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Serie "Schwarze Schafe": Wie Eric Cantona versuchte, sich in die Herzen der Fans zu treten

Serie "Schwarze Schafe"

Wie Eric Cantona versuchte, sich in die Herzen der Fans zu treten

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    Eric Cantona: Irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn.
    Eric Cantona: Irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Foto: Martin Rickett/PA Wire (dpa)

    Was ein gewisser Matthew Simmons mit seinen unbedachten Worten auslösen sollte, dessen war sich der Fan von Crystal Palace nicht bewusst. Noch heute bestreitet er jene Provokation, die in einen der größten Fußball-Skandale mündete. In einem Interview sprach Simmons von einer "Lüge" und betonte: "Cantona ist und bleibt ein Dreckskerl." Cantona also. Einer der schillerndsten Fußballprofis, der je auf dem Erdball wirkte.

    Im Premier-League-Spiel hatte Manchesters wuchtiger Angreifer die Rote Karte gesehen. Er, "Le Roi", der König. Folglich eine Art Majestätsbeleidigung. Wegen eines aus seiner Sicht harmlosen Remplers. Cantona klappte den Kragen seines Trikots herunter und wollte gerade Richtung Kabine trotten, da schnappte er im Gegröle gegnerischer Fans die vermeintlichen Beleidigungen Simmons’ auf. Cantona selbst, seine Mutter und seine Herkunft sollen Gegenstand der Beschimpfungen gewesen sein.

    Sir Alex Ferguson war wenig überrascht

    Und wie reagierte Cantona? Der aufbrausende United-Profi stürmte los, drückte sich in die Luft und rammte mithilfe eines Kung-Fu-Tritts dem Fan den Fuß in die Brust. Dabei beließ er es nicht. Nach diesem Gewaltausbruch rappelte sich der Übeltäter auf und schlug mit den Fäusten zu. Die Bilder dieses skandalösen Ausrasters gingen um die Welt.

    Uniteds Trainer Alex Ferguson schien Cantonas verstörendes Verhalten hingegen weit weniger zu überraschen. „Wenn er meint, dass ihm auf dem Platz Unrecht geschieht, kann er für Sekunden jegliche Kontrolle verlieren“, sagte die Trainerlegende einmal über den exzentrischen Franzosen. „Dann nimmt er das Gesetz in die eigene Hand – und wir sind machtlos.“

    Rund 25 Jahre ist der Vorfall inzwischen her, als reuigen Sünder wird Cantona jedoch niemand erleben. Im Gegenteil. Cantona ist geradezu stolz darauf, was er damals getan hat, einmal sprach er gar vom "Höhepunkt seiner Karriere". Damit wollte er die Fans glücklich machen, begründete er. "Vielleicht träumen viele davon, diese Art von Menschen zu treten. Ich habe es für sie getan. Das gibt ihnen eine Art von Freiheit." Später legte er verbal nochmals nach, in einem Interview bedauerte er, den Palace-Fan nicht noch härter getroffen zu haben.

    Cantona spielte nicht, er regierte

    Selbst eine drakonische Strafe läuterte Cantona nicht. Nur knapp entging er später einem Gefängnisaufenthalt, monatelang wurde er gesperrt und musste 120 Sozialstunden ableisten. An seiner grundsätzlichen Lebensauffassung änderte all dies nichts. Positiv ausgedrückt könnte man sagen: Cantona blieb sich immer treu.

    Selten waren in einem Profisportler Genie und Wahnsinn derart miteinander verwoben. Wie ein Pfau stolzierte Cantona mit hochgeklapptem Trikotkragen und durchgedrücktem Rücken über den Rasen; divengleich seine Gestik und Mimik. Fußball spielte er nicht, er inszenierte und regierte auf dem Rasen. Und nahm sich jegliche Freiheiten. Berüchtigt war er für seinen Jähzorn, er wütete mitunter, schlug Gegner oder eigene Mitspieler, bespuckte gegnerische Fans und bepöbelte seine Trainer.

    Manchester-Fans wählten ihn zum Spieler des Jahrhunderts

    Andererseits war er gnadenloser Vollstrecker vor des Gegners Tor und erzielte in 182 Spielen 82 Treffer für die Red Devils. United-Anhänger verehrten ihn, weil er den Traditionsklub in den 90er Jahren aus der Bedeutungslosigkeit holte. Vier Meisterschaften feierte Manchester unter der Herrschaft seines "King Eric". Im Gegenzug sahen die Anhänger über Eskapaden und Extravaganzen hinweg, die seine Karriere begleiteten, teils sogar prägten. Im Old Trafford blieb er ein Held, den Status dokumentiert eine Auszeichnung: Trotz George Best oder Bobby Charlton wählten die United-Fans Cantona zu ihrem "Spieler des Jahrhunderts".

    Der Sohn spanischer und italienischer Immigranten, der in Marseille geboren wurde, blieb auch nach der Sportlerkarriere ein Freigeist. Er engagierte sich politisch und beweist nach Ende seiner Fußballkarriere als Schauspieler Talent. Vor allem in seiner französischen Heimat ist er weiterhin populär. Über die Landesgrenzen hinaus kennen Cantona Menschen vorwiegend wegen seines skandalösen Kung-Fu-Tritts.

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