Es war ein besonderer Moment, als Markus Rehm 2014 im Ulmer Donaustadion zum Sprung in die Sandgrube ansetzte. Der mittlerweile 33-Jährige durfte damals an den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften teilnehmen. Und gewann. Es war ein kurzer Moment der Gleichheit. Denn seitdem kämpft Rehm einen Kampf, den er wohl nicht gewinnen kann. Er scheiterte 2016 und 2021 mit dem Versuch, an den Olympischen Spielen teilzunehmen – klagte sich durch alle Instanzen und verlor.
Bei Olympia in Tokio durfte Rehm nicht starten
Nach einem Unfall mit dem Wakeboard musste ihm im Alter von 14 Jahren das rechte Bein unterhalb des Knies abgenommen werden. Rehm steckte aber nicht auf, ganz im Gegenteil. Mit einer Karbonfeder ausgerüstet, eilt er seitdem von Sieg zu Sieg. 8,62 Meter weit sprang er im Juni dieses Jahres und verbesserte erneut seinen eigenen Weltrekord. Zum Vergleich: Der Olympiasieger von Tokio, Miltiadis Tentoglou aus Griechenland, landete bei 8,41 Metern. Noch mehr als durch seine sportlichen Leistungen macht Rehm aber mit seinem steten Kampf um Gleichberechtigung von sich reden.
Es steht der Verdacht im Raum, dass ihm seine Prothese, die wie eine Sprungfeder geformt ist, einen Vorteil verschafft. Eindeutig beweisen konnte das bisher noch kein Gutachten. Trotzdem verweigerte ihm der Leichtathletik-Weltverband für Tokio das Startrecht, der internationale Sportgerichtshof Cas bestätigte das Urteil. Dabei war die Hoffnung groß. „Es gibt jetzt keine rechtliche Grundlage mehr, mich von einer Teilnahme auszuschließen“, hatte Rehm vor Tokio gesagt. Hintergrund ist, dass die Beweislast kürzlich umgekehrt wurde. Inzwischen muss der Weltverband beweisen, dass der Sportler durch seine Prothese einen Vorteil hat. Rehms Hoffnung wurde enttäuscht und er sagte nach der Entscheidung: „Da wurde eine Chance vergeben, ein Zeichen für Inklusion zu setzen.“ Er habe ohnehin nur außer Konkurrenz starten wollen. Auf eine Urteilsbegründung wartet Rehm noch. Olympia ist längst vorbei.
Der Leichtathlet führt ein tolles Leben
Nun also die Paralympics, wo der Mann aus Göppingen haushoher Favorit in seiner Klasse ist. Er, der in der Schule stets der Sportler war, „ich musste immer alles vorzeigen und vorturnen“, sagt Rehm in einem Interview der Sporthilfe. „Und auf einmal wird man dieser Grundlage entzogen: Den gesunden Körper hatte ich nicht mehr.“ Nach dem folgenschweren Unfall habe er relativ schnell versucht, das Beste daraus zu machen. „Durch den Sport habe ich gemerkt, dass ich gar nicht so ,behindert‘ bin, wie es andere geglaubt haben. Das Wort mochte ich übrigens noch nie.“ Inzwischen lebe er als Sportler und auch in seinem Beruf als Orthopädietechniker ein tolles Leben. „Natürlich wünscht man dieses Schicksal niemandem, aber ich würde heute keine Medaille mehr eintauschen wollen für ein gesundes Bein.“