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TV-Sender pochen auf freie Berichterstattung

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TV-Sender pochen auf freie Berichterstattung

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    Ein Kameramann macht sich für die Übertragung einer Bundesliga-Partie bereit.
    Ein Kameramann macht sich für die Übertragung einer Bundesliga-Partie bereit. Foto: DPA

    "Wir sind Realisten. Fußball ist keine humanitäre Aktion. Das ist ein Geschäft", sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Für vergleichbare Rechte an der Bundesliga werde man jedoch nicht mehr bezahlen. "Mit oder ohne Zwischenhändler. Wir verhandeln aber mit allen, die von der DFL damit beauftragt wurden", so Brender.

    Eine ähnliche Position vertritt ARD-Programmdirektor Günter Struve, der durch die neue Entwicklung mehr denn je um den Sendeplatz der "Sportschau" um 18.30 Uhr bangen muss. "Ich bin mir sicher, dass die ARD-Sportschau auch 2009 die Bundesliga am Samstag deutlich vor 20.00 Uhr zeigen wird", sagte Struve.

    Bei der im Frühjahr 2008 geplanten Ausschreibung der TV-Rechte ab 2009 wird die DFL wie beim letzten Bieterverfahren wieder zwei Szenarien - mit einer "Sportschau" um 18.30 Uhr und ohne - offerieren.

    "Grundsätzlich hat sich an dem Verfahren nichts geändert. Das Ergebnis der Ausschreibung jetzt vorweg zu nehmen, wäre Spekulation und unredlich", erklärte Peter Peters, Vizepräsident des Liga Verbandes. Bei der Vergabe der TV-Rechte 2005 hätten der Pay-TV- Sender Premiere und das ZDF insgesamt einen dreistelligen Millionen-Betrag mehr bezahlt, wenn die "Sportschau" gekippt worden wäre.

    "Wir haben damals auf viele Millionen verzichtet", so Peters. Deshalb wäre es falsch, jetzt schon den Teufel an die Wand zu malen. Allerdings wollte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert keine Garantie abgeben, dass es die "Sportschau" weiter "um die bisherige Zeit geben wird".

    Leo Kirch hatte nach der Einigung mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine offene Versteigerung der Bundesliga-Rechte angekündigt. "Das ist absolut offen. Es gibt keine Vorabsprachen", sagte ein Kirch-Sprecher. "Jeder kann, jeder darf mit bieten", sagte Kirch. Die DFL hatte Leo Kirchs Gesellschaft Sirius am Vortag den Zuschlag für die Vermarktung der Bundesliga-Rechte erteilt.

    Der Medienunternehmer garantiert der Liga ab dem Jahr 2009 für sechs Spielzeiten Einnahmen von insgesamt drei Milliarden Euro. Damit ist Kirch fünf Jahre nach dem Zusammenbruch seines Medienimperiums wieder im Spiel.

    An der Börse wird der Bezahlsender Premiere als einer der möglichen Verlierer des Milliardengeschäfts gesehen. Die Aktie brach um zeitweise fast neun Prozent auf 13,30 Euro ein. Der Kurs war bereits am Vortag gesunken, als die DFL Kirch nach stundenlanger Debatte den Zuschlag erteilte.

    Für das Pay-TV wollen DFL und Kirch künftig fertig produzierte Live-Sendungen verkaufen, was von Premiere scharf kritisiert wird. "Die eigene Produktion ist ein wichtiges Differenzierungsmittel für uns", sagte ein Premiere- Sprecher. Derzeit könne sich Premiere nicht vorstellen, fertige DFL-Bilder zu senden. "Das sehen wir nicht."

    Der Bezahlsender Premiere will trotz der Verstimmungen nach dem Zuschlag für Kirch wieder in den Wettstreit um die Bundesliga-Liverechte einsteigen. "Bieten werden wir auf jeden Fall", sagte ein Premiere-Sprecher in München.

    Interesse bekundete auch der Privatsender RTL. "Wir sind grundsätzlich am Fußball interessiert und sind gespannt, welche Auswirkungen die neue Konstellation auf die Ausschreibung haben wird", sagte RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer. Auch beim TV-Sender Sat.1, der die Champions League derzeit überträgt, beobachtet man mit Interesse das Geschehen.

    "Wir schauen auf alle attraktiven Sportrechte, dazu gehört auch die Bundesliga", erklärte Katja Pichler, Sprecherin der ProSieben-Sat.1-Gruppe. Bisher kassierte die DFL pro Saison etwa 420 Millionen Euro an TV- Lizenzgebühren - Kirch garantiert nun 500 Millionen.

    Erlöst werden soll diese Summe auch dadurch, dass die DFL mit dem Kirch-Unternehmen Sirius die Live-Berichterstattung der Bundesliga-Spiele inklusive Interviews produzieren wird. Dieses Vorhaben stößt mit Verweis auf die journalistische Freiheit auf erhebliche Kritik. "Die eigene Produktion ist ein wichtiges Differenzierungsmittel für uns."

    Derzeit könne sich Premiere nicht vorstellen, fertige DFL- Bilder zu senden. "Das sehen wir nicht." Auch das ZDF will von dieser konfektionierten Ware nichts wissen. "Die redaktionelle Hoheit lassen wir uns nicht aus der Hand nehmen", sagte Brender.

    Eine Gefahr für den Sportjournalismus ist das geplante fertig produzierte "Bundesliga TV" für den Deutschen Journalisten-Verband (DJV). "Die Pflichtabnahme der produzierten Beiträge von der DFL ist eine Knebelung der Sender", sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken.

    Aufgabe des Sportjournalismus sei es, ohne inhaltliche Vorgaben über die Bundesliga-Spiele zu berichten. Die DFL stehe in der Pflicht, den Redaktionen diese unabhängige Berichterstattung zu ermöglichen.

    Die DFL sieht hingegen keinen Angriff auf die Pressefreiheit gegeben. Schließlich werde Kirch an der Produktionsfirma 51 Prozent und die DFL 49 Prozent halten. "Ich gehe davon aus, dass dies hundert Prozent ausreicht, die journalistische Unabhängigkeit zu gewährleisten", meinte Peters.

    "Das Geschrei um die redaktionelle Freiheit kann ich nicht nachvollziehen", konterte Michael Meier, Manager des Zweitligisten 1. FC Köln. "Die Liga denkt nicht daran, sie zu beeinträchtigen." Für Peters ist es eine Chance, nicht nur die Rechte, sondern auch die Fußball-Inhalte fertig zu verkaufen. "Damit können wir die Zahl der Bieter erhöhen. Die hohen Produktionskosten konnten sich nur wenige erlauben", sagte er.

    Weiterhin nicht bekannt ist, welches Kreditinstitut Kirch die notwendige Bürgschaft gibt. Es sei davon auszugehen, dass sich Kirch im Vorfeld Rückendeckung bei einer Bank geholt habe, hieß es in Branchenkreisen. Der Kirch-Sprecher sagte zu diesem Thema lediglich: "Nach allem, was man darüber lesen und hören kann, wird es nicht die Deutsche Bank sein." Leo Kirch macht die Deutsche Bank und deren früheren Chef Rolf Breuer für den Zusammenbruch seines Medienimperiums vor gut fünf Jahren verantwortlich.

    Damals hatte Breuer gesagt: "Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen." Kurze Zeit später mussten wichtige Kirch-Firmen Insolvenzantrag stellen.

    Mit dem Einstieg bei der Medien-Firma EM.Sport Media und dem Zuschlag bei der Bundesliga hat sich Kirch nun zurückgemeldet. Die Rechte vermarktet nun seine Firma Sirius, die derzeit keine weiteren Aktivitäten hat. Sirius ist wie die EM.Sport Media-Beteiligung im Besitz von KF15, deren Gesellschafter der Kirch-Vertraute Dieter Hahn und Kirchs Frau Ruth sind.

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