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Skispringen: Sven Hannawald im Interview: "Ich kann die Tournee jetzt genießen"

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Sven Hannawald im Interview: "Ich kann die Tournee jetzt genießen"

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    Ex-Skispringer Sven Hannawald musste lernen, mit einer Lebenskrise umzugehen.
    Ex-Skispringer Sven Hannawald musste lernen, mit einer Lebenskrise umzugehen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Hannawald, bei den Olympischen Spielen in Südkorea hat man Sie als TV-Experten für die Skisprungwettbewerbe erlebt. Wie war es für Sie?

    Sven Hannawald: Es war super. Als ehemaliger Skispringer, der nun auf der anderen Seite steht, habe ich viele Dinge gelernt. Etwa, dass man jemandem anderen nicht ins Wort fällt. Mit Matthias Bielek (Eurosport-Kommentator, Anm. d. Red.) hatte ich dafür genau den Richtigen an meiner Seite.

    Der Sie bei Andreas Wellingers Goldmedaille etwas einzubremsen versuchte.

    Hannawald: Ich bin, wie ich bin. Wenn ich merke, dass etwas in der Luft liegt, dann muss das raus. Allerdings muss man auch wissen, wann Schluss ist.

    Hätten Sie mit einem solchen Ergebnis der deutschen Springer gerechnet?

    Hannawald: Nein. Ich habe zwar auf Richard Freitag gehofft, aber es war schon so, dass ich eher Kamil Stoch auf der Rechnung hatte. Wie es dann gelaufen ist, war eine große Überraschung – und es war einfach toll, das miterleben zu dürfen.

    Sie können Skispringen also mittlerweile als Beobachter genießen?

    Hannawald: Ja, weil der Abstand heute da ist. Wenn heute ein Springer einen Topsprung raushaut, dann erinnere ich mich an bestimmte Momente von früher. Und dadurch, dass Kamil Stoch heuer auch alle vier Springen bei der Vierschanzentournee gewonnen hat, kann ich in Zukunft sogar befreit nach Oberstdorf fahren.

    Bei Eurosport arbeitete Sven Hannawald (2. von links) mit Martin Schmitt und Michael Greis als Experte (rechts Moderator Sascha Kalupke).
    Bei Eurosport arbeitete Sven Hannawald (2. von links) mit Martin Schmitt und Michael Greis als Experte (rechts Moderator Sascha Kalupke). Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa

    Sie waren immer angespannt, ob jemand Ihren bis dato einmaligen Rekord aus dem Jahr 2002 knacken könnte.

    Hannawald: Ich hatte immer die Hoffnung, dass ich möglichst lange der Einzige bin, dem es gelang, alle vier Springen zu gewinnen. Ich weiß nämlich, was dazu gehört. Und dann steigt eben die Anspannung von Springen zu Springen. Erst wenn dann ein zweiter Tagessieger feststand, konnte ich die Tournee genießen. Aber dem Kamil Stoch gönne ich es. Er ist keiner, der zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, sondern sich das hart erarbeitet hat. Und es ist ja auch so: Wenn man es als Erster geschafft hat, bleibt man im Gedächtnis.

    Das Jahr 2002 mit dem Tourneesieg, dem olympischen Mannschaftsgold, dem Weltmeistertitel im Skifliegen war das Beste Ihrer Karriere. Zwei Jahre später beendeten Sie die Saison vorzeitig und ließen sich zwei Monate in einer Klinik in Bad Grönenbach stationär wegen Burn-out therapieren.

    Hannawald: Ich war erfolgskrank. Ich war ja gut, hatte Talent und irgendwann auch einen Vorteil gegenüber meinen Konkurrenten. Den aber wollte ich unter keinen Umständen verlieren. Ich kann nicht verlieren. Wenn ich verliere, drehe ich durch. Selbst heute noch. Und damals habe ich versucht, jeden sportlichen Rückschlag mit noch mehr Aufwand wettzumachen. Was ich meinem Körper zugemutet habe, war enorm. Und irgendwann ging nichts mehr. Dann bin ich in die Klinik gegangen. Ohne die professionelle Hilfe wäre ich nicht mehr auf die Beine gekommen.

    Dabei hatten Sie in Ihren Erfolgsjahren ja einen eigenen Mentaltrainer, dessen Existenz Sie aber geheim gehalten haben. Warum?

    Hannawald: Nicht mal meine Eltern wussten davon. Das wollte ich aber so, denn als Einzelsportler gibt man bei einem Mentaltrainer gewisse Dinge preis, die, wenn sie weitergetragen würden, Konkurrenten einen Vorteil brächten. Letztlich war es die richtige Entscheidung, denn für mich war der Mentaltrainer das letzte Puzzleteil, das den Erfolg gebracht hat.

    Heute geben Sie Ihre Erfahrungen als Unternehmensberater in Vorträgen und Seminaren weiter. Fällt das manchmal noch schwer?

    Hannawald: Früher war ich immer so etwas wie der Pausenclown. Lieber zehnmal Blödsinn geredet, als dreimal etwas Tiefgründiges. Nachdem ich nun selbst die Erfahrung mit Burn-out gemacht habe, kenne ich mich mit der Materie sehr gut aus. In Talks, Gruppen- und Einzelgesprächen öffnen sich mir viele Leute schnell, weil sie wissen, dass ich so etwas auch durchgemacht habe. Ich bin aber kein Therapeut, deswegen empfehle ich diesen Menschen dann sofort professionelle Hilfe. Für solche Fälle haben wir glücklicherweise die Gezeiten Haus Gruppe (Psychosomatische Fachkliniken in Bonn, Wesseling, Oberhausen und Magdeburg, Anm. d. Red.) als unseren Gesundheitspartner.

    Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten: Würden Sie an einem Punkt Ihrer Karriere etwas anders machen?

    Hannawald: Schwer zu sagen. Als Jugendlicher ist man ja noch mit Spaß bei der Sache. Als Profi geht es dann darum, Geld zu verdienen. Und das schafft man nur durch Erfolg. Für diesen Erfolg habe ich alles getan. Ich habe mir einen Vorsprung gegenüber den anderen erarbeitet. Vielleicht hätte ich mir damals einbläuen müssen, viel mehr Pausen zu machen. Aber am Ende des Tages nehme ich lieber den Erfolg samt all den Erfahrungen mit, als zurückzuspulen, einen anderen Weg zu gehen, der dann ohne Erfolg endet.

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