Es ist die Erinnerung an das Jahr 2006, die den Gedanken von Sportfunktionären in diesen Tagen Flügel verleiht. Damals feierte Deutschland bei der Weltmeisterschaft ein Fußballfest. Nicht nur organisatorisch perfekt, wie es die Welt erwartete, sondern unverkrampft und fröhlich, wie es viele dem Land mit preußischer Vergangenheit nicht zugetraut hatten. Nach dem Abzug der Fußballer hatten viele ein anderes Bild von Deutschland.
Ein Sommermärchen, Teil zwei, wünscht sich die Führung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und will sich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für die Spiele 2024 bewerben. Es ist ein Marathon mit vielen Hürden, der außer taktischem Geschick vor allem einen langen Atem verlangt.
Die Hauptstadt oder das Tor zur Welt?
Im März will der DOSB entscheiden, wen er als Bewerber ins Rennen mit der internationalen Konkurrenz schickt. Zur Wahl stehen Berlin und Hamburg: die Hauptstadt der größten Wirtschaftsmacht Europas oder das kleinere Tor zur Welt mit seinem hanseatischen Charme.
Sommerspiele mit ihren über 10 000 Sportlern in 28 Disziplinen haben ein außergewöhnliches Flair, gerade weil sie alle vier Jahre auch jenen Athleten eine Plattform bieten, die im Alltag nur geringe Aufmerksamkeit genießen. London 2012 war für die Sportwelt ein berauschendes Erlebnis vor imposanter Kulisse.
Es gibt aber auch die andere Seite der olympischen Medaille. Das IOC gilt als selbstherrliche, undurchsichtige Geldsammelstelle mit häufig nicht nachvollziehbaren Entscheidungen. Heftigen Gegenwind spüren die Olympier vor allem bei der Vergabe ihrer Winterspiele. Zu teuer und zu zerstörerisch für die Natur, sagen immer mehr Betroffene in der westlichen Welt. Die Bewerbung Münchens für 2022 lehnten die Menschen in den befragten Alpen-Gemeinden in Bürgerentscheiden ab. Nach dem Rückzug der Norweger aus Oslo kann das IOC nur noch zwischen Peking und dem kasachischen Almaty wählen. Ein Armutszeugnis als Quittung für jahrelange Arroganz im Kreis des IOC!
Bach will Boden gutmachen
Thomas Bach aus Tauberbischofsheim, seit 2013 der Herr der Ringe, will deshalb mit einer vorsichtigen Reformagenda verlorenen Boden gutmachen. Positive PR aus der IOC-Zentrale in Lausanne hat der deutsche Bewerber für Sommer 2024 bitter nötig. Denn nach dem Jawort der DOSB-Mitglieder muss er sich dem Votum seiner Bewohner stellen. Aber noch ist die Olympia-Begeisterung in Berlin und Hamburg überschaubar, die Gegner machen mobil.
Nach den nationalen Hürden wartet der weltweite Wettstreit. 2017 will das IOC den Gastgeber für 2024 wählen. Favoriten wären dann nicht die deutschen Bewerber, sondern die Konkurrenten aus den USA. In Amerika sitzen wichtige Olympia-Sponsoren, aus Amerika kommt das üppige Fernsehgeld, Amerika war seit 1996 (Atlanta) nicht mehr Gastgeber – alles Argumente für einen Übersee-Kandidaten.
Fußball-EM und Olympia in einem Jahr?
Deutschland war 1972 in München letztmals olympisch. Für 2024 können dem DOSB nicht nur die internationalen Mitbewerber, sondern auch die heimischen Fußballer in die Quere kommen. Der sehr gut vernetzte DFB möchte die Endrunde der Europameisterschaft ausrichten und hat dafür beste Aussichten.
EM und Olympia in einem Jahr im selben Land – das ist nur für kühne Optimisten vorstellbar. Berlin oder Hamburg müssen sich darauf einstellen, dass die Bemühungen für 2024 nur ein erster Schritt für 2028 sein können. Die Erfahrung lehrt, dass das IOC Ausdauer belohnt.