Italien – Anfang der 1960er Jahre für viele Westdeutsche das Ziel der Träume. Das Wirtschaftswunder erlaubte Urlaub am Teutonengrill. Rimini oder Jesolo waren die Reiseziele. Die abenteuerlichen Fahrten über die Alpen im vollbepackten Kleinwagen, erstmals Spaghetti gegessen – dies alles bleibt im Gedächtnis einer ganzen Generation von Bundesbürgern hängen.
Auch mein Vater fuhr damals sehr oft über den alten Brennerpass, die Autobahn samt Europabrücke gab es noch nicht. Er hatte beruflich in Mittelitalien zu tun. Und immer wenn er nach Hause kam, berichtete er mir voller Stolz, wie begeistert die Italiener von Helmut Haller waren, wie ihn die Tifosi verehrten. Haller war einer von uns, einer, der aus der Heimat meines Vaters kam. Das wussten sie im Süden natürlich, und vermutlich waren sie damals zu meinem Vater noch eine Spur freundlicher, als sie es ohnehin gewesen sind.
Auch für mich war Helmut Haller bald ein Idol, vor allen Dingen nach der Weltmeisterschaft in England. 1966, als er fast die ganze Welt mit seiner Spielkunst faszinierte. Bereits 1964 sah ich ihn, den großen Virtuosen, erstmals live spielen. Es war im Juli, als er mit seinen Augsburger Saunafreunden zu einem Freundschaftsspiel in Bäumenheim bei Donauwörth gastierte. Der kleine Sportplatz konnte die Besucher kaum fassen, der Weltstar war sich nicht zu schade, in einem Team mit Amateuren in der Provinz zu spielen. Er hatte Spaß.
Ein Star zum Anfassen
Ich war 19, als der große Ballzauberer 1973 zum FCA zurückkehrte und in seiner Heimat eine Fußballeuphorie entfachte, wie es sie vorher nicht gab. Obwohl er seinen Heimatverein beinahe in die erste Bundesliga geführt hätte, blieb der „Hemad“, wie sie den schmächtigen Burschen als Kind genannt hatten, ein Star zum Anfassen.
Die Fans strömten in Massen in die Stadien, jubelten dem „Mann mit den goldenen Beinen“ zu. Er faszinierte mich mit seiner Art Fußball zu spielen und auch durch seinen Umgang mit den Fans. Kein Autogrammwunsch war ihm zu viel.
Anfang der 1980er Jahre lernte ich ihn beruflich kennen. Als Sportredakteur durfte ich über Mannschaften und Vereine schreiben, bei denen er als Trainer oder Funktionär arbeitete. Er war nicht mit allen Artikeln einverstanden. „Was hosch denn do wieder gschrieba“, sagte er, wenn er den Auftritt seines Teams etwas positiver gesehen hatte, als ich es in meinem Artikel geschrieben hatte. Doch das war nicht böse gemeint, nachtragend war er nie. Und so entwickelte sich über die Jahre hinweg ein gutes Verhältnis. Ich durfte mit ihm und seinem Freund Renato Cecini nach Turin zum Duell zwischen Juve und den Dortmunder Borussen fahren. Ich erlebte unvergessliche Momente. Etwa im Juventus-Trainingszentrum. Für Journalisten eigentlich eine Tabuzone. Helmut stellte mich dem damaligen Turiner Trainer Trapattoni und dem italienischen Superstar Roberto Baggio vor.
Am Donnerstag ist Helmut Haller gestorben. Zurück bleiben Menschen, die, wie ich, dankbar sind für die Zeit, die sie mit ihm erleben durften. Grazie Helmut.