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Skispringen: Warum das Gewicht plötzlich wieder ein Problem im Skispringen ist

Skispringen

Warum das Gewicht plötzlich wieder ein Problem im Skispringen ist

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    Verzichtet auf einen Start in Peking: Die norwegische Skispringerin Maren Lundby.
    Verzichtet auf einen Start in Peking: Die norwegische Skispringerin Maren Lundby. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Maren Lundby ist eine der besten Skispringerinnen der Welt, vielleicht sogar die beste. Olympiasiegerin, Weltmeisterin, vielfache Weltcupsiegerin. Diesen Winter stehen wieder Olympische Winterspiele an. Ohne

    2004 führte der Skiweltverband eine Gewichtsregel ein, die an den Body-Mass-Index (BMI) gekoppelt ist. Vereinfacht gesagt: Wer mit seinem Körpergewicht unter den

    Die BMI-Regel hat ihre Wirksamkeit verloren

    Moderne Bindungssysteme und Keile helfen den Springerinnen und Springern mittlerweile, die Skier in eine optimale Position zu stellen. „Damit kannst du jetzt auch kürzere Ski springen. Die Kürzung stellt also keinen so großen Nachteil mehr da, wie es ursprünglich mit der Regelung gedacht war. Daher müssen wir das ernsthaft diskutieren“, sagt Bauer.

    Der ehemalige Bundestrainer der deutschen Skispringerinnen: Andreas Bauer.
    Der ehemalige Bundestrainer der deutschen Skispringerinnen: Andreas Bauer. Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Archivbild)

    Für Hannawald, der mittlerweile als Experte für die ARDarbeitet, kommt das nicht überraschend. „Im Skispringen geht es immer auch um Gewicht. Das sieht man schon allein daran, dass zwar ein BMI vorgegeben ist, aber trotzdem alle mit kürzeren Ski springen.“ Um einschränkend anzufügen, dass das alles kein Vergleich zu früheren Zeiten sei.

    Sven Hannawald findet es richtig, was Maren Lundby macht

    Hannawald begrüßt den Schritt von Lundby, sich eine Auszeit zu nehmen. Dabei habe wohl auch die ein oder andere Verletzung eine Rolle gespielt, „aber irgendwann kommt man eventuell an den Punkt, dass es nicht mehr so funktioniert wie in den Jahren vorher. Ich finde es gut, dass sie sich direkt raus- nimmt. Denn es gibt auch welche, die weiter mitspringen und sich dadurch alles, was sie sich vorher erarbeitet haben, zunichtemachen – indem sie hinterherspringen.“ Lundby sei für sich an einem Punkt gewesen, an dem sie sich selbst schützen müsse. „Ehe sie noch mehr kaputt macht in ihrem Körper und vielleicht auch vom Kopf her.“ Glücklicherweise finde im Leistungssport ganz generell ein Umdenken statt. „Man sieht ja immer mehr Beispiele, dass sich Sportlerinnen oder Sportler rausnehmen. Sei es die Tennisspielerin Naomi Osaka oder die Turnerin Simone Biles. Man sieht einfach, dass jeder das Recht hat sich zurückzuziehen, wenn der Körper nicht mehr kann.“ Dessen Signale zu hören und darauf auch zu reagieren, sei nicht mehr so verpönt wie in vergangenen Jahren. Lundbys Schritt sei da nur konsequent, sagt Hannawald. „Auch wenn ich ein bisschen traurig bin, weil sie immer eine war, die Wettkämpfe spannend gemacht hat. Aber aus meiner Geschichte heraus ist mir die Gesundheit immer wichtiger.“

    Es erfordert viel Disziplin, das Gewicht zu halten

    Das sieht auch Ex-Bundestrainer Bauer so. Er vergleicht das Skispringen mit Sportarten wie Boxen oder Ringen. Um dort in die entsprechenden Gewichtsklassen zu kommen würden die Sportler auch streng auf ihr Körpergewicht achten. „Zum Wettkampfhöhepunkt muss im Skispringen dann das Gesamtpaket aus Technik, Absprungqualität und eben Gewicht passen, damit die letzten zwei, drei Meter auch noch kommen.“

    Es erfordere sehr viel Disziplin, das ideale Gewicht über das ganze Jahr zu halten. Bauer sagt, dass die Athletinnen und Athleten im Sommer oft zwei, drei Kilo mehr hätten. „Die werden dann zum Winter hin abtrainiert. Du musst Jahr für Jahr einen extremen Willen aufbringen.“ Hungern müsse dafür niemand. „Aber du musst eben die richtigen Sachen essen. Du kannst dich natürlich satt essen – mit Gemüse. Den Kuchen musst du aber weglassen, oder die Schokolade, oder am Abend vor dem Fernseher die Chips.“

    Und irgendwann würden die Sportlerinnen eben anfangen nachzudenken, gerade wenn sie schon so erfolgreich waren wie Maren Lundby. Im April könne die kurz durchschnaufen, „im Mai geht das Training dann schon wieder los und jeder muss wieder auf das Gewicht schauen. Und irgendwann bringst du diesen Willen eben nicht mehr auf.“

    "Es bringt nichts, das Gewicht runterzureißen"

    Denn eines habe ihn die Erfahrung eines langen Trainerlebens gelehrt: „Es bringt nichts, das Gewicht mit Hauruck-Aktionen runterzureißen. Das nimmt dir die Substanz, die psychische Kraft.“ In der deutschen Nationalmannschaft sei immer eng mit einer Ernährungsberaterin zusammengearbeitet worden. Die Sportlerinnen hätten Ernährungsprotokolle geschrieben, die dann analysiert worden seien. Das Körpergewicht sei über den Sommer nur sehr langsam reduziert worden. Zudem sei der Phasenwinkel gemessen worden. Dieser zeigt an, in welchem Zustand die Muskelzelle ist. Bauer: „Die muss immer mit Wasser vollgesogen sein, wie ein Schwamm, damit sie voll leistungsfähig ist. Und wenn du schnell abnimmst, verlierst du immer auch Wasser. Dann bist du am Schluss zwar leicht, kannst aber auf der Schanze nicht mehr abspringen.“

    Maren Lundby hat sich in diesem Herbst gegen „die extremen Anforderungen“ im Skispringen entschieden. „Ich habe mein Gewicht nie unverantwortlich kontrolliert, auch das gehört zu meinem Erfolgsrezept.“ Speziell für Nachwuchsspringerinnen sei ihre Botschaft, dass kompromisslose Gewichtskontrolle „kein Thema“ sein solle: „Damit kannst du alles zerstören.“

    Die 27-Jährige nutzte die Sommermonate anstelle des Trainings für die Teilnahme an der norwegischen „Let‘s dance“-Variante im Fernsehen. Ob sie denn im nächsten Winter wieder zurückkehren wolle, wurde Lundby noch gefragt. Sie antwortete: „Ich liebe Skispringen. Aber ich will lieber eine lange Karriere haben.“

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