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Skurrile Forderung: "Euro 2008 ohne Österreich"

Skurrile Forderung

"Euro 2008 ohne Österreich"

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    Das waren noch Zeiten: Hans Krankl (Nr.9) schoss für Österreich bei der WM 1978 in Argentienien das entscheidende 3:2 gegen Deutsschland.
    Das waren noch Zeiten: Hans Krankl (Nr.9) schoss für Österreich bei der WM 1978 in Argentienien das entscheidende 3:2 gegen Deutsschland.

    Österreich ist mit der Schweiz Gastgeber der Fußball-EM 2008. Jetzt hat sich eine Initiative gegründet: "Österreich-freie Euro 2008". Gegründet hat sie der 35-jährige Michael Kriess. Dessen Vater Verner war früher als Fußball-Profi 15-facher österreichischer Nationalspieler und später Erstliga-Trainer. Ein Interview.

    Frage: Herr Kriess, Österreich soll Rückgrat zeigen und sein Team von der Euro 2008 im eigenen Land zurückziehen. Eine ulkige Kampagne, die aber die ÖFB-Kicker international noch mehr zum Gespött macht.

    Michael Kriess: Wir meinen es ernst mit unserer Aktion. Und sie ist nicht gegen den Trainer und die Spieler gerichtet. Ganz im Gegenteil. Wir wollen ihnen nur einen Gefallen tun. Schauen Sie doch mal in die bleichen, die Nationalhymne stammelnden Gesichter vor dem Anpfiff. Es wäre eine große Geste, wenn Österreich seinen Startplatz an eine echte Fußballnation abgäbe.

    Frage: Wann haben Sie gemerkt, dass es Zeit zum Handeln ist?

    Kriess: Es geschah beim Freundschaftsspiel gegen Japan. Österreich schoss in den 90 Minuten nicht ein einziges Mal aufs Tor, nicht einmal zu einem Eckball sind wir gekommen. Ich döste auf dem Sofa, als ein Freund aufsprang und meinte, er halte es nicht mehr aus, das sei nicht mehr mit anzusehen. Österreich war immer eine Kulturnation, ein Volk von Schöngeistern. Eine Teilnahme des ÖFB-Teams an der EM würde unser aller ästhetisches Empfinden arg verletzen - nicht nur das der österreichischen Fußballfans.

    Frage: Wie viele Unterschriften haben Sie?

    Kriess: Es kommen jeden Tag 1000 neue dazu. Unser Ziel sind 100 000 Unterschriften in Österreich und eine Million aus dem Ausland.

    Frage: Es heißt, der Österreicher schätzt das eigene Scheitern sehr - besonders im Fußball.

    Kriess: Wir sehen das absolut nicht so. Wir warten nicht geradezu darauf, zu verlieren. Es ist vielmehr so, dass der gelernte Österreicher seit Jahren versucht, an Wunder zu glauben, und dabei immer wieder enttäuscht wird. Es gibt keine Hoffnung für dieses Team, das muss man realistischerweise so sehen.

    Frage: Das klingt alles nicht gerade nach Fußball-Euphorie acht Monate vor EM-Beginn¿

    Kriess: Meine Freunde und ich freuen uns riesig auf das Turnier - ehrlich. Weil wir die besten Teams in Europa spielen sehen wollen. Aber nicht nur unsere Nationalelf, sondern auch die EM-Organisatoren tun alles dafür, damit keine EM-Euphorie aufkommt. Man muss schon sehr genau hinschauen, um einen Hinweis darauf zu finden, dass in Österreich eine Fußball-

    Frage: Ihr Vater hat in den 70er Jahren 15-mal für das österreichische Nationalteam gespielt. Was sagt der denn zu Ihrem Treiben?

    Kriess: Mein Vater scheint zu glauben, das Ganze wäre ironisch gemeint. Da er aber weiß, wie es im österreichischen Verband zugeht, hat er gesagt, dass er alles unterstützt, was dem österreichischen Fußball hilft.

    Frage: Und was tun Sie und Ihre Mitstreiter dafür?

    Kriess: Wir verkaufen auf unserer Internetseite auch T-Shirts. Mit dem Geld wollen wir eine Akademie für Nachwuchsfunktionäre aufbauen. Im Funktionärswesen liegt in Österreich vieles im Argen.

    Frage: Was läuft falsch?

    Kriess: Regelmäßig wird der österreichische Fußball durch Pleiten erschüttert. In den letzten 15 bis 20 Jahren sind jede Menge drittklassige Spieler und abgehalfterte Stars aus dem Ausland nach Österreich geholt worden, die einheimischen Spielern den Weg in den Profifußball verstellen. Leute wie Didi Mateschitz oder Frank Stronach haben Millionen in ihre Klubs gesteckt und den Misserfolg förmlich herbeiinvestiert.

    Frage: Können Sie sich daran erinnern, wann Ihr ästhetisches Empfinden letztmals bei einem Auftritt der österreichischen Nationalelf positiv stimuliert worden ist?

    Kriess: Nur dunkel. Das war 1989, als wir die DDR 3:0 niedergebügelt haben und damit zur WM in Italien fahren durften. Ich bin 35 Jahre alt und habe mir sagen lassen, dass es auch in den 60er und 70er Jahren sehenswerte Spiele gegeben hat.

    Die Fragen stellte Roland Wiedemann.

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