Sonntagnacht war Sideris Tasiadis erst aus Italien heimgekommen, am Montagvormittag war der Augsburger schon wieder unterwegs. Zum Impfen nach München. An sich ist ein solcher Termin für viele Menschen dieser Tage erfreulich, hoffen sie doch, so ihr normales Leben zurückzubekommen. Eines ohne Corona-Einschränkungen. Für Tasiadis war aber nicht nur das Impfen erfreulich, vor allem auch der Anlass dafür. Ehe Team Deutschland im Sommer zu den Olympischen Spielen nach Tokio reist, werden dessen Mitglieder geimpft. Eben ein solches ist Tasiadis.
Bei der Europameisterschaft im italienischen Ivrea qualifizierte sich der 31-Jährige für die Wettkämpfe, die Ende Juli in Japan beginnen sollen. Nach London und Rio wird der erfolgreiche Slalomkanute zum dritten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen. „Ich freue mich riesig“, sagt Tasiadis. Die Flut an Glückwünschen, Anrufen und Kurznachrichten konnte er am Sonntag gar nicht bewältigen, berichtet er.
Kanute aus Augsburg: Sideris Tasiadis hat auf die Teilnahme in Tokio hingearbeitet
Im Finale ging Tasiadis volles Risiko. „Ich habe mir gedacht: Alles oder nichts. Und das ist mir ganz gut gelungen.“ Hinter dem Franzosen Denis Gargaud Chanut und dem Slowenen Matej Benus holte sich der Augsburger die Bronzemedaille. Das genügte, um den Olympia-Quotenplatz zu sichern. Tasiadis’ Plan war aufgegangenen, auf den Punkt genau rief er die beste Leistung ab. „Darauf habe ich hingearbeitet“, betont Tasiadis. Jetzt weiß der Canadierfahrer, warum er sich im Winter, bei eisigen Temperaturen, den Augsburger Wildwasserkanal hinunterstürzte. Weil es sich lohnen kann.
Wie die Impfung am Montag zeigte, beginnt nahtlos die Vorbereitung auf den sportlichen Höhepunkt dieses Jahres. Weil er längere Zeit auf Regeneration verzichten musste, gönnt er sich eine Woche der Ruhe. „Das ist jetzt vernünftig, dass ich pausiere“, sagt er. Dann wird er das Training nochmals intensivieren.
Tasiadis ist ein erfahrener Leistungssportler. Über Jahre hinweg hat er gelernt, was sein Körper braucht. Und was nicht. Wann er sich quälen muss, wann er die Beine hochlegen kann. Auch die Vorbereitung auf Olympia wird der Polizist aus der Sportfördergruppe routiniert angehen. Aus Sicht von Tasiadis macht es Sinn, die Herangehensweise beizubehalten. Einerseits fehle die Zeit, Abläufen zu verändern, erzählt er. Andererseits ähnelt die Ausgangslage der vor der EM in Italien. Tasiadis betont: „Letztlich geht es darum, auf den Punkt seine Leistung abrufen zu können.“
Sideris Tasiadis hat bei Olympia 2012 in London die Silbermedaille gewonnen
Dass er dazu im Stande ist, hat er zweimal bewiesen. 2012 gewann er bei seiner Olympia-Premiere in London Silber, 2016 verpasste er in Rio als Fünfter knapp die Medaillenränge. In Tokio wird er sich erneut mit hohen Erwartungen in sein Boot setzen. Ob es diesmal sogar zu Gold reicht? Tasiadis verweist auf starke Konkurrenz und das ausgeglichene Starterfeld. Betont aber auch: „Das Ziel ist klar. Jeder Sportler, der an den Start geht, will seine bestmögliche Leistung zeigen.“
Als Generalprobe dienen die letzten Weltcups dieser Saison, erst im tschechischen Prag, dann das deutsche Heimspiel im sächsischen Markkleeberg. „Dort geht es darum, Sicherheit zu bekommen“, erklärt Tasiadis. In diesen Wettkämpfe vor Tokio will er sich testen. Wie viel Risiko kann er eingehen, ohne Fehler zu provozieren?
Knapp drei Wochen vor Beginn der Spiele wird Tasiadis nach Tokio reisen. So der Plan. Die Sportler dürfen auf der Strecke testen. Tasiadis kennt den Kurs aus einem Trainingslehrgang, vergleicht diesen mit jenem in Rio. Gewöhnungsbedürftig wird auch die Atmosphäre sein. Tasiadis stellt sich auf Stimmung wie bei einem Fußball-Geisterspiel ein. Die Spiele werden ohne ausländische Zuschauer stattfinden, womöglich auch ohne japanische.
Tasiadis erinnert sich an seine bisherigen Spiele, an die Besuche anderer Wettkämpfe. Darauf wird er verzichten müssen. Vor allem das Leben im Olympischen Dorf wird sich unterscheiden. Bislang diente dieses als Begegnungsstätte für Menschen aus aller Welt, dort schlossen sie Bekannt- und Freundschaften, dort pflegten sie den Olympischen Gedanken, das Dabeisein ist alles. Diesmal wollen die Organisatoren das Gegenteil bewirken. Möglichst selten sollen sich Sportler über den Weg laufen. „Ich rechne damit, dass man sich nicht mehr frei bewegen kann. Darauf wird bestimmt geachtet werden“, sagt Tasiadis.
Der Augsburger hofft, mit Erfolgen nicht nur sich, sondern auch seine Sportart in den Vordergrund zu rücken. In Augsburg werden Tasiadis (Kanu Schwaben Augsburg) oder Hannes Aigner (Augsburger Kajak Verein), der ebenfalls für Tokio qualifiziert ist, erkannt, darüber hinaus zählt Kanu zu jenen Sportarten, für die Olympia alle vier Jahre als große Bühne dient. In Tokio dabei ist ebenso die Wahl-Augsburgerin Ricarda Funk, die für Bad Kreuznach startet. „Wir können Werbung in eigener Sache betreiben“, sagt Tasiadis. Erst recht, wenn er eine weitere Medaillen gewinnt.
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