Die Stimme hallt über den Ort. Die Nacht legt sich über Oberstdorf, die Schanzen am Schattenberg aber strahlen noch in ihrem warmen Licht aus den Bergen. Bis in den Abend ist Trubel auf der Schanze. Training, Qualifikation, Wettkampf, irgendwas ist immer. Und der Stadionsprecher gibt auch bei den Trainingssprüngen alles. Fast so, als wäre es eine normale WM. Das ist sie wegen Corona und all der Begleiterscheinungen natürlich nicht.
Fans können nicht dabei sein und ihren Helden zujubeln. Das oft gehörte „Ziiiieh“ gibt es nicht. Die Springer müssen alleine weit fliegen. Ohne die Unterstützung von außen. Der Konzentration schadet das nicht, guten Leistungen auch nicht. Die sind in Oberstdorf ebenso zu sehen wie bei den Weltmeisterschaften zuvor. Bei Frauen und Männern.
Daniela Iraschko-Stolz hat bei jeder WM mindestens eine Medaille gesammelt
Seit 2009 sind die Frauen im WM-Programm, in Oberstdorf erstmals auch von der Großschanze. Daniela Iraschko-Stolz war bei all diesen Titelkämpfen dabei. Die 37-Jährige ist die Grand Dame des österreichischen Frauen-Skispringens. Sie hat schon alles miterlebt. Die Höhen und Tiefen des Skispringens. Die liegen hier wie bei kaum einer anderen Sportart dicht zusammen. Erfolge von heute versprechen noch längst keine Erfolge für morgen.
Iraschko-Stolz weiß das. Sie hat bei jeder WM mindestens eine Medaille gesammelt. Auch in Oberstdorf durfte sie bereits jubeln. Mit der Mannschaft gewann sie Gold, nachdem sie im Einzel von der Normalschanze eine Enttäuschung erlebt hatte. „Meine Sprünge waren nicht extrem gut, sie spiegeln die bisherigen Saisonleistungen wider. Ich habe gewusst, wenn ich heute eine Medaille gewinnen möchte, muss ich mich noch steigern, das ist im Wettkampf schwer“, sagte sie nach Rang acht im Einzel. Einen Tag später durfte sie sich die Goldmedaille mit der Mannschaft umhängen. Und dabei feststellen, dass sie auch bei ihrer eigenen Form einen Sprung nach vorne gemacht hat.
Zweifelsfrei wird mit der 37-Jährigen auch am Mittwochabend (17.15 Uhr) zu rechnen sein, wenn die Frauen von der Großschanze ihre neue Weltmeisterin suchen. Von der Normalschanze hatte die Slowenin Ema Klinec triumphiert, Iraschko-Stolz’ Landsfrau Marita Kramer war auf Platz vier gelandet, nachdem sie nach dem ersten Durchgang noch geführt hatte. Ein enttäuschender Ausgang, der für viele Tränen gesorgt hatte. Iraschko-Stolz fühlte sich an 2009 erinnert, als sie selbst als große Favoritin in Liberec angetreten war, aber auch nur Vierte wurde. „Da habe ich auch bitterböse geweint. Aber aus mir ist auch etwas geworden“, sagte die 37-Jährige. Wohl wahr. Und nicht nur eine starke Skispringerin.
Parallel zur Skisprung-Karriere stand Daniela Iraschko-Stolz im Fußballtor
Iraschko-Stolz ist vielseitig. Parallel zur Skisprung-Karriere stand sie im Fußballtor oder half auf dem offensiven Flügel aus. Ab 2003 beim österreichischen Bundesligisten Innsbrucker AC, später beim FC Wacker Innsbruck. Mit dem wurde sie 2008, 2009 und 2010 Vizemeisterin, 2009 und 2012 stand sie im Pokalfinale. Konzentriert aber hat sie sich aufs Skispringen, 2014 holte sie bei den Olympischen Spielen in Sotschi Silber. „International ist Frauen-Fußball größer. Aber in Österreich hast du es als Skispringerin sicher einfacher als eine Fußballerin“, sagte sie einmal in einem Interview.
Überhaupt ist sie sehr offen, was ihre öffentlichen Äußerungen betrifft. 2019 schimpfte sie vor den TV-Kameras beim Weltcup in Lillehammer wegen ihrer eigenen Leistungen so wild, dass der österreichische Verband sie fast aus dem Team für den darauf folgenden Weltcup genommen hätte. Langweilig wird es mit Iraschko-Stolz nie. Das soll auch noch lange so bleiben, Gedanken ans Karriereende hat sie noch keine. „Wie es jetzt ausschaut, läuft es körperlich sehr gut, es macht mir riesig Spaß”, sagte sie kürzlich. Und wenn doch einmal Schluss ist mit dem Springen, könnte sie sich eine Karriere als Trainerin vorstellen. „Aber ich habe mir viele Möglichkeiten geschaffen neben dem Sport. Perspektiven habe ich genug”, sagte Iraschko-Stolz.
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