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Tennis: Maria Scharapowa: Die schöne, reiche Betrügerin

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Maria Scharapowa: Die schöne, reiche Betrügerin

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    Maria Scharapowa hat gedopt.
    Maria Scharapowa hat gedopt. Foto: Franck Robichon (dpa), Archiv

    Es beginnt mit tänzelnden Schritten. Novak Djokovic trippelt ganz zum Ende des Platzes. Hüpft dort herum, drückt den Rücken durch, streckt das Gesäß in Richtung Netz und Gegner. Das Publikum tobt. Jeder weiß, wen der Serbe imitiert. Im Stechschritt marschiert Djokovic zur Grundlinie und fingert an der Bespannung seines Schlägers herum. Dann: Aufschlag. Djokovic streicht sich eine imaginäre Haarsträhne hinter das rechte Ohr, dann eine hinter das linke Ohr. Kunstpause. Strenger Blick zum ebenfalls imaginären Gegner. Dann noch einmal: Strähne rechts, Strähne links. Die Menschen auf den Zuschauerrängen brüllen vor Lachen. Nur Djokovic bleibt cool. Tippt den Ball zweimal auf, wirft ihn hoch in die Luft und drischt ihn über das Netz – begleitet von einem hochfrequenten Quietschkreischschreigestöhne.

    Novak Djokovic als Maria Scharapowa

    Das Video auf Youtube wurde schon weit über eine Million Mal aufgerufen. Es zeigt gleich mehrere Dinge. Erstens natürlich, welch begnadeter Schauspieler der momentan beste Tennisspieler der Welt ist. Zweitens aber gewährt dessen amüsant überzeichnete Darstellung einen Einblick, wie selbst die Kollegen die Auftritte einer der ihren wahrnehmen. Djokovic’ Parodie der russischen Tennisspielerin Maria Scharapowa kann auch als Charakterstudie herhalten. Affektiert bis arrogant. Unnahbar bis egozentrisch. Respektiert bis unbeliebt. Die schönste Blondine des Tenniszirkus polarisiert wie kaum eine andere Sportlerin. Nur eines ist sicher: Scharapowa ist erfolgreich. Und dieser Erfolg lässt sich ganz einfach messen. Keine andere Sportlerin weltweit hat in den vergangenen Jahren mehr Geld verdient.

    Das hat auch damit zu tun, dass die 29-Jährige erfolgreich Tennis spielt. Fünf Grand-Slam-Turniere hat sie in ihrer Karriere gewonnen. 21 Wochen stand sie an der Spitze der Weltrangliste. Diese Erfolge hat sie wie keine andere in Geld umgesetzt. Auf mindestens 200 Millionen Dollar wird ihr Privatvermögen geschätzt. Jährlich kommen knapp 30 Millionen dazu, der Großteil davon durch Werbung. 2010 schloss sie mit dem Sportartikelhersteller Nike einen Vertrag, der ihr über einen Zeitraum von acht Jahren angeblich 70 Millionen Dollar einbringt.

    Maria Scharapowa arbeitet als Model

    Nebenbei arbeitet die hoch gewachsene Schönheit als Model und ziert die Titelseiten von Hochglanzmagazinen, entwirft Luxus-Accessoires und ebenso luxuriöse Kleidung. Scharapowas findiges Management ist sich nicht einmal zu schade, süße Fruchtgummis in Form von Tennisbällen unter dem Namen „Sugarpova“ zu verhökern. Hauptsache, der Rubel rollt.

    Maria Scharapowa ist mit einer Sperre von zwei Jahren belegt worden.
    Maria Scharapowa ist mit einer Sperre von zwei Jahren belegt worden. Foto: Mike Nelson (dpa)

    Um dieses Programm zu bewältigen, hat sie nicht nur Müsliriegel und Bananen zu sich genommen. Sondern auch Meldonium. Das wird in den Ländern, in denen es zugelassen ist, bei Herzproblemen bis hin zu Herzinfarkten verschrieben. Es soll die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels verbessern und damit auch die Ausdauer. Diese vermeintlichen Eigenschaften machten es schnell auch außerhalb von kardiologischen Fachpraxen interessant. Schon seit Jahren gilt Meldonium in Sportlerkreisen als der letzte Schrei. Legal und wirksam – Athletenherz, was willst du mehr? Ob es tatsächlich hilft, ist umstritten. Egal, die Mundpropaganda wirkt. Mancher Experte sagt, einige russische Sportler hätten Meldonium-Tabletten eingeworfen wie Smarties.

    Seit dem 1. Januar 2016 ist das ein Problem, denn seitdem steht das Herzmittel auf der Dopingliste. Scharapowa sagt, das sei ihr entgangen. Sie schluckte munter weiter und rechtfertigte das mit mehreren Fällen von Diabetes in ihrer Familie. Angeblich könne Meldonium auch dagegen helfen. Das sagte sie im März bei einer Pressekonferenz, auf der sie den positiven Dopingtest selbst öffentlich machte. Im schwarzen Kostüm, mit gesenktem Kopf. In Büßerhaltung hoffte sie auf Vergebung – und wurde zum prominentesten Gesicht eines gewaltigen Dopingskandals.

    Doping in Russland - gewünscht?

    In dessen Zentrum steht Russland. Bisher hat es 173 positive Proben auf das Herzmedikament gegeben. Mehrheitlich russische Athleten sind betroffen. Darüber hinaus gibt es starke Hinweise, dass Doping in

    Auch Scharapowa hätte in Brasilien für Russland an den Start gehen sollen. Sie war trotz des schwebenden Dopingverfahrens ins Aufgebot berufen worden. Durch die zweijährige Sperre ist das hinfällig geworden. Vor vier Jahren, bei den Spielen von London, hatte sie Silber gewonnen. Während der Eröffnungsfeier durfte sie die russische Fahne ins Olympiastadion tragen. Es sei einer der schönsten Momente ihres Lebens gewesen, sagte sie später.

    Es ist ein Leben, dessen Dramaturgie der Fantasie eines Drehbuchschreibers entsprungen sein könnte. Aufgewachsen in Gomel (Weißrussland) und der Olympiastadt Sotschi, schwang sie mit vier Jahren erstmals einen Tennisschläger. Die Tennis-Ikone Martina Navratilova entdeckte Scharapowa im Alter von sechs Jahren bei einem Sichtungsturnier in Moskau. Sie erkannte das Talent des Mädchens und empfahl ihr, die legendäre Tennisakademie von Nick Bollettieri in den USA aufzusuchen. Zusammen mit ihrem Vater Jurij wagte sie ein Jahr später den Umzug. Der Legende nach verfügten die beiden über ein Barvermögen von 700 Dollar, als sie in den

    Maria Scharapowa reist immer mit zwei Taschen

    Seitdem bastelt sie mit viel Erfolg am Nimbus der unnahbaren Schönen. Privates gibt sie so gut wie nie Preis. Man weiß, dass Scharapowa immer mit zwei Taschen reist. Eine für Sportutensilien, eine für Kleidung und Schuhe. Obgleich sie in Bradenton (Florida) lebt, habe sie sich die Liebe zur russischen Nationalspeise Borschtsch bewahrt und höre die Musik von Amy Winehouse. Bekannt ist zudem, dass sie von 2010 bis 2012 mit dem slowenischen Basketball-Profi Sasa Vujacic verlobt war. Zuletzt war sie mit dem bulgarischen Tennisspieler Grigor Dimitrow liiert.

    Wie die 29-Jährige hinter dieser perfekt gezimmerten Fassade tickt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Interessante Hinweise geben aber einige Kommentare von Kolleginnen, auch wenn dort eine ordentliche Portion Neid mitschwingen mag. „Wir alle denken, dass sie eine Betrügerin ist“, sagte beispielsweise die Französin Kristina Mladenovic. „Sie hat keine Ausrede, keine Verteidigung. Für mich ist die Diskussion erledigt, es gibt keine Zweifel.“ Scharapowa sei nie nett oder höflich gewesen. „Mit dem, was nun passiert, werden nicht viele Leute übrig bleiben, die sie mögen.“ Ähnlich klingt, was die Slowakin Dominika Cibulkova sagte: „Ich werde sie nicht vermissen. Wenn ich in der Kabine neben ihr sitze, sagt sie nicht einmal Hallo.“

    Trotz oder gerade wegen dieser Unnahbarkeit ist Scharapowa eine der bekanntesten Sportlerinnen überhaupt. Ihre Facebook-Seite hat weit über 15 Millionen Fans, fünf Millionen mehr als Fußball-Nationalspieler Thomas Müller. In dem sozialen Netzwerk hat sie gestern auch angekündigt, die zweijährige Dopingsperre nicht einfach hinzunehmen und vor den internationalen Sportgerichtshof Cas ziehen zu wollen. „Ich werde dafür kämpfen, so schnell wie möglich auf den Tennisplatz zurückzukehren“, schrieb sie. Es scheint aber eher unwahrscheinlich, dass sie damit Erfolg hat. Zu klar ist die Faktenlage. Den Sportartikelhersteller Nike aber ficht das offenbar nicht an. Dieser hat den millionenschweren Vertrag mit der Russin zunächst auf Eis gelegt, will nun aber Sponsor bleiben. Bei der ganzen Sache handle es sich ja nur um ein Versäumnis. „Wir hoffen, Maria wieder auf dem Platz zu sehen“, heißt es in einer Mitteilung.

    Das dürfte sich auch der Pharmahersteller Grindeks wünschen. Die Firma aus Lettland produziert Meldonium in großem Stil und kann sich seit dem Fall Scharapowa kaum vor Anfragen retten. „Werbung mit Scharapowa – was will man mehr?“, scherzt Vorstandschef Juris Bundulis gegenüber der Zeitung Neatkariga Rita Avize über die kostenlose PR-Kampagne der vergangenen Wochen. Jetzt müsse er seinen Verkaufsschlager nur noch möglichst schnell wieder von der internationalen Dopingliste herunterbekommen, sagt er. Vielleicht sollte er darüber nachdenken, Scharapowa einen Werbevertrag anzubieten. Wenn sich Süßigkeiten als „Sugarpova“ verkaufen, könnte ein Herzmittel namens „Meldonova“ auch zum Kassenschlager werden.

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