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Sommermärchen-Affäre: Gekauft oder nicht? Ermittler stellen Bericht zur WM-Vergabe vor

Sommermärchen-Affäre

Gekauft oder nicht? Ermittler stellen Bericht zur WM-Vergabe vor

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    Franz Beckenbauer war Präsident des WM-Organisationskomitees 2006.
    Franz Beckenbauer war Präsident des WM-Organisationskomitees 2006. Foto: Bernd Weißbrod (dpa)

    Ab 13.30 Uhr hat das monatelange Warten an diesem Freitag ein Ende. Praktisch auf neutralem Platz präsentieren die Ermittler der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer am Freitag in einem Hotel in Frankfurt/Main die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland. Auftraggeber: der Deutsche Fußball-Bund (DFB).

    Trotz der Affäre um die WM-Vergabe 2006 hält die Mehrheit der Deutschen am Sommermärchen fest.
    Trotz der Affäre um die WM-Vergabe 2006 hält die Mehrheit der Deutschen am Sommermärchen fest. Foto: Marcus Brandt (dpa)

    Im Mittelpunkt steht viel Geld: eine dubiose Zahlung von 6,7 Millionen Euro. Im Mittelpunkt stehen aber auch mittlerweile fast nur noch ehemalige ranghohe und namhafte deutsche Fußball-Funktionäre. Allen voran Franz Beckenbauer, damals der Chef des Organisationskomitees. 

    Chronologie: Affäre um die WM 2006

    16. Oktober: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) räumt in einer Pressemitteilung Ungereimtheiten rund um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband FIFA ein.

    16. Oktober: Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» berichtet, dass für den Zuschlag der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen sei, um damit vier entscheidende Stimmen im FIFA-Exekutivkomitee zu kaufen. Das Geld soll vom ehemaligen Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus gekommen sein. Der DFB weist den «Spiegel»-Bericht als haltlos zurück.

    17. Oktober: Erstmals äußert sich DFB-Präsident Niersbach: «Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungskomitee noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat.»

    18. Oktober: Franz Beckenbauer meldet sich zu Wort und dementiert den «Spiegel»-Bericht: «Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat.»

    19. Oktober: Die Staatsanwaltschaft prüft einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren. Als mögliche Tatbestände nennt eine Sprecherin Betrug, Untreue oder Korruption.

    19. Oktober: Niersbach weist die Korruptionsvorwürfe erneut zurück, räumt aber erstmals «den einen offenen Punkt» ein: «Dass man die Frage stellen muss, (...) wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden.»

    21. Oktober: Ex-DFB-Boss Theo Zwanziger äußert Zweifel an der internen Aufarbeitung des DFB.

    22. Oktober: Die DFB-Landesverbände fordern von Niersbach eine schnelle Aufklärung der Korruptionsvorwürfe.

    22. Oktober: Niersbach tritt in Frankfurt sichtlich erschöpft vor die Presse und bringt nur wenig Licht ins Dunkel um die WM 2006.

    23. Oktober: Das DFB-Präsidium stärkt Niersbach den Rücken, hält aber «strikt daran fest [...], dass lückenlos aufgeklärt wird.»

    23. Oktober: Zwanziger bezichtigt Niersbach der Lüge und berichtet im «Spiegel» von der vermeintlichen Existenz einer schwarzen Kasse «in der deutschen WM-Bewerbung». Es sei «ebenso klar, dass der heutige Präsident des DFB davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005».

    26. Oktober: Beckenbauer räumt in der Affäre erstmals einen «Fehler» ein. Das Organisationskomitee hätte nicht auf einen Vorschlag der FIFA-Finanzkommission eingehen dürfen, um einen Finanzzuschuss zu bekommen, teilte der damalige OK-Präsident mit.

    27. Oktober: Die vom DFB beauftragte Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer erklärt, mit Ergebnissen in der Affäre sei nicht schnell zu rechnen.

    28. Oktober: Zwanziger sagt vor den externen Ermittlern der Anwaltskanzlei aus.

    3. November: Die Staatsanwaltschaft führt beim DFB in Frankfurt/Main eine Steuer-Razzia durch. Zudem durchsucht sie die Wohnungen von Niersbach, Zwanziger und dem ehemaligen DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Die Beamten ermitteln im Zusammenhang mit 6,7-Millionen-Euro-Zahlung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.

    6. November: Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» veröffentlicht angeblich von Niersbach stammende handschriftliche Notizen auf einem Schreiben des WM-OK an die FIFA aus dem Jahr 2004. Diese sollen belegen, dass er nicht erst 2015 von den Vorgängen Kenntnis hatte.

    9. November: Am Nachmittag trifft sich das DFB-Präsidium zu einer außerordentlichen Sitzung mit Niersbach. Der 64-Jährige erklärt seinen Rücktritt: ««Ich habe für mich erkannt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die politische Verantwortung zu übernehmen.»

    Der Report, der zeitnah nach der Pressekonferenz auch im Internet veröffentlicht wird, soll endlich Klarheit darüber bringen, wie weit Beckenbauer und die anderen WM-Organisatoren gingen, um die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu holen. Oder wann genau welcher Top-Funktionär wovon wusste. Und vor allem: War das Sommermärchen nun gekauft oder nicht?

    Als gesichert gilt nur, dass der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus die 6,7 Millionen Euro im Auftrag der deutschen WM-Macher an die Finanzkommission des Weltverbands überwies - und sein Geld auch 2005 über den Umweg eines FIFA-Kontos wieder zurückbekam. Allerdings vom WM-OK bewusst verschleiert und falsch deklariert.

    Sommermärchen 2006: Wer bekam warum Geld?

    Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist eine der zentralen Personen im Sommermärchen-Skandal.
    Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist eine der zentralen Personen im Sommermärchen-Skandal. Foto: Arne Dedert (dpa)

    Wer das Geld bekam und zu welchem Zweck, ist noch nicht geklärt. Laut Beckenbauer, dem ehemaligen DFB-Chef Wolfgang Niersbach und Co. sicherten sie damals mit dem Geld einen Organisationszuschuss. Im Raum steht aber auch, dass korrupte FIFA-Funktionäre das Geld verwendeten, um 2002 den Wahlkampf ihres damaligen Präsidenten Joseph Blatter zu finanzieren.

    Eine weitere Möglichkeit ist nach wie vor die Ausgangsthese des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, das den Skandal im Oktober 2015 ans Licht brachte. Danach wurden mit den 6,7 Millionen nachträglich Wahlmänner der FIFA bezahlt, die im Sommer 2000 über die Vergabe der WM entschieden.

    DFB-Interimspräsident Rainer Koch: "Spannende Stunden"

    DFB-Interimspräsident Rainer Koch rechnet am Freitag jedenfalls mit "spannenden Stunden". Bevor die Kanzlei in dem Hotel am Flughafen der Bankenmetropole ihren Bericht der Öffentlichkeit bei einer Pressekonferenz präsentiert, informieren die Ermittler den Vorstand des Verbandes. "Und dann werden wir hoffentlich gemeinsam feststellen können, dass der DFB hier umfassend, transparent und nach besten Kräften die Vorgänge rund um die Zahlung der 6,7 Millionen Euro aufgeklärt haben wird", sagte Koch.

    Für den DFB ist der Schaden durch den Skandal bereits jetzt groß. Die Zweifel an einer rechtmäßigen Vergabe beschädigten das Image des größten Fachsportverbandes der Welt. Präsident Niersbach trat im November von seinem Posten zurück.

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