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Motorrad: Stefan Bradls Heimat: In der bayerischen Wüste

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Stefan Bradls Heimat: In der bayerischen Wüste

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    Zwölf Kilometer nordöstlich von Augsburg, in Zahling, ist Stefan Bradl aufgewachsen. Vater Helmut Bradl betreibt dort zusammen mit seinem Bruder Max ein Motorradstudio.
    Zwölf Kilometer nordöstlich von Augsburg, in Zahling, ist Stefan Bradl aufgewachsen. Vater Helmut Bradl betreibt dort zusammen mit seinem Bruder Max ein Motorradstudio. Foto: Ulrich Wagner

    Wer über Stefan Bradl berichtet, schreibt irgendwann, dass der Motorrad-Pilot aus Zahling im Landkreis Aichach-Friedberg kommt. Wo ist der junge Bursche aufgewachsen, der schon sicher Vize-Weltmeister ist und vermutlich in einer Woche Weltmeister in der Klasse Moto2 wird?

    Fragen wir bei der Verkäuferin im Bäckerladen nach, in dem Stefan seine Brezen kauft. Eine Bäckerei in Zahling? Fehlanzeige. Vielleicht eine Metzgerei? Zahling liegt schließlich mitten auf dem Land. Doch einen Metzger gibt es ebenso wenig wie einen Lebensmittelladen oder Kiosk.

    Aber einen Metzgerwirt in Zahling zeigt die Internet-Suche. Über schmale, teils mit Kuhmist verschmutzte und hügelige Straßen geht es in den Ortsteil von Obergriesbach. Beim Metzgerwirt angekommen, sieht die Gastwirtschaft allerdings schon auf den ersten Blick verlassen aus. Aus dem Schornstein steigt kein Rauch auf, die Türen sind verschlossen. Neben der Eingangstür steht auf einem handgeschriebenen Zettel, dass der Betrieb wegen Geschäftsaufgabe geschlossen hat. Wieder kein Glück.

    Dann eben doch von der Augsburger Straße nach rechts abbiegen. Vielleicht finden sich „Im Thal“, im Motorradstudio von Bradls Vater Helmut, zwischen Einfamilienhäusern, Bauernhöfen und einem Reitstall auch Menschen. Tatsächlich, eine ältere Frau lädt einen Rasenmäher der Marke Honda in den Kofferraum ihres Mercedes. Ein Mann in blauer Latzhose hilft. Sein Sweatshirt hat die Startnummer 65 und den Schriftzug „Stefan Bradl, I’m the driver tonight“ aufgedruckt.

    Der kennt den jungen Motorradfahrer nun garantiert. Wie ist er denn privat, der Stefan? „Ich bin sehr zufrieden mit ihm. Und ich glaube auch nicht, dass er abheben wird, wenn er Weltmeister werden sollte“, sagt der zurückhaltende Herr. Der 52-Jährige zählt nicht nur zum Fanklub von Stefan Bradl, er ist sein Onkel Max. Zusammen mit seinem Bruder Helmut, dem Vater von Stefan, betreibt er eine gut frequentierte Honda-Vertretung mitten in dem Ortsteil von Obergriesbach.

    Motorräder des japanischen Herstellers werden angeboten. In der Werkstatt nebenan steht zur Reparatur eine über 20 Jahre alte Honda Gold Wing, der Traum vieler Motorrad-Verrückten. Aber auch Rasenmäher, vom kleinen Modell bis zum Aufsitzrasenmäher, stehen im Schaufenster des Ladens, den Helmut Bradl im Jahr 1993 eröffnet hat. „Nach dem Ende meiner Laufbahn als Motorrad-Pilot hat Honda mir angeboten, eine Vertretung zu betreiben. Aber nach meinen Bedingungen“, betont der 49-Jährige. Die Vorteile von Zahling umreißt er treffend: „Wir sind nur zwölf Kilometer von Augsburg weg, aber mitten in der Wüste. Wie in einer anderen Welt.“

    Vize-Weltmeister war Helmut Bradl in der Saison 1991 in der Klasse bis 250 ccm. Auf Honda. Helmut Bradl zählte neben Reinhold Roth, Toni Mang und Martin Wimmer zu den Größen der Motorrad-Szene. Die Karriere von Stefan hat er in den vergangenen acht Jahren eng begleitet, war bei vielen Rennen vor Ort. Der Sohn wird den Vater am Sonntag, 6. November, in Valencia vermutlich überholen. 23 Punkte Vorsprung hat Bradl junior auf seinen härtesten Verfolger Marc Marquez. Da es für einen Sieg 25 Punkte und für Platz zwei lediglich 20 Zähler gibt, muss der Spanier gewinnen, um den jungen Deutschen noch abzufangen. Bradl reicht dagegen in jedem Fall ein 13. Platz, um erstmals seit Dirk Raudies im Jahr 1993 einen WM-Titel wieder nach Deutschland zu holen.

    „Ich brauch meine Ruhe“

    In Zahling wird der erst im Juni gegründete „1. offizielle Stefan Bradl Fanclub“ den Lauf von Valencia verfolgen. „Im Feuerwehrhaus kann man schauen. Public Viewing heißt das ja heutzutage“, erzählt Max Bradl. „Ich werde es mir aber zu Hause anschauen. Ich brauch meine Ruhe“, fügt der Onkel an.

    Auch Edwin Bradl, ein weiterer Onkel, der früher an den Rennmaschinen von Helmut als Mechaniker geschraubt hat und jetzt eine Autowerkstatt direkt neben dem Motorradstudio betreibt, verfolgt die Entwicklung seines Neffen zur großen deutschen Motorrad-Hoffnung: „Stefan ist okay.“

    Vor lauter Bradls kann der Besucher schnell den Überblick in Zahling verlieren, zudem noch ein Baugeschäft und eine weitere Familie den Namen tragen. „Sie sind aber nicht verwandt und nicht verschwägert mit uns“, klärt Stefan Bradl auf, der in dem großen Einfamilienhaus direkt hinter dem Motorradstudio aufgewachsen ist. „Ich bin sehr heimatverbunden und fühle mich in Zahling wohl“, sagt der 21-Jährige.

    Eine Spurensuche in seinem Geburtsort findet er lustig: „Da werden Sie kaum einen Menschen treffen. Nur 550 Leute leben da und wir sind schon froh, dass die Straßen geteert sind.“

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