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Ski alpin: Jahrhundert-Talent schafft Sensation

Ski alpin

Jahrhundert-Talent schafft Sensation

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    Ein Mountainbiker, der die Tour de France gewinnt? Oder ein Ruderer, der im Eiskanal von Augsburg zum WM-Titel rast? All das gab es bislang nicht und wird es auf absehbare Zeit auch nicht geben. Dass aber eine zweifache Snowboard-Weltmeisterin auf zwei Bretter umsteigt und den olympischen Super-G der Alpinen gewinnt, dieses Wunder wurde am Samstag im Jeongseon-Alpinzentrum von Pyeongchang wahr. Der 22-jährigen Tschechin Ester Ledecká gelang mit Startnummer 26 ein Husarenstück.

    Ihre durchaus mit Fehlern gespickte Fahrt war so schnell, dass sie der im Ziel bereits feiernden Anna Veith aus Österreich um eine einzige Hundertstelsekunde Gold entriss – und Tina Weirather aus Liechtenstein (elf Hundertstel zurück) Silber.

    Mit Lara Gut aus der Schweiz kegelte die Sensationssiegerin aus Prag eine weitere renommierte Skifahrerin komplett aus den Medaillenrängen. Ungläubig hatte Ledecká im Ziel über zehn Sekunden Richtung Anzeigetafel gestarrt, dachte an einen Fehler der Zeitmessung. Erst dann realisierte sie, dass sie die Ski-Welt für kurze Zeit auf den Kopf gestellt hatte.

    Wer ist diese Ester Ledecká, die als erste Wintersportlerin auf zwei verschiedenen Sportgeräten in zwei verschiedenen Disziplinen antritt – und dann auch noch gewinnt? Selina Jörg aus Sonthofen kennt Ledecká seit Jahren. Die 30-jährige Allgäuerin, derzeit beste deutsche Alpin-Snowboarderin, konnte nicht glauben, was sie da im Live-Ticker („im koreanischen Fernsehen kommt ja nur Eiskunstlauf und Shorttrack“) mitverfolgte: „Dieser Sieg ist eine echte Sensation – und Ester ein Jahrhunderttalent.“

    Für Jörg wäre es unvorstellbar, zwischen zwei Sportarten ständig hin- und herzuwechseln. Im Training. In den Rennen. Bei Olympia. „Wir fragen uns auch, wie sie das schafft“, sagt sie, „ich fahre jetzt schon ein paar Jahre Snowboard – und habe genug zu tun, mich darauf zu konzentrieren.“ Zwischenmenschlich sei Ledecká eher ein bisschen unnahbar, ziehe eben ihr Ding durch, berichtet Jörg.

    Eigentlich war die Tschechin nach Korea gereist, um am Samstag (4 Uhr/MEZ) Jörg und die anderen Widersacherinnen im Snowboard-Parallel-Riesenslalom zu bezwingen. Womit sie nicht gerechnet hatte: Dass sie dann bereits einen Olympia-Titel in der Tasche hat. Selina Jörg würde es nicht wundern, wenn Ledecká Doppel-Olympiasiegerin werden würde. „Sie ist auf dem Board in brutaler Form, die absolute Topfavoritin.“ Fünf Weltcup-Siege in dieser Saison seien Beweis genug – jetzt käme auch noch die Euphorie und das Selbstvertrauen vom alpinen Super-G dazu.

    Jörg rechnet auch damit, dass sie ihre tschechische Kollegin am Mittwoch (ab 3 Uhr/MEZ) bei der alpinen Abfahrt startet. Ihre Einschätzung: „Noch einmal aufs Podium zu fahren, wird sicher schwer, aber ein Platz in den Top Ten ist auf jeden Fall drin.“

    Leicht düpiert fühlten sich die Alpin-Spezialistinnen: Die US-Amerikanerin Lindsey Vonn, die nur Sechste wurde, meinte: „Es ist schon ein bisschen enttäuschend für mich, von einer Snowboarderin geschlagen zu werden.“

    Viktoria Rebensburg, am Ende Zehnte, fand’s dagegen „einfach nur cool“. Ledecká habe in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Das würde die Faszination von Olympischen Spielen ausmachen: „Wahnsinn, wenn Außenseiter den Tag ihres Lebens haben, die perfekten Umstände nutzen und einen so geilen Lauf runterziehen. Chapeau!“

    Die Sensationssiegerin fiel bei der Pressekonferenz weniger durch ihre Aussagen auf („Immer wenn ich am Start stehe, will ich gewinnen“ oder „Bis heute dachte ich, ich sei eine bessere Snowboarderin“), als vielmehr durch ihr Outfit: Wintermütze und Skibrille verdeckten mehr als die Hälfte ihres Gesichts.

    Und das aus einem einfachen Grund: „Ich war darauf nicht vorbereitet wie die anderen Mädels. Ich trage kein Make-up.“ Sprach’s – und verschwand zum Snowboard-Training.

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