Am 27. Mai feiert Paul Gascoigne seinen 53. Geburtstag. Das ist für gewöhnlich kein besonderes Datum. In seinem Fall aber doch. Denn lange Zeit war nicht zu erwarten gewesen, dass Gascoigne überhaupt annähernd so alt wird. Jede der immer selteneren Nachrichten über ihn, die aus England zu uns kamen, konnte damals die letzte sein.
Gascoigne hat jahrzehntelang alles dafür getan, seinem Leben ein frühes Ende zu bereiten. Erstaunlicherweise hat er es nicht geschafft, wofür jeder dem Schicksal dankt, der dieses fußballerische Gesamtkunstwerk in den achtziger Jahren spielen gesehen hat. Wenn es zu dieser Zeit einen Grund gab, englischen Fußball zu verfolgen, dann wegen Gascoigne.
Paul Gascoigne: Ein Provokateur und Clown
Ein Frühreifer, der mit 17 bei Newcastle United den Durchbruch schaffte. Weil er dort, trotz starker Leistungen, keine Chance auf die internationale Karriere sah, wechselte er zu Tottenham Hotspur. Jenseits der Seitenlinien allerdings blieb er ein Spätentwickler. Ein Provokateur und Clown. Ein großes Kind, das sich nicht um Regeln scherte und ein Leben in der Tradition britischer Fußball-Alkoholiker führte. Trotzdem gelang es ihm anfangs nicht, sein Talent zu ersäufen.
1988 debütierte er in der Nationalmannschaft. Beim WM-Turnier in Italien war er einer der überragenden Mittelfeldspieler, führte England ins Halbfinale, wo die Three Lions im Elfmeterschießen an Deutschland scheiterten. Zuvor hatte er in dieser Partie die Gelbe Karte gesehen und wäre bei einem Einzug ins Finale gesperrt gewesen. Eine Erkenntnis, die dem wilden Kerl die Tränen in die Augen trieb und seine Popularität zu Hause noch weiter steigerte. 1990 wurde Gascoigne Englands Sportler des Jahres. Doch er blieb ein exzessiver Charakter. Einmal schlägt er seine Ehefrau im Rausch krankenhausreif. Als ihn Nationaltrainer Glenn Hoddle nicht zur WM 1998 mitnimmt, zerlegt er kurzerhand dessen Hotelzimmer.
Nach der Fußballkarriere folgen Depressionen, Gewalt, Alkohol, Drogen und Klinikaufenthalte
Nach dem Karriereende gelang Gazza, wie ihn seine Fans nennen, nichts mehr. Es folgten Depressionen, Gewalt, Alkohol, Drogen und Klinikaufenthalte. Seine Frau ließ sich 1998 scheiden. Sein geliebter Neffe nahm sich mit 22 das Leben. Es folgen eine Lebensmittelvergiftung, ein Magengeschwür, eine Lungenentzündung. Seine Karriere ist vorbei. Er ist arbeitslos.
Doch England verehrt ihn weiter. Er selbst? Erzählt seinen Landsleuten auf der alkoholseligen Insel am eigenen Beispiel, wie besinnungsloses Saufen einzigartige Talente zerstört („Wie ich Gazza wurde“). 2015 erschien der Film „Gascoigne“ über sein wildes Leben.
Dieser Artikel ist Teil der Serie "Schwarze Schafe des Sports". Sie erscheint in loser Abfolge.
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