Wer wirklich schuld ist am Weggang der Schalker Identifikationsfigur Benedikt Höwedes, wird für Außenstehende offenbleiben. War es Trainer-Neuling Domenico Tedesco, der Höwedes erst das Kapitänsamt entzog und ihn dann auf der Bank schmoren ließ? Oder war sich der gekränkte Weltmeister zu schade für den Konkurrenzkampf?
Benedikt Höwedes, aufgewachsen in Haltern am See bei Gelsenkirchen, war 16 Jahre lang Mitglied der Schalke-Familie. Sein Vater Wilfried war Jugendtrainer beim TuS Haltern. Dort, wo auch der Sprössling erstmals gegen einen Ball trat. 2008 bestand Höwedes das Abitur. Damals hatte er bereits einen Profivertrag unterschrieben und spielte in der Champions League. 2015 heiratete er seine langjährige Freundin Lisa – und zwar ganz ohne Schlagzeilen. Nachdem er 2014 mit der Nationalmannschaft den WM-Titel gewonnen hatte, entschied er sich bei Schalke 04 für einen VW Beetle als Dienstwagen. Die Kollegen fuhren Oberklasse. Höwedes aber steht nicht auf Statussymbole. Eines seiner wenigen Zugeständnisse an Äußerliches: Als ihn mit 26 rasant das Stirnhaar verließ, gönnte er sich eine Haartransplantation.
Der 29-Jährige, dessen Geburtstag auf den 29. Februar fällt, war eine Führungsfigur seiner Mannschaft. Ein Lautsprecher aber ist er nicht. Höwedes ist bodenständig. Außerhalb des Platzes ist er Botschafter der „Deutschen Krebshilfe“, er setzt sich gegen das Rauchen ein, engagiert sich zudem in der Initiative „Weitblick“ für weltweite Bildung von Kindern.
Bei der WM 2014 verpasste Benedikt Höwedes keine Sekunde
Auch wenn er gelegentlich mit einem Wechsel nach England liebäugelte – konkret wurde es vor zwei Jahren mit dem FC Arsenal – blieb er seinen Schalkern treu, deren Identität vom Malocherklub sich exzellent mit Höwedes grundsolider Arbeitsauffassung vereinbaren ließ.
Nach Manuel Neuers Abgang zu Bayern München wurde Höwedes 2011 Kapitän auf Schalke – bis Tedesco ihn vor wenigen Wochen absetzte. Nachdem der 31-jährige Trainer mit der an Höwedes gerichteten Aussage „Reisende soll man nicht aufhalten“ beim eigenen Anhang für Missmut gesorgt hatte, reagierte Höwedes via Facebook gekränkt: „Reisende kann man aufhalten, wenn man will.“
Jetzt ist er weg – und vielleicht ist das ja auch gut so. Um wieder in den Fokus der Nationalelf zu geraten, die ihre beiden WM-Qualifikationsspiele ohne den ausgeladenen Weltmeister bestreitet, muss der 29-Jährige wieder einen festen Arbeitsplatz vorweisen. „Wenn er bei Juventus Turin spielt, ist er bei uns immer ein Thema, weil ich weiß, was er kann“, macht Bundestrainer Joachim Löw dem Italien-Auswanderer Hoffnung. Löw weiß, dass er sich auf den Abwehrspieler verlassen kann. Als Deutschland bei der WM 2014 in Brasilien den Titel gewann, war Höwedes einer von nur drei deutschen Kickern, die keine einzige Sekunde verpasst haben.