Am Krankenbett von Joyce Kaaya hält Rosi Mittermaier die furchigen Hände der Bäuerin, während ihr eine Schwester die Augenbinde abnimmt. Die alte Frau, die am Tag zuvor noch blind war, zwinkert – dann lacht sie. Joyce und Rosi Mittermaier fallen sich in die Arme und beiden kullern die Tränen übers Gesicht.
So ist sie, die Rosi Mittermaier, die eigentlich Rosa Katharina heißt. Zurückhaltend, freundlich, nett – ein Mensch mit einem ganz großen Herzen. Die Szene spielte sich vor ein paar Jahren in einer Augenklinik in Arusha ab. Rosi Mittermaier und ihre Mann Christian Neureuther waren in Tansania als Botschafter der Christoffel-Blindenmission (CBM) unterwegs. Sie, die ruhige, bodenständige, fast schüchterne Doppel-Olympiasiegerin von 1976. Und er, der lustige Unterhalter, der gerne Witze erzählt und jeden sofort auf seine Seite zieht. Sie sind ein gutes, ein eingespieltes Team.
"Mein Leben wird immer auf Olympia reduziert"
Am Tag zuvor waren Rosi Mittermaier und Christian Neureuther bei Joyce und deren Großfamilie daheim auf dem Dorf. Sie haben mit den Kindern vor der Lehmhütte Fußball gespielt, haben mit der Familie deutsche und afrikanische Kirchenlieder gesungen und Rosi hat zum Abschied Joyces Tochter den silbernen Skirennläufer geschenkt, den sie an einer Kette um den Hals trug.
Wenn man sie auf ihre Erfolge als Weltklasse-Skirennläuferin anspricht, winkt Rosi Mittermeier ab: „Mein Leben wird immer auf ’76 und Olympia reduziert. Ich kann verstehen, dass das für die Menschen wichtig ist – aber für mich ist es nie das Wichtigste gewesen“, sagt sie – und man glaubt es ihr. „Die Rosi ist eine Leistungssportlerin ohne Ehrgeiz, die nicht mal weiß, wie viele Weltcuprennen sie gewonnen hat“, sagt ihr Mann. Er sagt auch, dass er sie vor allem deshalb geheiratet hat, „weil sie so ein großes Herz hat“.
Die Kinder sind ihr das Wichtigste
Natürlich treibt die „Gold-Rosi“ noch Sport. Sie steigt auf Berge, fährt Ski, versucht den Menschen in Bayern Nordic Walking beizubringen. Viel wichtiger aber sind ihr die Kinder Felix – selber inzwischen erfolgreicher Skisportler – und Ameli, die Modedesignerin, die als Kind fast entführt worden wäre. Sie schneidet ihr die Haare und hat sie gerade erst zur Oma gemacht. Wichtig ist Rosi Mittermaier, dass sie daheim in Garmisch-Partenkirchen die Geranien über den Winter bringt. Und dass „der Papst nicht ständig Tote heiligspricht“, sondern Menschen wie die Ärzte in dem Buschkrankenhaus in Tansania. Deshalb hat sie das Amt als Botschafterin der Blindenmission übernommen. Denn: „Ich gebe mein Gesicht nicht für alles her.“
Tatsächlich setzt sich nur für Dinge ein, von denen sie überzeugt ist. Für soziale Projekte wie die Augenklinik in Afrika oder für rheumakranke Kinder. „Und damit niemand auf den Gedanken kommt, sich allzu schön anzuziehen“, feiert sie ihren 65. Geburtstag heute im Klettergarten.