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Stefan Schumacher: "Rad-Schumi" gesteht Doping und belastet Holczer

Stefan Schumacher

"Rad-Schumi" gesteht Doping und belastet Holczer

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    Radprofi Stefan Schumacher hat zugegeben, Dopingmittel genommen zu haben.
    Radprofi Stefan Schumacher hat zugegeben, Dopingmittel genommen zu haben. Foto: Marijan Murat/dpa

    Zur Person: Radprofi Stefan Schumacher

    Stefan Schumacher wurde am 21. Juli 1981 in Ostfildern-Ruit in Baden-Württemberg geboren.

    Der Radprofi fuhr in seiner Karriere für verschiedene Teams: T-Mobile (2002-2003), Team Lamonta (2004), Shimano-Memory Corp (2005), Gerolsteiner (2006-2008), Miche-Guerciotti (2010-2011), Christina Watches (seit 2012).

    In seiner Karriere konnte Stefan Schumacher mehrere große Siege verbuchen: Polen-Rundfahrt 2006, Circuit de la Sarthe 2006, zwei Etappenerfolge beim Giro d'Italia 2006, Eneco-Tour 2006, Amstel Gold Race 2007, 3. Platz Straßen-WM 2007, Bayern-Rundfahrt 2007, zwei Etappenerfolge Tour de France 2008 (wegen Dopings aberkannt), Serbien-Rundfahrt 2012.

    Nach vehementem Leugnen hat der einst als "Rad-Schumi" gefeierte Stefan Schumacher erstmals jahrelanges Doping gestanden. Zugleich belastete er seinen damaligen Teamchef Hans-Michael Holczer und frühere Ärzte schwer. "Ich habe EPO genommen, auch Wachstumshormon und Kortikosteroide", sagte der zweifache Etappensieger und Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France 2008 in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Zuvor hatte der schwäbische Radprofi aus dem beschaulichen Nürtingen stets heftig die Einnahme verbotener Substanzen bestritten. Holczer wies die Beschuldigungen seines ehemaligen Angestellten von sich.

    Schumacher belastet Teamchef Holczer schwer

    Der ehemalige Chef des Schumacher-Rennstalls Gerolsteiner habe von den illegalen Vorgängen gewusst. "Einen so laxen Umgang mit Medikamenten habe ich nur bei

    Doping-Geständnisse deutscher Radprofis

    Mai 2007: Bert Dietz ist der erste ehemalige Telekom-Profi, der Epo-Doping in den 90er Jahren gesteht. Die Beichte von Dietz belastet auch das gesamte Team um Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich schwer. Dietz vertreibt jetzt Radsportkleidung.

    Mai 2007: Wenige Tage nach Dietz' TV-Auftritt bei Beckmann folgen Rolf Aldag und Erik Zabel, der tränenreich Dopingpraktiken einräumt. Udo Bölts und Christian Henn geben Doping zu, wählen allerdings nicht wie Aldag und Zabel die große TV-Bühne der ARD. Aldag ist inzwischen im Management des belgischen Tony-Martin-Rennstalls Omega-Quickstep tätig, Zabel als Sportlicher Leiter im russischen Team Katusha. Bölts betreut Touristikfahrer in Radsport-Camps.

    Juli 2007: In einem «Spiegel»-Interview folgt auch Teamkollege Jörg Jaksche nur wenige Wochen später dem Beispiel seiner einstigen Teamkollegen. Er gab umfänglich systematisches Blut-Doping und Kontakte zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes zu. Jaksche kommt in den Genuss der Kronzeugen-Regelung, die seine Strafe vermindert. Nach seiner Beichte scheitern alle Versuche, im Radsport wieder Fuß zu fassen. Jaksche, der Betriebswirtschaft studiert, engagiert sich nach der Armstrong-Beichte 2013 auch in der Bewegung «Change Cycling Now» für einen neuen Radsport.

    November 2007: Der frühere T-Mobile-Profi Patrik Sinkewitz beichtet im «Spiegel» und der ZDF-Sendung «Aktuelles Sportstudio» Doping. Der ehemalige Gewinner der Deutschland-Tour gibt zu, sich zu Beginn der Tour de France 2006 einer Blut-Transfusion in der Uni-Klinik Freiburg unterzogen zu haben. Der Hesse fährt nun im drittklassigen kroatischen Meridiana-Kamen-Team.

    "Dass er nichts vom Doping in seinem Team wusste, wie er behauptet, stimmt nicht", erklärte Schumacher in Richtung Holczer. "Unsere Teamärzte wussten Bescheid. Sie haben zum Teil aktiv beim Dopen mitgemischt und Holczer hat ständig mit den Ärzten geredet, die er ja auch eingestellt hat", erklärte Schumacher, hinter dessen öffentlichem Geständnis Holczer Prozesstaktik vermutet. Der Radprofi muss sich vom 10. April an vor dem Landgericht Stuttgart wegen Betrugsverdachts verantworten. Dabei geht es auch um die Rückerstattung von Gehaltsanteilen in Höhe von 150 000 Euro an Holczer.

    Holczer reagiert gelassen auf Vorwürfe Schumachers

    Der Geschichts- und Mathematiklehrer aus Böblingen, der in seiner Zeit bei Gerolsteiner in der Öffentlichkeit als aufrechter Anti-Doping-Kämpfer wahrgenommen worden war, habe laut Schumacher "nach außen den großen Mahner gegeben", intern habe sich "aber nie etwas geändert". Neben Schumacher waren auch Bernhard Kohl (Österreich), Davide Rebellin (Italien) und Lance Armstrongs ehemaliger Teamkollege Levi Leipheimer (USA) während ihrer Zeit bei der Profimannschaft des Mineralwasser-Herstellers oder danach wegen Dopings aufgeflogen.

    Spektakuläre Dopingfälle im internationalen Sport

    1988: Der kanadische Sprinter Ben Johnson gewinnt bei den Olympischen Spielen in Seoul zwar das 100-Meter-Finale gegen seinen großen Rivalen Carl Lewis (USA), muss seine in der Weltrekordzeit von 9,79 Sekunden gewonnene Goldmedaille später jedoch zurückgeben. Er war mit dem anabolen Steroid Stanozolol gedopt.

    1992: Katrin Krabbe, Doppel-Weltmeisterin von Tokio 1991, wird das unerlaubte Doping-Mittel Clenbuterol nachgewiesen. Die einjährige Sperre durch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wird vom Weltverband IAAF auf zwei Jahre verlängert. Münchner Gerichte erkennen einen Schadenersatzanspruch der Sprinterin gegenüber der IAAF in Höhe von 1,2 Millionen D-Mark an.

    1994: Dem argentinischen Superstar Diego Maradona wird bei der Fußball-Weltmeisterschaft die verbotene Substanz Ephedrin nachgewiesen. Er wird vom Turnier ausgeschlossen.

    1998: Bis dahin größter Tour-de-France-Skandal: Bei Festina-Team- Betreuer Willy Voet werden massenhaft unerlaubte Substanzen zum Dopen gefunden. Es folgen Razzien der Polizei, ein flächendeckendes Doping- System im Radsport wird enttarnt.

    2006: Nach einer Doping-Razzia im Turiner Olympia-Quartier flieht der österreichische Skitrainer Walter Mayer. Bei der Durchsuchung werden Spritzen, Medikamente und Geräte zur Bluttransfusion sichergestellt. Vier Langläufer und zwei Biathleten werden vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auf Lebenszeit von Olympischen Spielen ausgeschlossen.

    2006: Zwei Tage vor dem Start der Tour de France werden neun Fahrer, darunter Jan Ullrich und der Italiener Ivan Basso, von der Rundfahrt ausgeschlossen. Sie sollen mit dem mutmaßlichen spanischen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes zusammengearbeitet haben. US-Profi Floyd Landis wird positiv auf Testosteron getestet. 14 Monate später wird er für zwei Jahre gesperrt. Der Tour-de-France-Sieg wird ihm aberkannt. Im Mai 2010 gibt er Doping zu.

    2007: Die Radprofis Jörg Jaksche, Bert Dietz, Christian Henn, Udo Bölts, Brian Holm, Rolf Aldag, Erik Zabel und Bjarne Riis, der Tour- Sieger von 1996, gestehen Blutdoping. Die Sportärzte Lothar Heinrich, Andreas Schmid und Georg Huber werden von der Universitätsklinik Freiburg suspendiert.

    2007: Im Oktober räumt die dreimalige Olympiasiegerin Marion Jones (USA) im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein, jahrelang gedopt zu haben. Die Olympiasiege werden der Sprinterin im Dezember 2007 vom IOC aberkannt. Die Medaillen hatte sie bereits zurückgegeben.

    2009: Am 3. Juli erklärt die Internationale Eislauf-Union (ISU), dass die fünfmalige Olympiasiegerin Claudia Pechstein gesperrt worden ist. Einen positiven Doping-Befund gibt es nicht. Pechstein wurde aufgrund von Indizien gesperrt, ihr Blutprofil zeigte nach ISU-Angaben Auffälligkeiten.

    2010: Tour-de-France-Sieger Alberto Contador wird positiv auf die verbotene Substanz Clenbuterol getestet. Im Februar 2012 wird der spanische Radprofi vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zu einer Zweijahressperre bis August 2012 verurteilt, zudem werden ihm seine Ergebnisse seit Juli 2010 aberkannt.

    2012: Der deutsche Ex-Radprofi Jan Ullrich wird vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne wegen Dopings schuldig gesprochen und bis August 2013 gesperrt. Zudem werden ihm alle Ergebnisse seit Mai 2005 aberkannt.

    2013: Nach jahrelangem Leugnen gibt der frühere US-Radprofi Lance Armstrong laut Medienberichten in einem Fernsehinterview Dopingmissbrauch zu. Zuvor war der siebenmalige Tour-de-France-Sieger von der US-Anti-Doping-Agentur USADA mittels Zeugenaussagen überführt worden. Seine Gesamterfolge bei der Frankreich-Rundfahrt wurden ihm aberkannt, Armstrong ist lebenslang gesperrt.

    Der beschuldigte Holczer reagierte am Freitag gelassen. "Das ist vollkommen aus der Luft gegriffen und diskreditiert eine komplette Mannschaft. Ich werde mich nicht direkt zu den taktischen Anschuldigungen eines Herrn Schumacher äußern. Ihm steht ein Betrugs-Prozess vor dem Landgericht Stuttgart bevor. Das wird die Angelegenheit klären", sagte der frühere Teamchef des russischen Katusha-Rennstalls, der inzwischen auf einen Beraterposten im russischen Radsport-Verband gerückt ist. Holczer ist am 18. April zum Schumacher-Prozess als Zeuge geladen.

    Stefan Schumacher: Schon als 20-Jähriger mit dem Dopen begonnen

    Schon mit Anfang 20 habe er begonnen, sich Spritzen zu setzen, bekannte der 31-jährige Schumacher. "Ich habe mich in ein System eingefügt. Das macht mich nicht stolz, aber es war eben so", räumte er ein. "Doping wird zum Alltag wie der Teller Nudeln nach dem Training." Er bot den zuständigen Gremien Kooperation an: "Ich bin bereit, mein Wissen mit den relevanten Organisationen wie WADA, NADA, UCI zu teilen. Ich weiß ja, wie viele Fahrer EPO genommen haben."

    Während seiner Zeit beim Team Gerolsteiner von 2006 bis 2008 sei im Mannschaftsbus eine Vielzahl von Medikamenten transportiert worden. "Die meisten Sachen konnte sich jeder aus der Medikamentenbox nehmen. Das war völlig verrückt." Schumacher skizzierte den Umfang der Reise-Apotheke der Profis: "Koffein- und Schlaftabletten bis zu den dicksten Hämmern von Schmerzmitteln wie Tramadol. Auch das Potenzmittel Viagra war im Koffer, das sollte die Atmung verbessern." Außerdem seien "falsche Rezepte für Kortisonpräparate ausgestellt" worden.

    Schumacher seit 2010 gesperrt

    Namen von Ärzten nannte Schumacher im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Kohl nicht. In den Ermittlungen der Affäre der Wiener Blutbank Humanplasma hatte der geständige Tour-"Bergkönig" aus Österreich einen früheren Gerolsteiner-Arzt belastet. Schumacher war im Juli 2008 bei der Tour und danach bei Olympia in Peking die Einnahme des Blutdopingmittels Cera nachgewiesen worden. Als Folge war der WM-Dritte von Stuttgart 2007 vom Internationalen Sportgerichtshof CAS bis 27. August 2010 gesperrt worden. dpa/AZ

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