Am 1. September ist es genau 60 Jahre her, dass eine junge Fechterin die Stadt Augsburg und ihre Bürger in Verzückung versetzte und einen wahren Freudentaumel auslöste. Die 21-Jährige Heidi Schmid gewann bei den Olympischen Spielen in Rom völlig überraschend die Goldmedaille im Florettfechten und wurde auf einen Schlag weltberühmt. "Niemand hat etwas von mir erwartet. Ich nicht und sonst auch niemand. Als ich dann Olympiasiegerin war, waren alle überrascht – ich eingeschlossen", erzählte die heute 81-Jährige, die in ihrer Wahlheimat Augsburg lebt, seit sie nach dem Krieg mit ihren Eltern aus Österreich in die Stadt kam.
Mit 13 Jahren begann Heidi Schmid beim TSV Schwaben Augsburg mit dem Fechten. Mit dem Florett, der anspruchsvollsten der drei möglichen Waffen in diesem Sport. Denn beim Florett ist die Trefferfläche am Körper des Gegners im Gegensatz zu Degen und Säbel sehr begrenzt. Treffer zählen nur am Rumpf, nicht aber an Armen, Beinen und Kopf. Zudem zählen nur Treffer mit der Klingenspitze. Doch schnell zeigte sich, dass Heidi Schmid das Florett nahezu genauso filigran zu führen verstand wie den Bogen ihrer Geige. Die zweite Leidenschaft der Athletin, die sie später auch zu ihrem Beruf machte. Sie wurde Musikpädagogin und heiratete 1969 ihren Lehrerkollegen Hans Grundmann.
Da hatte die Olympionikin ihre sportliche Karriere aber schon fast abgeschlossen. Vier Mal ist sie in ihrer Karriere deutsche Einzel-Meisterin (1957, 1959, 1964 und 1968), 1961 Weltmeisterin und Studenten-Weltmeisterin geworden. 1964 kam noch Mannschafts-Bronze bei den Spielen in Tokio dazu.
120.000 Menschen jubeln am Straßenrand
Doch das olympische Einzel-Gold von Rom 1960 überstrahlte alles. In Augsburg stieß ihr Überraschungssieg auf eine Riesenbegeisterung. Rund 120.000 Menschen empfingen Heidi Schmid bei ihrer Rückkehr nach Augsburg, säumten die Straßen und jubelten ihr zu, als sie in einer offenen Limousine an der Seite von Oberbürgermeister Klaus Müller zum Empfang ins Augsburger Rosenaustadion fuhr. Feuerwerk und Gala-Dinner inklusive. "Es soll sogar Heidi-Plätzchen gegeben haben. Verrückt", sagte Grundmann-Schmid einmal. Für die bescheidene und bodenständige Pädagogin war der damalige Hype um ihre Person völlig unverstellbar, nahezu unbegreiflich. "Ich war so überrumpelt, dass ich mich gefühlt habe, als würde ich mir selbst zuschauen. In der Öffentlichkeit zu stehen, war nie so mein Ding."
So hat sich Heidi Grundmann-Schmid nach ihrer erfolgreichen Sport-Karriere ins Private zurückgezogen, hat sich der Erziehung ihrer Kinder Elke und Alexander gewidmet, Musik unterrichtet und mit ihrem Mann, der 2013 verstarb, die Welt bereist. Einmal im Jahr ist sie gern gesehener Gast bei der Augsburger Sportlerehrung, bei der die Olympiasieger der Stadt traditionell in der ersten Reihe sitzen.
Auch heute noch wird sie immer wieder auf ihre Medaille angesprochen, doch auch um diese macht die "Gold-Heidi", wie sie in Augsburg damals genannt wurde, kein großes Aufheben. Lange Zeit hatte sie das Edelmetall gar nicht mehr gefunden, dann zwischenzeitlich in einen Banksafe aufbewahrt. Die Goldlegierung blättert nach 60 Jahren zwar etwas ab, aber der ideellen Bedeutung für Heidi Grundmann-Schmid tut das keinen Abbruch. "Sie ist mir natürlich sehr viel wert. Ich wollte sie nur irgendwie nie zur Schau stellen oder präsentieren."
Auch Speerwerferin Brömmel war in Rom im Einsatz
Auch eine weitere Athletin, die seit langem ihren Lebensmittelpunkt in Augsburg hat, war bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom im Einsatz: die Speerwerferin Almut Brömmel. Auch heute noch, mit 85 Jahren, ist sie eine ehrgeizige Sportlerin, nimmt an Seniorenmeisterschaften teil und bildet als Trainerin engagiert den Werfernachwuchs aus.
Über ihren Auftritt in Rom hat sie selbst einmal geschrieben: "1960 in Rom schied ich leider schon in der Qualifikation aus. Die Vorbereitung mit dem Lernen fürs Staatsexamen sowie Mandel- und Blinddarmoperation hatten mein Training behindert. Als Mitfavoritin gehandelt, warf ich weit unter Wert und stand von da an auf der ,schwarzen Liste‘ des Verbandes."
Es waren die zweiten Olympischen Spiele, bei denen es nicht gut für sie lief. Vier Jahre zuvor hatte Brömmel im australischen Melbourne zwar die Qualifikation geschafft, schied aber im Vorkampf aus. Dafür durfte sie sich im späteren Verlauf ihrer Karriere über zahlreiche andere internationale und nationale Siege und Platzierungen im Seniorenbereich freuen.
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