Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Paralympics: Zwei Afghanen am Ziel

Paralympics

Zwei Afghanen am Ziel

    • |
    Mangels afghanischer Sportler trägt ein Volunteer bei der Eröffnungszeremonie die Flagge Afghanistans. Inzwischen sind auch zwei Athleten aus dem Land in Tokio eingetroffen.
    Mangels afghanischer Sportler trägt ein Volunteer bei der Eröffnungszeremonie die Flagge Afghanistans. Inzwischen sind auch zwei Athleten aus dem Land in Tokio eingetroffen. Foto: Alex Pantling, Getty

    Kurz vor der Eröffnung der Paralympics sagte das Team aus Afghanistan seine Teilnahme ab. Am Wochenende verkündete das IPC dann eine Überraschung: Die zwei Athleten seien nun doch in Tokio angekommen. Es ist eine Sensation, die den Veranstaltern ganz besonders gefällt.

    „Wie Sie sich vorstellen können, war das Zusammentreffen extrem emotional. Es flossen viele Tränen, von jedem im Raum“, sagt Craig Spence und beginnt selbst zu schluchzen. „Es war wirklich, wirklich ein bemerkenswertes Treffen. Wenn man Bilder gesehen hat, wie die Athleten am Flughafen evakuiert wurden, und man sie dann persönlich trifft… wenn sie dann ins Paralympische Dorf ziehen… das ist so groß. Ich glaube, das werde ich nie vergessen. Es unterstreicht die Fähigkeit des Sports, die Menschheit zusammenzubringen.“

    Der Vortrag des Sprechers des Internationalen Paralympischen Komitees war an Emotionalität kaum zu übertreffen

    Der Vortrag von Spence, Sprecher des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), war an Emotionalität kaum zu übertreffen. Samstagnacht war die zweiköpfige Delegation aus Afghanistan, die wegen der täglich weiter eskalierenden Konfliktsituation im eigenen Land eigentlich schon ihre Teilnahme abgesagt hatte, doch noch in Tokio eingetroffen. Zuvor waren die zwei Athleten über Kabul nach Paris evakuiert worden, von wo sie dann mit einer Maschine von Air France an den Austragungsort der Paralympics geflogen waren.

    Am Sonntag, wenige Stunden nach der Ankunft, berichtete von diesen Details minutiös auf einer Pressekonferenz, behauptete dann aber: „Hier geht es nicht um Medienberichterstattung.“ Die Taekwondo-Kämpfer Zakia Khudadi und Hossain Rasouli seien in Tokio, um ihren Traum von den Paralympics zu erfüllen. „Das IPC ist eine Organisation, die sich auf Athleten konzentriert“, sagte Spence und betonte dann gegenüber der anwesenden Presse: „Wir werden uns nicht von Ihrem Durst nach Storys treiben lassen. Nach ihren Wettkämpfen werden die beiden Athleten auch keine Interviews geben.“

    Dass Zakia Khudadi und Hossain Rasouli mit der Hilfe mehrerer Regierungen und Organisationen aus einem kollabierenden Staat in letzter Minute noch zu den Paralympischen geflogen worden sind, ist ein Coup, auf den die Paralympicsorganisatoren stolz sein können. Umso absurder wirkte die Behauptung des IPC-Sprechers Spence, auf einer vom IPC einberufenen Pressekonferenz, es gehe hier nicht um Medienberichterstattung. Zumal das IPC nicht nur im Fall der zwei afghanischen Athleten deren persönliche Geschichten in den Mittelpunkt stellt. Einige Tage zuvor stellte Teddy Katz, Presseattaché des IPC-Flüchtlingsteams, die sechs Athleten aus Burundi, Iran, Syrien und Afghanistan folgendermaßen vor: „Gewaltige Athleten, gewaltige Geschichten. Ein Team wie kein anderes.“

    Auch bei anderen Athletinnen und Athleten bemüht das IPC gern Narrative, die mit großen Rückschlägen beginnen, aber wegen des starken Willens der Athleten in Unbesiegbarkeit münden - denn sie sind ja hier, bei den Paralympics.

    Das Konzept der Paralympics zeigt Erfolge

    Das Konzept der Paralympics zeigt Erfolge. Bei den Spielen von London 2012 begann sich die größte Behindertensportveranstaltung der Welt unabhängig von den Olympischen Spielen zu vermarkten. Damals erarbeitete der britische TV-Kanal Channel 4 eine höchst populäre Kampagne mit dem Titel „Superhumans.“ Seit London sind die Paralympics deutlich gewachsen. Heute werden die Spiele in rund 150 Länder übertragen, in Japan strahlt der öffentliche Rundfunksender NHK mit rund 600 Stunden mehr aus als je ein Kanal im Gastgeberland zuvor.

    Dabei bleibt beim Versuch, ein besonders gelungenes Drehbuch zu schreiben, etwas auf der Strecke: Die Stimmen aller Athleten. Doch sobald es droht, kontrovers zu werden, drängelt sich das IPC schnell vor. Als vor einigen Tagen die Athleten des Flüchtlingsteams auf die notorisch flüchtlingsfeindliche Asylpolitik des Gastgeberlands Japan angesprochen wurden, blockte der Presseattaché Teddy Katz die Frage eilig ab, ehe die Sportler etwas dazu sagen konnten.

    Die nun anwesenden afghanischen Athleten, die allerhand Politisches zu erzählen haben dürften, sollen in Tokio keinen Satz mit Journalisten austauschen - im Widerspruch zur eigentlichen Pflicht der Athleten, nach einem Wettkampf immer durch die Mixed Zone zu gehen haben, wo Journalisten Fragen stellen können. Offiziell gibt es diese Ausnahme auf Wunsch der Athleten selbst, wie Craig Spence am Sonntag auf Nachfrage erklärte.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden