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Interview: Sportmediziner Konopka: "Immunsystem ist beste Apotheke gegen Viren"

Interview

Sportmediziner Konopka: "Immunsystem ist beste Apotheke gegen Viren"

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    Sport im Verein oder im Fitnessstudio ist aktuell nicht möglich. Gegen einen Waldlauf oder eine Radtour spricht aus Sicht des Internisten Dr. Peter Konopka nichts.
    Sport im Verein oder im Fitnessstudio ist aktuell nicht möglich. Gegen einen Waldlauf oder eine Radtour spricht aus Sicht des Internisten Dr. Peter Konopka nichts. Foto: Norbert Staub

    Herr Dr. Konopka, fällt der Sport dem Coronavirus eher zum Opfer oder kommt ihm nun sogar erst recht eine besondere Rolle zu?

    Dr. Peter Konopka: Der Begriff Sport wird üblicherweise als muskuläre Beanspruchung mit Wettkampfcharakter oder mit dem Ziel einer herausragenden persönlichen Leistung verbunden. Darum geht es aber in Zeiten des Coronavirus nicht. Sondern es geht darum, das Immunsystem zu stärken. Und das ist im Leistungs- und Hochleistungssport nicht immer der Fall, wie man an der deutlichen Zunahme von Infekten nach einem Marathonlauf erkennen kann.

    Körperliche Aktivität anwenden wie Medikament gegen Corona

    Was geben sie den Menschen in der jetzigen Zeit mit auf den Weg?

    Konopka: : Leistungs- und Hochleistungssportler steuern ihr Training selbst – aber im Hobbybereich neigen die meisten Menschen zu einer zu intensiven Belastung. Das haben schon vor langer Zeit Untersuchungen bei Läufern im Kölner Stadtpark ergeben. In der Prävention und gerade in Zeiten des Coronavirus’ sollte die körperliche Aktivität nach Art eines „grünen Rezeptes“ wie ein Medikament angewendet werden: indiziert, dosiert und kontrolliert.

    Zur Person: Dr. Peter Konopka

    Der Augsburger Internist Dr. Peter Konopka absolvierte sein Studium an den Universitäten Erlangen, Tübingen und München.

    Als wissenschaftlicher Assistent war er an der ersten Herztransplantation in Deutschland 1968 beteiligt.

    Konopka war von 1971 bis 2003 im Westkrankenhaus und im Klinikum Augsburg tätig, ab 1977 als Oberarzt.

    Er betreute zwölf Jahre lang als sportärztlicher Betreuer die Deutschen Rad-Nationalmannschaften der Straßenradrennfahrer und Querfeldeinfahrer bei Trainingslagern und Etappenrennen sowie bei 16 Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

    Der Inder Jonas Remedios hat ihn zum Yogalehrer ausgebildet und 1991 zu seinem Nachfolger als Leiter seiner Yoga-Schule in Augsburg bestimmt.

    Dr. Peter Konopka
    Dr. Peter Konopka Foto: Fred Schöllhorn

    Das heißt, gegen richtig ausgeführte körperliche Aktivität spricht nichts?

    Konopka: Ganz im Gegenteil. Ein starkes Immunsystem ist die beste Apotheke gegen Viren. Das Immunsystem besteht aus einer großen Vielfalt an Immunstoffen und Immunzellen, die sehr komplex zusammenarbeiten. Dabei ist nicht nur deren bloße Menge entscheidend, sondern vor allem deren Aktivität – und die wird durch richtig dosierte körperliche Aktivität gesteigert. Das Immunsystem wird durch richtig dosierte körperliche Aktivität sozusagen „scharf“ gemacht.

    Halbe Stunde bei moderatem Tempo joggen hilft

    Wie sieht denn derzeit die korrekte Anwendung der körperlichen Aktivität als „Medikament“ aus?

    Konopka: Zunächst muss die körperliche Aktivität indiziert sein, das heißt, man muss sich wohlfühlen und gesund sein. Zur Beurteilung der Gesundheit kann auch die Kontrolle des Ruhepulses beitragen. Die Pulsschläge pro Minute sind je nach Trainingszustand und auch individuell unterschiedlich, liegen aber bei Hobbysportlern meistens zwischen 60 und 80 Pulsschlägen pro Minute. Wenn der Ruhepuls ohne ersichtlichen Grund erhöht ist, ist das oft ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt, und man sollte dann mit der körperlichen Aktivität zurückhaltend sein.

    Sport in Corona-Zeiten: So geht es richtig

    Die meisten Mediziner raten trotz oder gerade wegen des Coronavirus’ aktuell zu moderater körperlicher Aktivität. Dabei gibt es allerdings einiges zu beachten, um eine Infektion möglichst auszuschließen und gesund zu bleiben. Diese Tipps sind nach Expertenmeinungen wichtig für Hobbysportler, die weiter in der Natur aktiv bleiben wollen.

    Abstand Um Risiken zu vermeiden, sollten Jogger und andere Athleten zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Meter Abstand zu ihren Nebenleuten halten. Das Virus verteilt sich nämlich ähnlich wie Rauch in der Luft – mal sinkt es schneller, mal langsamer zu Boden. Eine Ansteckung beim Joggen ist also durchaus denkbar – genauso kann man auch selbst andere infizieren.

    Wetter Tatsächlich spielt es Fachleuten zufolge eine entscheidende Rolle für das Infektionsrisiko, wie die Witterung ist, wenn man sich draußen bewegt. Die Gefahr ist demnach bei neblig-feuchtem Wetter am größten, vor allem dann, wenn gleichzeitig wenig Wind geht. Den gegenteiligen Effekt haben UV-Strahlen: Sie sind schlecht für Viren. Empfehlenswert ist es demnach, die Gut-Wetter-Phasen abzupassen und sich dann die Laufschuhe anzuziehen oder auf das Rad zu schwingen. So macht es mehr Spaß und ist auch noch gesünder.

    Belastung In der aktuellen Lage sollten die Sportart und die Belastung nicht allzu abrupt gewechselt werden, sind sich Ärzte einig. Dies erhöht das Risiko einer Verletzung. Sportmediziner Perikles Simon erklärt: „Das zieht dann wiederum einen Arztbesuch nach sich, der aktuell auch immer ein Restrisiko birgt.“ Bestenfalls absolviert man sein Sportprogramm also einfach so, wie man es auch vor dem Coronavirus getan hat – sofern das derzeit geht. Bei zu hoher Intensität der körperlichen Betätigung ist das Immunsystem in den folgenden bis zu vier Stunden anfälliger als normalerweise – und somit empfänglicher für Infekte. (dpa)

    Wenn der Ruhepuls stimmt – wie geht es dann weiter?

    Konopka: Zunächst geht es um die gesundheitlich wirksamste Qualität der körperlichen Aktivität. Und das ist eindeutig die Ausdauer, zum Beispiel ein Spazieren gehen, Wandern, Walking, Jogging oder Radfahren. Und dann geht es um die richtige Dosierung, die Quantität, die durch Intensität und Umfang gekennzeichnet ist. Kurz gesagt rate ich zu einer niedrigen Intensität, also moderatem Tempo, und einem Umfang mit einer Streckenlänge von 20-30 Minuten drei Mal pro Woche oder täglich. Das Ergebnis sollte allenfalls eine geringe Ermüdung, aber niemals Erschöpfung sein.

    Corona: Erhöhte Körpertemperatur dient Abwehrkräften

    Woher weiß ich, dass ich die Dosis körperlicher Aktivität nicht überschreite?

    Konopka: Das Wichtigste ist im Breiten- und Gesundheitssport die Steuerung der Intensität. Sicherlich ist es dabei hilfreich, eine Pulsuhr zur Messung der Herzfrequenz zu benutzen – aber nur in zweiter Linie. Ich persönlich halte die Steuerung durch die Atmung für einfacher und verlässlicher. Als Faustregel gilt: Wenn man während der Belastung noch einen ganzen Satz zusammenhängend sprechen kann, befindet man sich im richtigen sauerstoffreichen, gesundheitsfördernden Bereich. Zusätzlich kann es hilfreich sein, einen Pulsmesser bei der Bewegung zu tragen und auch sonst den Puls regelmäßig zu kontrollieren. Aber es gibt noch einen weiteren Faktor.

    Das Coronavirus muss einen nicht vom Sport abhalten. Joggen ist zum Beispiel unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen drin.
    Das Coronavirus muss einen nicht vom Sport abhalten. Joggen ist zum Beispiel unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen drin. Foto: Peter Steffen, dpa

    Welchen?

    Konopka: Die Körpertemperatur. Der Körper wehrt sich gegen Infekte durch eine Erhöhung der Körpertemperatur, weil vor allem Viren gegen höhere Temperatur empfindlich sind. Und ein Nebeneffekt körperlicher Aktivität ist, dass die Körpertemperatur dabei ansteigt und das Immunsystem besser funktioniert. Beides dient einer besseren Infektabwehr. Das Coronavirus ist nach bisherigen Erkenntnissen ebenfalls hitzeempfindlich. Mit körperlicher Aktivität schützen wir uns also in dieser Hinsicht zusätzlich.

    Joggen trotz Corona? "Im Wald geht das Herz auf"

    Kann man bedenkenlos vor die Tür gehen, beispielsweise für einen Waldlauf?

    Konopka: Dabei muss man die aktuellen Vorschriften beachten. Aber speziell ein Waldlauf allein in freier Natur ist geradezu ideal. Schließlich gibt es ja im Wald keine erhöhte Corona-Gefahr, dann noch eher im eigenen Wohnzimmer. Außerdem tut frische sauerstoffreiche Luft gut – und im Wald geht einem das Herz auf. Bei allen anderen Aspekten darf man aber nicht vergessen, dass die Psyche ebenfalls einen großen Einfluss auf das Immunsystem hat

    Was ist mit der Risikogruppe älterer Menschen – sollten sie das Haus verlassen und sich körperlich betätigen?

    Konopka: Auf jeden Fall, aber nur, wenn man gesund ist. Allerdings nimmt im Alter die Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen ab. Deswegen sollte die körperliche Aktivität richtig und eher niedrig dosiert werden. Auch die Erholung nach körperlicher Belastung dauert länger. Daher empfiehlt es sich, jeweils nach einem Tag körperlicher Aktivität einen Ruhetag einzulegen. Besonders wichtig ist bei der Infektabwehr aber auch eine vollwertige Ernährung. Da aber ältere Menschen häufiger unter Krankheiten leiden, sollten sie im Zweifelsfall immer ihren Hausarzt zurate ziehen. Am besten ist ein Hausarzt, der einen schon über viele Jahre kennt.

    Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie in unserem Live-Blog.

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