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Olympia-Serie: Olympia 2021: Die Mehrheit der Tokioter will die Spiele nicht mehr

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Olympia 2021: Die Mehrheit der Tokioter will die Spiele nicht mehr

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    Die Radsportbahn, das olympische Velodrome in Tokio.
    Die Radsportbahn, das olympische Velodrome in Tokio. Foto: Witters

    Dass die Mehrheit in Japan die Spiele diesen Sommer nicht will, ist bekannt. Aber erwarten die Menschen, dass ihre ablehnende Haltung auch Gehör findet? Oder werden die Spiele trotzdem kommen? Zeit für eine Mini-Umfrage.

    „Wer weiß das schon…“, schreibt ein Tokioter Freund nach längerem Schweigen und schickt ein achselzuckendes Emoji hinterher. Auf meine Frage davor hatte er noch eine deutlichere Antwort: „Freust du dich auf Olympia diesen Sommer?“

    In diesem Pandemie-Sommer sind die Olympischen Spiele unpassend

    Er: „In normalen Zeiten hätte ich wahrscheinlich Ja gesagt. Aber in der Pandemie finde ich das unpassend.“ Daraufhin wollte ich wissen, ob er glaube, dass die Organisatoren dies bald auch noch so sehen werden und die Spiele absagen. Es folgte Unschlüssigkeit. Eine Prognose traute er sich nicht zu.

    Dabei ist dies doch die Frage, die im Moment nicht nur ganz Japan interessiert, sondern die ganze Sportwelt: Wird es im Sommer 2021 wirklich noch die Olympischen Spiele geben, die es schon 2020 nicht geben konnte? Dafür spricht das längst investierte Geld, das man nicht umsonst ausgegeben haben will.

    80 Prozent der Menschen in Tokio wollen kein Olympia

    Außerdem ist die Pandemie immer noch da. Aus diesem Gemisch ergibt sich ein erschütterndes Meinungsbild: Laut diversen Umfragen wollen seit einem Jahr zwischen zwei Drittel und 80 Prozent der Menschen in Japan für diesen Sommer kein Olympia in Tokio. „Aber was die Menschen denken, ist in Japan kein guter Indikator dafür, was am Ende passieren wird“, hat mich ein Politikprofessor vor eiligen Schlussfolgerungen gewarnt. Die Entscheidungsträger hörten eher auf gut organisierte Lobbys als aufs Volk.

    Dabei ist die Kritik an Olympia längst in jeden Winkel der Gesellschaft vorgedrungen. Glaubt wirklich noch jemand, dass die internationalste Sportveranstaltung der Welt einfach so stattfinden kann? Erhebungen zu dieser Frage sind nicht zu finden.

    Und weil Glücksspiel in Japan verboten ist, gibt es auch keine Wettanbieter, die hierzu Quoten errechnen. Zeit also für eine – nicht repräsentative – Mini-Umfrage im Tokioter Freundeskreis. Über Line, die in Japan üblichste Messaging-App, schicke ich diese Frage raus: Wird Olympia stattfinden?

    Kaum jemand in Japan erwartet, dass Olympia abgesagt wird

    „Ich befürchte, sie ziehen es mit Zwang durch“, schreibt eine Freundin, Ende 30. „Einige Bekannte von mir tippen auf die Absage. Aber ich glaub’ nicht dran“, sagt ein älterer Mann. „Nach dem Atomdesaster von Fukushima war das ganze Land gegen Atomkraft. Aber die Regierung hat trotzdem keinen Ausstieg gemacht“, begründet ein anderer seinen Pessimismus. „Deswegen wird auch Olympia nicht abgesagt werden.“ Unter zehn befragten Personen erwartet niemand, dass Olympia ausfallen wird, obwohl die meisten es hoffen.

    Und die Organisatoren? Die haben immer wieder beteuert, die Unterstützung der Bevölkerung sei wichtig für den Erfolg der Spiele. Auf meine Frage, ob dann nicht ein Referendum über die Austragung angebracht wäre, wollten sie aber nicht eingehen.

    Unser Reporter Felix Lill lebt und arbeitet in Tokio.
    Unser Reporter Felix Lill lebt und arbeitet in Tokio. Foto: Witters

    Zur Serie: Als im Herbst 2012 die Olympischen Spiele endeten, zog unser Autor Felix Lill von der damaligen Olympiagastgeberstadt London nach Tokio. Ein Jahr später erhielt die japanische Hauptstadt den Zuschlag für die 2020er Spiele, deren einerseits gradlinigen, andererseits aber auch holprigen Vorbereitungen er seitdem begleitet. An dieser Stelle berichtet er nun wöchentlich, bis zum geplanten Olympiastart am 23. Juli, über den steinigen Weg zu „Tokyo 2020+1.“ Zur Person: Felix Lill, geboren 1985 in Hamburg, ist Journalist und Autor für mehr als 40 Medien. Er teilt sich das Jahr zwischen Tokio und Berlin auf, schreibt u. a. für Die Zeit, Der Spiegel, Cicero, NZZ, mehrere Tageszeitungen sowie für englisch- und spanischsprachige Publikationen wie Al Jazeera oder El País. Er hat zur demografischen Alterung und der intergenerationalen Solidarität in Japan und Deutschland promoviert. An Japan liebt er nicht nur das Essen, sondern auch den niedrigen Geräuschpegel im Alltag, sogar in Tokio.

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