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Serie: Und immer wieder die Deutschen

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Und immer wieder die Deutschen

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    Danzig Es ist wieder einmal Zeit, an den Engländer Gary Lineker zu erinnern. Dem ehemaligen Nationalspieler und Gelegenheitsphilosophen zufolge ist Fußball ein Spiel, bei dem 22 Akteure 90 Minuten hinter dem Ball herlaufen und am Ende immer Deutschland gewinnt. Das ist natürlich übertrieben, weil die Deutschen zwischendurch auch einmal verlieren, andernfalls läge ihr letzter großer Titelerfolg, der EM-Triumph in England, nicht schon 16 Jahre zurück.

    Was der Lineker-Spruch aus den 90er Jahren besagt, wiederholt sich bei dieser Europameisterschaft. Die Deutschen sind der Konkurrenz wieder einmal unheimlich geworden. Sie haben keinen Ronaldo, verteidigen nicht so kompromisslos wie die Italiener und kombinieren nicht so perfekt wie die Spanier. Sie haben die mit Abstand jüngste Mannschaft des Turniers (Durchschnittsalter: 24,4 Jahre). Trotzdem wirken sie kompakt und physisch stark, strahlen Ruhe und Selbstbewusstsein aus.

    Die Zeiten, in denen es hieß, die Deutschen würden zwar gegen die Kleinen gewinnen, aber an den Großen scheitern, sind seit 2010 vorbei. Damals warf die DFB-Auswahl Engländer und Argentinier aus dem WM-Turnier. Dieses Mal bezwang sie Portugiesen und Niederländer. „Partien, die wir früher mit einem Unentschieden über die Zeit gebracht hätten, gewinnen wir heute“, beschreibt Joachim Löw die Entwicklung seiner Truppe, die alle zurückliegenden 15 Pflichtspiele gewonnen hat. Eine Erfolgsserie, die noch nie einer Nationalmannschaft gelungen ist.

    Im Halbfinale am Donnerstag in Warschau (20.45 Uhr) trifft Deutschland auf Italien, das gestern Abend England nach 120 torlosen Minuten im Elfmeterschießen bezwungen hat. Hätten sich die Deutschen ihren nächsten Gegner aussuchen dürfen, die Wahl wäre wohl auf die Engländer gefallen. Aber die Mannschaft von der Insel hatte gegen die starken

    Mit Italien verbinden die Deutschen vor allem die bittere 0:2-Niederlage aus dem Halbfinale der WM 2006 in Deutschland. „Natürlich denkt man jetzt daran“, räumt Philipp Lahm ein. „Andererseits“, betont der Kapitän, „waren wir 2006 noch nicht so weit, wie wir heute sind.“ Joachim Löw hat dagegen die aktuelle italienische Auswahl im Blick: „Die Italiener stehen defensiv gut stehen und haben schnelle Stürmer“, charakterisiert der Bundes- trainer die Stärken des Halbfinalgegners. Sollte die deutsche Mannschaft auch ihr 16. Spiel hintereinander gewinnen, prophezeit

    So etwas Ähnliches haben allerdings auch Spaniens Trainer Vicente del Bosque und Griechenlands Coach Fernando Santos über die Deutschen gesagt. Griechenland war der Auswahl von Joachim Löw im Viertelfinale deutlich klarer unterlegen, als es das Ergebnis von 2:4 aussagt. Der Außenseiter hatte zwar die Halbzeitführung durch Lahm (19.) ausgeglichen (Samaras, 55.), anschließend allerdings entschieden Khedira (61.), Klose (68.) und Reus (74.) die Partie, ehe Salpingidis ein Handelfmeter-Geschenk (89.) zum 2:4 verwandelte.

    Löw („Die Zeit war reif, etwas zu ändern“) hatte seine Startelf gegenüber dem Dänemark-Spiel auf vier Positionen umgebaut. Reus, Schürrle, Klose und Boateng spielten für Podolski, Müller, Gomez und Bender. Die Überraschung verpuffte allerdings, weil die Medien bereits am Mittag Bescheid wussten.

    Jemand hatte die Wechsel wieder nach außen getragen. Auch vor dem EM-Auftakt gegen Portugal war die Aufstellung Stunden vorher bekannt gewesen. Löw hatte den Spielern damals das Versprechen abgenommen, nicht zu plaudern, weshalb er später versicherte: „Von den Spielern kommt das nicht.“ Nicht direkt vielleicht. Möglicherweise aber über den Umweg eines Beraters oder eines anderen Dritten. Auch gestern, am ersten freien Tag, den die Spieler mit ihren Frauen und Familien verbrachten, war der Maulwurf Gesprächsthema.

    „Irgendwo muss wohl ein Leck sein“, kommentierte Schürrle die ärgerliche Geschichte. Löw hat zwar nach außen verkündet: „Letztendlich werden wir das nicht herausbekommen.“ Im Innern aber, das darf man vermuten, wird alles getan, die Lücke zu schließen. Schließlich schädigt der Maulwurf die Mannschaft nicht nur sportlich. Er demontiert auch das Vertrauensverhältnis und das Bild von der deutschen Fußball-Einheit in Danzig. In der Politik sind solche Geschichten alltäglich. Merkel durfte sich bei ihrem Besuch also in vertrauter Umgebung fühlen. Die Kanzlerin war zudem als Maskottchen wieder erfolgreich gewesen. Im Halbfinale allerdings muss Deutschland ohne Merkel antreten. Erreicht die DFB-Elf das Finale, kommt sie wieder. Das Endspiel will hart verdient sein.

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