wunsch, dass sich die Gesellschaft weiter entwickelt und jeder Nicht-Betroffene versteht, was es bedeutet, an einer Depression zu leiden.

    Ihre Stiftung entwickelt ein Projekt, das einen Eindruck davon vermitteln soll, wie jemand möglicherweise eine Depression erlebt, um mehr Verständnis für die Krankheit zu schaffen.

    Enke: Ja, die Robert-Enke-Stiftung möchte mit „IMPRESSION DEPRESSION“ eine Virtual-Reality-Erfahrung anbieten. Teilnehmer sollen dabei erleben, wie sich typische Symptome einer Depression anfühlen. Informationen dazu gibt es auf https://impression-depression.de/.

    Am 10. November ist der zehnte Todestag ihres Mannes. Viele werden sich daran erinnern. Was bedeutet dieser Tag für Sie?

    Enke: Den Todestag hab' ich immer versucht auszublenden. Die ersten beiden Jahren war das extrem schwierig. Heute gelingt es mir, das wegzudrücken. Am liebsten wäre es mir, diesen Tag in aller Ruhe und nur mit mir selbst vergehen lassen zu können.

    Sie haben nicht nur Ihren Mann verloren. Schon vorher war Ihre gemeinsame, herzkranke Tochter Lara im Alter von zwei Jahren gestorben, später auch Ihr Bruder mit erst 43 Jahren und zuletzt ihr Vater.

    Enke: Natürlich fragt man sich, warum trifft einen immer das Allerschlimmste. Auch wenn die Frage sinnlos ist. Es gibt keine Erklärung. Im übrigen gibt es Menschen, die noch viel mehr ertragen müssen als ich. Ich bin dankbar für den Rückhalt, den ich habe und dass ich die Kraft hatte, mein Leben wieder zu gestalten. Ich hadere nicht.

    Woher nehmen Sie die Kraft?

    Enke: Man hat keine andere Wahl, als weiterzumachen. Das heißt nicht, dass es auch Menschen gibt, die an solchen Verlusten zerbrechen. Ich weiß auch nicht, wie ich den Tod meines Mannes bewältigt hätte, wenn ich nicht meine Tochter Leila gehabt hätte, um die ich mich kümmern musste. Man darf einfach nicht stehen bleiben. Wenn man das erste Jahr überstanden hat, wird es leichter, lässt der Schmerz ein wenig nach. Dann kommt auch Dankbarkeit für das, was man mit dem geliebten Menschen erleben durfte.

    Sie haben am Tag nach dem Tod Ihres Mannes in einer Pressekonferenz im Fernsehen ausführlich und offen über ihren gemeinsamen Kampf gegen die Erkrankung gesprochen und über den Weg, der schließlich in seinen Suizid geführt hat. Warum Sie?

    Enke: Nachdem Robbis Tod bekannt war, war unser Haus voller Leute. Familienangehörige, Vereinsvertreter, Manager, Journalisten. Man saß in der Küche und hat überlegt, wie es weiter gehen soll. Ob wir eine Pressekonferenz geben müssen. Ich hab' das alles wie durch einen Schleier wahrgenommen. Irgendwann hab ich gesagt: Ich spreche. Ich bin die einzige, die über Robbi reden kann. Ich erzähle einfach die ganze Wahrheit, bevor irgendwelche Spekulationen auftauchen, die es dann trotzdem vereinzelt gab. Dass es in der Ehe nicht gestimmt habe, oder dass Robbi Schulden hatte. So etwas hab' ich durch die Pressekonferenz im wesentlichen im Keim erstickt. Dabei war ich damals überhaupt nicht der Typ für Mikrofone und öffentliche Reden.

    Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass Ihr Mann krank ist?

    Enke: Anfänglich hatte er Stimmungsschwankungen. Von Depressionen hatte ich damals keine Ahnung. Es gab ja auch immer Erklärungen für seine jeweilige Verfassung. Als es am Beginn seiner Karriere in Mönchengladbach damit losging hat man beispielsweise gesagt: Ein junger Kerl, zum ersten Mal von zu Hause weg – da kann einer schon mal durchhängen.

    Wie sind Sie und Ihr Mann mit der Situation umgegangen?

    Enke: Wir haben versucht, sie irgendwie zu bewältigen. Wir schaffen das und mit Liebe geht das. Irgendwann wurde es ja auch wieder besser. In den drei Jahren bei Benfica Lissabon hatte Robbi auch keine Depressionen. Er war dort Stammtorhüter und sogar Kapitän, hat sich unter Trainer Jupp Heynckes wohl gefühlt.

    Dachten Sie, der Spuk sei vorbei?

    Enke: Nein. Dass er labil ist, wusste ich. Ich wusste, wenn er den Kopf schräg hält, geht es ihm nicht gut. An solchen Tagen haben wir immer versucht, einen positiven Reiz zu setzen, um ihn wieder aus seinem Tief zu holen.

    Aber es kam wieder viel schlimmer.

    Enke: Ja. Mit dem Wechsel zum FC Barcelona. Dort war Louis van Gaal Trainer. Er hat Robbi nur selten spielen lassen. 2003 wurde er an Fenerbahce Istanbul ausgeliehen, was für ihn ein komplettes Desaster war. Fenerbahce hat das erste Spiel mit Robbi im Tor verloren, worauf ihn die eigenen Fans mit Gegenständen bewarfen. Mein Mann hat seinen Vertrag sofort aufgelöst.

    Der Suizid von Robert Enke erschütterte 2009 Deutschland.
    Der Suizid von Robert Enke erschütterte 2009 Deutschland. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Hat Ihr Mann irgendwann auch Medikamente gegen die Depressionen genommen?

    Enke: Ja, nach der Vertragsauflösung bei Fener im Jahr 2003, als er in Köln war. Er hat damals ein halbes Jahr pausiert und sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Danach ging es ihm wieder richtig gut, sodass Robbi in die zweite spanische Liga nach Teneriffa gegangen ist. Dort lief es sportlich auch wieder prima.

    Das hat leider nicht gehalten. Als er für Hannover 96 spielte, kehrten die Depressionen im Sommer 2009 wieder zurück. Wie hat Ihr Mann seinen Zustand beschrieben, wenn er sich in einer Depression befand?

    Enke: Wichtig ist mir zu sagen, dass Robbi über fünf Jahre frei von Depressionen gewesen ist. Die Krankheit ist also behandelbar. Er hat mir während seiner Therapie immer geschrieben. Eine Zeile, die seinen Zustand beschrieb ging etwa so: „Mein Kopf ist wie ein Ballon. Leer und doch so schwer wie Blei. Das kann doch wohl nicht sein.“ Aber selbst ich, die mit einem depressiven Menschen zusammengelebt habe, kann nicht erfassen, was eine Depression ausmacht, wie man sich fühlt.

    Haben Sie später gedacht, ich hätte noch dies oder jenes tun sollen?

    Enke: Ja. Andererseits weiß ich auch, dass ich alles getan habe, wozu ich die Kraft hatte.

    Was raten Sie jemandem, der die Vermutung hat, dass ein ihm nahe stehender Mensch, der Partner, ein Familienmitglied, möglicherweise an einer Depression erkrankt ist.

    Enke: Ansprechen. Dasein. Ernst nehmen. Aber nicht drängen. Hilfsangebote nennen. Psychiater, Psychotherapeuten. Der Satz, den man auf keinen Fall sagen sollte lautet: Reiß Dich zusammen. Obwohl ich ihn im Zustand der Überforderung sicher selbst ein Mal gesagt habe.

    Sie waren vor einiger Zeit wieder in Hannover im Fußball-Stadion. Dort also, wo damals vor 40.000 Trauergästen und Fußballfans die Gedenkfeier stattgefunden hat, mit dem Sarg ihres Mannes auf dem Spielfeld, live im Fernsehen übertragen. Wie haben sie den Stadionbesuch erlebt?

    Enke: Per Mertesacker hatte mir einige Monate nach Robbis Tod vorgeschlagen, ins Stadion zu gehen. Damals hab' ich das nicht ausgehalten. Bei Pers Abschiedsspiel war ich noch einmal. Aber es hat sich komisch angefühlt.

    Waren Sie selbst je am Fußball interessiert?

    Enke: Überhaupt nicht. Ich hab' auch keine Ahnung davon. Ein wenig verstehe ich vom Torwartspiel. Das hab' ich von Robbi. Mehr aber nicht. Ich kann nichts analysieren und konnte auch nicht sagen, ob Robbi einen bestimmten Ball hätte halten müssen oder nicht. Ich hab' mich eher darüber lustig gemacht, wie wenig die Fußballprofis während der Saison, wenn nicht gerade die Nationalelf ruft oder der Europapokal ansteht, trainieren. Ich war früher Fünfkämpferin und musste sehr viel trainieren ohne groß Lorbeeren zu ernten. Damit habe ich ihn gelegentlich aufgezogen.

    Haben Sie Ihrer zehnjährigen Adoptivtochter Leila vom Suizid Ihres Mannes erzählt?

    Enke: Ja. Wir hatten einige Jahre in Köln gelebt, wo sie mit der Geschichte nicht in Berührung kam, aber als wir nach Hannover zurückgekehrt sind, wo klar war, dass ihr dieses Thema von außen her begegnen wird, habe ich es ihr erzählt. Mit Fragen wie „warum hat sich dein Vater vor den Zug geworfen“ umzugehen, war nicht einfach für sie. Ich hab' ihr die ganze Wahrheit gesagt. Und die ganze Wahrheit ist, dass es Depressionen waren, die Robbi das Leben gekostet haben.

    Wie hat sie reagiert?

    Enke: Sie hat einmal gesagt, wenn ich groß bin, übernehme ich die Stiftung.

    Wichtiger Hinweis: Hier bekommen Sie Hilfe bei Depressionen

    Leider kann es passieren, dass depressiv erkrankte Menschen sich nach Berichten dieser Art in der Ansicht bestärkt sehen, dass das Leben wenig Sinn habe. Sollte es Ihnen so ergehen, kontaktieren Sie bitte umgehend Ihren Hausarzt oder die Telefonseelsorge. Hilfe finden Sie bei kostenlosen Hotlines wie 0800-1110111 oder 0800 3344533.

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