Zwei Jahre nach "Operation Aderlass", dem bisher größten Schlag von Doping-Fahndern, zieht der Oberstaatsanwalt Kai Gräber im Gespräch mit unserer Redaktion ein gemischtes Fazit: "Ich bin überzeugt davon, dass das kein Einzelfall war. Es ist zwar sicherlich nicht so, wie es die Verteidigung im Gerichtsverfahren versucht hat darzustellen. Dass der komplette Sport dopingverseucht ist. Dass Sportler, Trainer, Mediziner und Verbände hier Hand in Hand arbeiten und Dopingpraktiken vertuschen. So ist es dann doch nicht. Aber sicherlich ist Mark Schmidt kein Einzelfall."
Gräber hegt Zweifel daran, dass der Sport seitdem wirklich sauberer geworden ist: "Ich habe aber Zweifel, dass der Sport sauberer ist, als vor der Operation Aderlass. Ich hoffe einfach, dass in den Köpfen endlich ein gewisses Umdenken begonnen hat. Aber zu denken, dass die Operation eine durchschlagende Auswirkung auf die Dopingkultur haben wird, wäre wohl blauäugig.
Das harte Urteil gegen Doping-Arzt Mark Schmidt diente der Abschreckung
Das gesamte Verfahren und das harte Urteil gegen den Doping-Arzt Mark Schmidt dienten der Abschreckung. Gräber: "Künftig müssen sich Leute, die dopen wollen, die Frage stellen, ob sie dieses Risiko eingehen wollen."
Grundlage der Operation Aderlass war das Anti-Doping-Gesetz, das es in Deutschland seit Dezember 2015 gibt. Ganz perfekt ist dies aber noch nicht, findet auch Gräber: "Man hat feststellen müssen, dass man die Kronzeugenregelung deutlich erweitern wird müssen. Also auch auf die Athleten. Dass auch sie sich Strafmilderung oder Straffreiheit verschaffen können durch Kooperation." Das allein werde aber nicht genügen. "Wichtig wäre, dass es auch im Sportrecht eine entsprechende Regelung gibt. Der Sportler hat nur eine gewisse Anzahl an Jahren, in denen er mit dem Sport seinen Lebensunterhalt gestalten kann. Da bringt es ihm nichts, wenn er strafrechtlich nicht oder milde verfolgt wird, dafür dann aber sportrechtlich vier Jahre gesperrt ist. Wir müssen das harmonisieren."
Zudem plädiert Gräber dafür, die Höchststrafe von bisher zwei bzw. drei auf fünf Jahre hochzusetzen. "Einfach um auch da zu sagen: Ein Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz ist doch was anderes, als eine tätliche Beleidigung oder eine kleine Fundunterschlagung. Und man könnte durch eine höhere Höchststrafe auch den Anreiz erhöhen, sich durch Aussagen Strafmilderung zu verschaffen."
Die "Operation Aderlass" hätte beinahe "Ozapft is" geheißen
Fast wäre die Operation Aderlass übrigens unter einem ganz anderen Namen in die Geschichtsbücher der deutschen Rechtsprechung eingegangen. Gräber verriet in dem Interview: "Es ist immer so, dass bei größeren Geschichten der Operation ein Name gegeben wird. Es standen auch ein paar andere Namen im Raum, zum Beispiel "O‘zapft is". Aber sie haben sich dann doch für Aderlass entschieden."
Lesen Sie hier das komplette Interview: "Kein Einzelfall": Bayerns oberster Doping-Fahnder glaubt nicht an sauberen Sport
Das könnte Sie auch interessieren:
- Urteil gegen Doping-Arzt Mark S. laut Gericht rechtskräftig
- Verteidigung von Mark S. legt Revision ein
- Doping-Urteil soll Hintermänner abschrecken
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.