Zahnärzte scheinen mit ihrer Berufsausübung nicht komplett ausgelastet zu sein. Zumindest waren sie es nicht in den 90er-Jahren. Wenn da vom "rappenden Zahnarzt" die Rede war, stand selbstverständlich der musizierende Dentist Dr. Alban im Mittelpunkt. Der Schwede beschallte unter anderem mit dem musikalischen Kleinod "Sing Halleluja" die Diskotheken.Falls nun aber über den "pfeifenden Zahnarzt" debattiert wurde, ging es um Markus Merk.
Tanzende Dermatologen oder malende Chirurgen dagegen: Fehlanzeige. Merk umschrieb die Gemeinsamkeiten zwischen seinen beiden Berufen einmal so: "Als Schiri mag mich keiner, als Zahnarzt auch nicht." Dabei war Merk ein ausgezeichneter Unparteiischer, drei Mal wurde er zum Weltschiedsrichter gewählt.
Schalke war vier Minuten Meister - dann kam Markus Merk
In Gelsenkirchen aber haben sie sicherlich nicht für ihn gestimmt. Ohne den mittlerweile 59-Jährigen hätte sich der FC Schalke 04 2001 als Meister feiern lassen können. Genau genommen taten die Schalker das ja auch. Vier Minuten lang. Dann schlug der Schuss von Bayerns Patrik Andersson im Hamburger Tor ein – und die Weiterimmerweiter-Münchner waren mal wieder Meister. Merk hatte zuvor auf Freistoß im Hamburger Strafraum entschieden. Vier Minuten und 38 Sekunden Ekstase: Als Schalke "Meister der Herzen" wurde. Am 19. Mai jährt sich das Drama bereitszum 20. Mal.
Merk pfiff anschließend nie wieder ein Spiel auf Schalke. Er stand auf dem Platz, als Kameruns Marc-Vivien Foé während eines Spiels starb, er pfiff sowohl EM- als auch Champions-League-Finale –niemals wieder aber in Gelsenkirchen.
Seine Zahnarzt-Praxis hatte Merk dann doch irgendwann aufgegeben, konzentrierte sich nur noch auf die Schiedsrichterei. Mittlerweile steht er nicht mehr auf den Plätzen der Republik, Füllungen aber setzt er auch nicht in ausgehöhlte Zähne ein. Stattdessen sitzt er im Aufsichtsrat des 1. FC Kaiserslautern und fungiert als Vorsitzender des Beirats des Drittligisten. In dieser Saison schaffte es der Traditionsverein gerade noch, die Liga zu halten, im vergangenen Jahr musste er Insolvenz anmelden.
Markus Merk arbeitete an seiner Stimme
Ausgleich findet Merk bei seiner Frau und seinem Sohn Benedikt. Für den trainierte er sich einst seine Fistelstimme ab. "Als mein Sohn Benedikt geboren wurde, wollte ich nicht, dass er wegen mir mal gehänselt wird, deshalb haben ich vier Wochen lang meine Stimmbänder intensiv geschult", so Merk. Wenn er nicht gerade versucht, die Lauerer vor dem endgültigen Absturz zu bewahren, gibt er Seminare in Wirtschaftsunternehmen. Thema unter anderem: Entscheidungsfindung. Ob er denn die Entscheidung wieder fällen würde. Damals, der Freistoß. "Ja! Weil sie die einzig mögliche und regeltechnisch korrekte war und ist – auch wenn sie einer Mannschaft sehr weh getan hat." Weh tun – noch so eine Parallele zwischen Zahnarzt und Schiedsrichter.
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