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Olympia 2018: Langlauf-Experte Schlickenrieder: „Wir haben uns oft kaputt gemacht“

Olympia 2018

Langlauf-Experte Schlickenrieder: „Wir haben uns oft kaputt gemacht“

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    Nicole Fessel ist eine der wenigen Hoffnungsträgerinnen des deutschen Langlauf-Teams. Für die Allgäuerin beginnen die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang am  Samstag.
    Nicole Fessel ist eine der wenigen Hoffnungsträgerinnen des deutschen Langlauf-Teams. Für die Allgäuerin beginnen die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang am Samstag. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Peter Schlickenrieder kann sich und den Langlaufsport vermarkten wie kaum ein anderer. Der 47-Jährige vom Tegernsee, der 2002 bei den Winterspielen von Salt Lake City (USA) Silber im Sprint gewann, ist erfolgreicher Autor, Unternehmer und als stets gut aufgelegter TV-Experte bei der ARD neben seinem Kollegen Tobias Angerer auch der Langlauf-Botschafter schlechthin in Deutschland.

    Viel zu lachen gibt es für Schlickenrieder, der zudem Vizepräsident des Deutschen Skiverbandes ist, vor dem Start der olympischen Bewerbe (Samstag ab 8.15 Uhr Frauen, Sonntag ab 7.15 Uhr Männer, jeweils Skiathlon) aber nicht. Seine Bestandsaufnahme des Loipensports hierzulande nennt er selbst „ernüchternd“. Und seine Hoffnung auf eine Medaille in der Loipe nährt sich mehr aus seinem gern zur Schau gestellten Zweckoptimismus denn aus großem Realitätssinn.

    Das sagt Schlickenrieder über …

    ...die bislang schwache Weltcup-Saison: „Die Top-Platzierungen haben gefehlt – bei Männern und bei Frauen.“ So hinterherzulaufen sei nicht gut für die Psyche. Hinzu kamen zahlreiche krankheitsbedingte Ausfälle, wie beispielsweise die der beiden Allgäuer Hanna Kolb und Sebastian Eisenlauer. „Eine Generalprobe stellt man sich anders vor.“ Schmerzhaft sei auch, dass sich der Sonthofener Florian Notz nicht qualifiziert hat. „Aus diesem Loch muss er erst mal wieder rauskommen. Ich bin mir sicher, er hätte in Korea ein gutes Ergebnis abgeliefert.“

    ...die einzige realistische Medaillenchance: „Wenn überhaupt, dann kann die Frauenstaffel Edelmetall holen.“ Nicole Fessel sei, wenn sie wieder gesund ist, schon etwas zuzutrauen, ebenso wie der „Mutter des Teams“, Steffi Böhler. In deren Windschatten könnten sich Viktoria Karl und Katharina Hennig (alle vier starten am Samstag im Skiathlon) zu Höchstleistungen aufschwingen. Fakt sei aber auch: Um an die Top 3 heranzukommen, müssten sich eine oder zwei große Langlauf-Nationen ganz gewichtige Fehler leisten.

    ...die Fehler der DSV-Trainer: Nach der misslungenen Olympia-Generalprobe in Seefeld zeigte sich Schlickenried vor allem von der Taktik enttäuscht. „Eine Sandra Ringwald darf man doch nicht so vorneweg laufen lassen. Das muss man sich besser einteilen und vielleicht auch mal zwei, drei Tage vorher anschauen.“ Auch den großen Trainingsblock vor

    Experte Peter Schlickenrieder stellt eine düstere Prognose für die Erfolgschancen der Langläufer bei Olympia.
    Experte Peter Schlickenrieder stellt eine düstere Prognose für die Erfolgschancen der Langläufer bei Olympia. Foto: Ralf Lienert

    ...über die Vorbereitung der Deutschen: Man müsse sich ernsthaft Gedanken machen, ob man das Hinterherhecheln an Qualifikationsnormen so beibehalten wolle. „Das schmälert die Erfolgsaussichten enorm.“ Stattdessen sei ein umfangreicher Ausdauertrainingsblock zum Jahreswechsel viel sinnvoller als so kurz vor Olympia. Schlickenrieder wörtlich: „Im Endeffekt starten ja doch die fünf besten Männer, die wir haben, bei

    ...die Gesamtsituation im deutschen Langlauf: Sowohl das Männer- als auch das Frauenteam sei auf dem richtigen Weg. Das sei momentan eine Generation, die noch ein bisschen Zeit brauche. „Aber wenn alles passt, sind die nicht so weit weg.“ Insgesamt vermisst Schlickenrieder Ruhe, Coolness und Selbstbewusstsein. „Wir müssen nicht überall mithüpfen, sondern auch mal was auslassen.“ Bei den Männern vermisst er die verschworene Gemeinschaft. „Wir brauchen ein Team, das zusammenhält. Einzeln sind wir nicht stark genug. Einzeln werden wir nicht den großen Riss machen.“

    ...mögliche Strukturprobleme: Die Trainingszentren in Oberhof und Oberwiesenthal seien zu dünn besetzt. „Alles spielt sich heute in Ruhpolding und Oberstdorf ab.“ Der Konkurrenzkampf untereinander sei wichtig, noch wichtiger sei die „Gaudi, die in die Trainingsgruppen im Osten zurückkehren muss“. Generell hätten sich die Verantwortlichen in der Ära Angerer/Teichmann blenden lassen: „Statt auf Junge zu setzen, hat man nur die alten Haudegen laufen lassen.“

    ...Nachwuchssorgen in Deutschland: Da sieht er kein Problem. Kürzlich hätten im Tannheimer Tal 185 Kinder zwischen drei und zwölf Jahren an einem Technik-Parcours teilgenommen. „Das macht mehr Spaß, als drei Kilometer durch den Wald zu hirschen.“ Schwieriger werde es später. Das G8 sorge dafür, dass viele Jugendliche aus dem System fallen, weil sie bei Junioren-Weltmeisterschaften die Kaderkriterien nicht erfüllen. „Denen müssen wir eine Alternative bieten, sie eventuell mal zum Biathlon schicken“, fordert Schlickenrieder. Die WM 2019 in Seefeld und 2021 in Oberstdorf würden die Popularität des Langlaufs aber weiter hochhalten.

    ...den Star von Pyeongchang Das könne nur einer werden: der Norweger Johannes Klaebo. „Drei Medaillen traue ich ihm zu. Es ist faszinierend, wie weit der mit seinen 21 Jahren schon ist.“

    Deutsche Fahnenträger bei den olympischen Winterspielen

    1992: Der erste Fahnenträger einer deutschen Mannschaft nach dem Mauerfall ist ein Bobfahrer - Wolfgang Hoppe. Der zweimalige Olympiasieger von 1984 und zweimalige Olympia-Zweite von 1988 gewinnt in Albertville im Vierer erneut Silber.  

    1994: Biathlet Mark Kirchner trägt in Lillehammer die deutsche Fahne. Auch ihn beflügelt diese Ehre zu sportlichen Großtaten: Nach zwei Triumphen und einem zweiten Platz 1992 gewinnt er mit der Staffel seine dritte olympische Goldmedaille.

    1998: In Nagano führt Langläufer Jochen Behle das deutsche Olympia-Team ins Stadion. Kurz vor dem Karriereende ist das für den späteren Bundestrainer noch einmal ein besonderes Highlight. In der Loipe wird der damals 37-Jährige lediglich in der Staffel eingesetzt, wo es für das DSV-Quartett nur zu Rang acht reicht.  

    2002: Vier Jahre nach ihrem Gold-Coup in Japan darf Alpin-Ass Hilde Gerg die deutsche Fahne tragen. In Salt Lake City rast Gerg jedoch zweimal knapp an einer Medaille vorbei. Als Vierte in der Abfahrt fehlen nur zehn Hundertstel am Edelmetall, als Fünfte im Super-G lediglich 13 Hundertstel. 

    2006: Biathletin Kati Wilhelm ist nach zweimal Gold und einmal Silber vier Jahre zuvor auch in Turin eine Medaillenbank. Die Thüringerin triumphiert in der Verfolgung und wird jeweils Zweite beim Massenstart und mit der Staffel. 

    2010: André Lange darf in Vancouver das Team anführen. Im Eiskanal holt der Bobfahrer danach im Zweier sein viertes Olympia-Gold - als erster Bobfahrer überhaupt. Mit dem Vierer gibt es noch Silber dazu.

    2014: Bei ihrem letzten Olympia-Start genießt Maria Höfl-Riesch den Einmarsch in Sotschi als Fahnenträgerin. Auf dem Hang krönt die alpine Rennläuferin ihre Erfolgskarriere mit Silber im Super-G und dem Sieg in der Super-Kombination - das dritte Olympia-Gold.

    2018: Der Nordische Kombinierer Eric Frenzel führt das deutsche Olympia-Team in Südkorea an. Der Olympiasieger von 2014 gilt als bescheiden und äußerst fair. (dpa)

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