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Olympia 2016: NADA fordert Komplett-Bann von Russland bei den Winterspielen 2018

Olympia 2016

NADA fordert Komplett-Bann von Russland bei den Winterspielen 2018

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    Bei den Paralympics wird kein russisches Team an den Start gehen.
    Bei den Paralympics wird kein russisches Team an den Start gehen. Foto: Sergei Chirikov (dpa)

    Der russische Doping-Skandal im Schnelldurchlauf

    3. Dezember 2014: Alles beginnt mit dem Dokumentarfilm «Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht». Das Image des russischen Sports wird durch Enthüllungen der ARD über systematisches Doping, Vertuschung von Kontrollen und Korruption auf schockierende Weise beschädigt...

    ... Die Dokumentation präsentiert geheime Aufzeichnungen mit Hinweisen auf ein staatlich unterstütztes Doping sowie auf einen offenbar im Hintergrund wirkenden Betrugs- und Vertuschungsapparat. Sogar die Spitze des Leichtathletik-Weltverbandes mit Ex-Präsident Lamine Diack ist involviert.

    16. Dezember 2014: Die Welt-Anti-Doping setzt eine Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe gegen den russischen Spitzensport ein. Der frühere WADA-Chef Richard W. Pound führt das dreiköpfige Gremium an, ihm zur Seite stehen Experte Richard McLaren und der deutsche Kriminalbeamte Günter Younger.

    16. Juli 2015: Aufgrund von Doping-Ermittlungen zieht der russische Leichtathletik-Verband vorläufig sein komplettes Geher-Team von internationalen Wettkämpfen zurück. Die WM findet Ende August in Peking ohne die mit Abstand erfolgreichste Geher-Nation statt.

    4. November 2015: Diack wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen. Die französische Justiz erhebt Anklage gegen den 82-Jährigen. Diack soll in seiner Amtszeit mehr als eine Million Euro für die Vertuschung positiver Doping-Proben kassiert haben, erklärt eine französische Staatsanwältin.

    9. November 2015: Die unabhängige WADA-Kommission um Pound legt ihren ersten Bericht vor, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeigt. Die Kommission empfiehlt, Russland aus der IAAF auszuschließen. 

    10. November 2015: Die WADA entzieht dem Doping-Kontrolllabor in Moskau vorläufig die Akkreditierung. Das Internationale Olympische Komitee suspendiert das IOC-Ehrenmitglied Lamine Diack.

    13. November 2015: Die IAAF suspendiert den Gesamtrussischen Leichtathletik-Verband ARAF angesichts der gravierenden Dopingvorwürfe.

    18. November 2015: Die WADA suspendiert Russlands Anti-Doping-Agentur RUSADA, weil sie die Regeln nicht eingehalten hat.

    7. Januar 2016: Die Ethikkommission der IAAF sperrt im Zuge des Dopingskandals den Sohn von Ex-Präsident Diack, Papa Massata, den ehemaligen IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschjow und Russlands Ex-Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Der frühere Anti-Doping-Chef Gabriel Dollé wird für fünf Jahre gesperrt.

    14. Januar 2016: Bei der Präsentation des zweiten Berichts wirft die unabhängige WADA-Kommission der IAAF «ein komplettes Versagen im Kampf gegen Doping und Korruption» vor. Hauptverantwortlicher für die «Organisation und Ermöglichung der Verschwörung» sei der frühere IAAF-Präsident Diack.

    6. März 2016: Das angeblich große Reinemachen in der russischen Leichtathletik wird durch neue Vorwürfe gegen die Sport-Weltmacht erschüttert. Eine neue TV-Dokumentation präsentiert im WDR Belege für Verstöße von Russlands Leichtathletik gegen Auflagen vom Weltverband IAAF und der Welt-Anti-Doping-Agentur. 

    7. März 2016: Die russische Weltklasse-Spielerin Maria Scharapowa ist bei den Australian Open im Januar positiv auf Meldonium getestet worden. Das gibt sie selbst bekannt. Bis Mitte April verzeichnet die WADA mehr als 170 Positiv-Tests auf Meldonium, das erst seit Jahresanfang auf der Liste der verbotenen Mittel steht. Da unklar ist, wie lange Meldonium nachweisbar ist, lockert die WADA ihre Richtlinien.

    12. Mai 2016: Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, Gregori Rodschenkow, behauptet in der «New York Times», dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. US-Justiz, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die WADA nehmen Ermittlungen auf.

    17. Mai 2016: Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking werden 31 Sportler positiv getestet. Darunter sollen 14 russische Sportler sein, offenbar auch zehn Medaillengewinner. Eine davon ist Hochsprung-Olympiasiegerin Anna Tschitscherowa. Gleichzeitig setzt die WADA eine Untersuchungskommission wegen der Sotschi-Vorwürfe ein.

    27. Mai 2016: Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Spielen 2012 in London sind 23 Sportler positiv getestet worden. Hinzu kommt eine weitere positive Probe von den Sommerspielen 2008 in Peking. Acht russische Sportler sind betroffen.

    8. Juni 2016: Scharapowa wird für zwei Jahre wegen ihres positiven Tests auf Meldonium gesperrt.

    15. Juni 2016: Die WADA erhebt erneut schwere Vorwürfe. So sollen zwischen dem 15. Februar und 29. Mai insgesamt 736 geplante Dopingkontrollen nicht durchgeführt worden sein. Kontrolleure seien in Russland von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden.

    17. Juni 2016: Einstimmig bestätigt das Council der IAAF die Sperre für die russischen Leichtathleten. Damit dürfen sie bei den Olympischen Spielen in Rio nicht starten. Es gibt jedoch einen Kompromiss. Einzelne Athleten können unter neutraler Flagge teilnehmen, sofern sie nicht im russischen Doping-System involviert sind. So erhält Weitspringerin Darja Klischina eine Ausnahmegenehmigung von der IAAF.

    3. Juli 2016: Russland legt Einspruch gegen den Olympia-Ausschluss seiner Leichtathleten vor dem CAS ein.

    11. Juli 2016: Der CAS verschiebt ein Urteil im Fall Maria Scharapowa auf September. Damit ist sie bei Olympia nicht dabei.

    18. Juli: Die Welt-Anti-Doping-Agentur legt ihren Ermittlungsbericht zu den Doping-Anschuldigungen rund um die Winterspiele in Sotschi gravierende Belege für staatlich gesteuertes Doping in Russland vor. Im Moskauer Dopinglabor seien über Jahre hinweg positive Proben verschwunden, das russische Sportministerium habe die Manipulationen überwacht, hieß es in dem in Toronto vorgestellten Report. Eine Empfehlung für Sanktionen wie einen Olympia-Ausschluss gab er aber nicht.

    bis 21. Juli 2016: Der CAS will über den Einspruch gegen den Ausschluss russischer Leichtathleten in Rio entscheiden

    Die Nationalen Anti-Doping-Agenturen von Deutschland und Österreich haben einen Komplett-Ausschluss Russlands von den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang gefordert. "Wir haben das schon für die Sommerspiele in Rio gefordert, und unsere Meinung hat sich nicht geändert", erklärte Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der deutschen Agentur, am Montag am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der NADA Austria der ARD.

    "Wir haben die Winterspiele schon in anderthalb Jahren, und auch hier muss gesagt werden: Russland hat von staatlicher Seite aus das Anti-Doping-System unterlaufen und betrogen", sagte Gotzmann. "Deshalb muss auch für Pyeongchang ein Ausschluss gefordert werden."

    Richard McLaren, der im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur in Russland ermittelte, hatte in seinem Ermittlungsbericht den Nachweis für die Anschuldigung geliefert, dass im Kontrolllabor bei den Winterspielen 2014 in Sotschi positive Dopingproben von russischen Sportlern ausgetauscht wurden.

    Russland: Komplett-Ausschluss von Olympia 2018?

    "Die Situation ist also noch schlimmer", sagte Michael Cepic, Geschäftsführer der NADA Austria. "Die Strukturen lassen sich nicht von heute auf morgen verändern. Deshalb fordern wir den Komplett-Ausschluss von 2018."

    Am vergangenen Sonntag zeigte das Internationale Paralympics Komitee (IPC) Russland die Rote Karte und ging damit deutlich weiter als Bach und die IOC-Führungsspitze, die entschieden den Komplett-Ausschluss russischen Athleten abgelehnt hatte.

    Für seine Politik erntete Bach große Kritik, auch die NADA-Vorstandsvorsitzenden Andrea Gotzmann legte noch einmal nach. Man hätte verschiedene Szenarien, wohin das führen könne, rechtzeitig durchspielen sowie entsprechende Maßnahmen vorbereiten können. "Das hätten wir vom IOC erwartet", monierte Gotzmann und warf dem IOC vor, die Situation schlecht gemeistert zu haben - zumal der Internationale Sportgerichtshof CAS den fragwürdigen Russland-Beschluss des IOC fast schon erwartungsgemäß wieder einkassierte.

    Dabei hatte Bach stets "null Toleranz" im Anti-Doping-Kampf gefordert, nun wurde er vom Leichtathletik-Weltverband und vom IPC in dieser Angelegenheit rechts und links überholt. "Das System in Russland ist korrupt", lautete das knallharte Urteil von IPC-Chef Philip Craven und betonte: "Der McLaren-Report markierte meiner Ansicht und auch der Ansicht des IPC-Vorstands nach einen der dunkelsten Momente des Sports." Russland sei "nicht in der Lage, dem Anti-Doping-Code des IPC und dem Anti-Doping der WADA zu entsprechen."

    Russland reagierte mit Empörung auf die Entscheidung und kündigte einen Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS an. Sportminister Witali Mutko unterstellte der WADA, ausschließlich Russland nachzustellen. Nach seinen Informationen will die WADA alle Proben der russischen Sportler bei den Paralympics 2012 und 2014 erneut testen will. "Mein Eindruck ist, dass die WADA nach der Kritik vom IOC kein anderes Ziel als Russland hat."

    Das IOC wollte die Maßnahmen der Kollegen nicht groß kommentieren. "Das ist deren Entscheidung", sagte IOC-Sprecher Mark Adams zum IPC-Beschluss. "Der russische Verband war in die Sotschi-Ereignisse verwickelt, und das wiegt am schwersten." In überrasche ein kompletter Ausschluss nicht.

    Gegen eine solche Maßnahme hatte sich Bach ausgesprochen, die Kritik an dieser Entscheidung überlagerte den Auftakt der Spiele - zumal der CAS seine Beschlüsse quasi rückgängig gemacht hatte. So musste das IOC notgedrungen zahlreiche Sportler mit Doping-Vergangenheit wie etwa Julija Jefimowa das Startrecht erteilen. Mindestens 278 russische Athleten dürfen am Ende bei Olympia um Medaillen kämpfen.

    Olympia 2016: Russland gewinnt Gold - trotz Doping-Vorwürfen

    Und das erste Gold für Russland sprang auch gleich zum Auftakt im Judo heraus. Beslan Mudranow triumphierte, was Russlands Präsident Wladimir Putin als früheren Judoka besonders gefreut haben dürfte. "Das wird nicht unsere letzte Medaille gewesen sein", ergänzte Mudranow, was fast wie eine Drohung klang.

    Auch der Chef des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, Alexander Schukow, konnte seine tiefe Genugtuung nicht verbergen: "Das ist unsere Antwort an all diese Missgünstigen. Die endgültige Antwort werden wir am Ende der Spiele sehen." Schwimm-Weltmeisterin Jefimowa wäre in den nächsten Tagen in mehreren Disziplinen eine Kandidatin, um Schukows Prophezeiung wahr zu machen. Sie und die Schwimmerinnen Natalia Lowzowa und Daria Ustinowa tauchten wie aus dem Nichts auf den Startlisten auf. Auch der zweimalige Ringer-Weltmeister Viktor Lebedew sei nun dabei.

    Hintergrund des Hin und Her ist die CAS-Entscheidung, dass Sportlern auf Grundlage einer früheren Dopingsperre nicht die Teilnahme an den Olympischen Spielen verwehrt werden darf. Damit erhielten Bach und Kollegen die Quittung für ihre wenig durchdachte "Russland-Resolution". Denn der CAS hatte bereits 2011 die sogenannte Osaka-Regel für nichtig erklärt. Die Regel sah vor, dass Dopingsünder automatisch von den nächsten Olympischen Spielen ausgeschlossen werden - praktisch eine Doppelbestrafung. Und auch bei einigen im McLaren-Bericht genannten Athleten reichte die Beweislage nicht für einen Ausschluss aus.

    Die Doping-Affäre vergiftet auch die Stimmung unter den Sportlern. "Für einen Athleten wie mich, der sauber ist, ist das total frustrierend", sagte die kanadische Schwimmerin Ryan Cochrane.

    Zwischen dem australischen 400-Meter-Freistil-Schwimmer Mack Horton und dem für drei Monate wegen Dopings gesperrten Chinesen Sun Yang knisterte es ebenfalls gewaltig. "Er wollte mich begrüßen, ich habe nicht reagiert, weil ich keine Zeit für Dopingbetrüger habe."

    Deutschlands früherer Schwimm-Star Michael Groß kann dies gut verstehen. "Es ist erschütternd, was Menschen und Staaten um des Erfolges Willen tun. Diese Politisierung seitens der Russen - und nichts anderes ist es, wenn man den Geheimdienst losschickt, um Betrug zu kaschieren - macht mich wütend", sagte der dreimalige Olympiasieger in der "Welt am Sonntag".

    AZ/dpa

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