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Nationalmannschaft: Löw geht wieder voll ins Risiko - Test mit Azubi-Elf

Nationalmannschaft

Löw geht wieder voll ins Risiko - Test mit Azubi-Elf

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    Bundestrainer Joachim Löw beim Abschlusstraining in Leipzig.
    Bundestrainer Joachim Löw beim Abschlusstraining in Leipzig. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

    Im schwarzen Rollkragen-Pullover sprach Joachim Löw von einer strahlenden Zukunft, die im tristen Corona-Herbst noch hinter der von Oliver Bierhoff skizzierten "dunken Wolke" verborgen liegt.

    Vor dem für viele Fußballfans überflüssigen Länderspieltest gegen Tschechien mit einer unerfahrenen Azubi-Elf am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in Leipzig warb der Bundestrainer nochmals energisch für die aus seiner Sicht alternativlose Weitsicht, mit der er aus Rücksicht auf die Gesundheit der besten deutschen Nationalspieler handelt.

    Die Knieverletzung von Bayern-Leitwolf Joshua Kimmich hat den DFB-Chefcoach vor den letzten drei Länderspielen des Jahres in seiner Marschroute zur Europameisterschaft 2021 sogar noch bestärkt. "Wenn wir Trainer jetzt nicht die Vorsicht walten lassen, haben wir nächstes Jahr ein großes Problem. Jeder Trainer muss klug handeln, wenn er im März, April frische und gesunde Spieler haben will", mahnte Löw. Nur dieser Weg verheiße einen EM-Erfolg.

    Kluges Handeln heißt für Löw, das Testspiel gegen die Tschechen auch mit allen Risiken und Nebenwirkungen zum Testen zu nutzen. "Es wäre einfach, wenn man immer die deckungsgleiche Formation auf den Platz schicken könnte - aber das geht nicht", rechtfertigte Löw den für ihn logischen Verzicht auf sieben Stammkräfte um Kapitän Manuel Neuer.

    Erst Erkenntnisse - und dann zwei positive Ergebnisse in den Nations-League-Punktspielen gegen die Ukraine und Spanien lautet die Löw-Formel für die kommenden sieben Tage. Der Gruppensieg in der Nationenliga mit der Qualifikation für das Final-Four-Turnier im Oktober 2021 könnte dann - um im am Montag gezeichneten Wetterbild von DFB-Direktor Bierhoff zu bleiben - für erste Sonnenstrahlen über der Nationalmannschaft sorgen.

    "Die jungen Spieler haben alle Zeit verdient. Wir haben Potenzial für die nächsten Jahre - und das wird sich lohnen", sagte Löw, der sich nach dem Tiefpunkt der WM 2018 wieder wie vor einem Jahrzehnt als Projektleiter sieht. "Unglaubliche Motivation, unglaublicher Wille und große Freude sind zu spüren bei der jungen Mannschaft. Man spürt eine große Energie", sagte Löw.

    Energie verströmen sollen in der zuschauerlosen Leipziger Red Bull Arena am Mittwochabend etwa Frankfurts Torwart Kevin Trapp, die Abwehrspieler Robin Koch und Antonio Rüdiger sowie vorne Julian Brandt und Luca Waldschmidt, denen Löw schon vor dem einzigen gemeinsamen Teamtraining am Dienstagabend eine Startgarantie gab.

    Ilkay Gündogan dürfte die zusammengewürfelte Formation erstmals als Kapitän aufs Spielfeld führen, auch wenn Löw den 30-Jährigen beim Comeback nach einer Covid-19-Erkrankung noch nicht überlasten will. "Ich versuche, mit Leistung vorneweg zu gehen", kündigte Gündogan an.

    Die drei Neulinge Philipp Max (PSV Eindhoven), Felix Uduokhai (FC Augsburg) und Ridle Baku (VfL Wolfsburg) sollen laut Löw auch auf jeden Fall ihr Länderspieldebüt erleben. Der 22-jährige Baku könnte rechts hinten sogar beginnen, da Benjamin Henrichs wegen Problemen an der Patellasehne beim ersten der zwei Heim-Länderspiele in Leipzig geschont werden dürfte. Auch Robin Gosens ist angeschlagen.

    Diejenigen, die auflaufen dürfen, sehen das Spiel nicht als lästigen Test, sondern als persönliche Chance. "Ich will auf mich aufmerksam machen", sagte der Frankfurter Trapp vor seinem fünften Länderspiel. Der 20-Mann-Kader um Routinier Gündogan kommt zusammen auf gerade 166 Einsätze; das sind im Schnitt acht Länderspiele. Das reduziert die Erwartungshaltung, aber Bierhoff betont dennoch den Nutzen: "Das Spiel hilft, dem einen oder anderen Spieler einen Schub zu geben."

    Löw will den "steinigen Weg" in einem komplizierten Corona-Jahr bestmöglich beenden vor der langen Winterpause bis zu den nächsten Länderspielen im März. "Wir sehnen uns nach Normalität", sagte der 60-Jährige, den die "erfreulichen Nachrichten" zu einem möglichen Corona-Impfstoff hoffnungsvoll stimmen. Die tschechische Auswahl hat noch viel mehr als das DFB-Team mit Corona-Ausfällen zu kämpfen.

    Löw erwartet trotzdem einen widerstandsfähigen Gegner um den Bremer Towart Jiri Pavlenka oder Hertha-Profi Vladimir Darida. "Tschechien ist keine Mannschaft, die Hauruck-Fußball spielt", bemerkte Löw.

    Das Ergebnis dürfte das Wolkenbild über der Nationalelf weiter bestimmen. Seit zehn Länderspielen ist sie ungeschlagen, aber allein vier der letzten fünf Partien endeten halt unentschieden. Zwei 3:3 gegen die Türkei und die Schweiz gaben Anlass zu weiterer Kritik, gerade an der Abwehr. Aushilfs-Kapitän Gündogan versprach den Fans, die ihr TV-Gerät einschalten, zumindest vollen Einsatz der B-Elf: "Wir wollen unser Land gut vertreten und gut spielen - und möglichst gewinnen."

    © dpa-infocom, dpa:201109-99-274613/10 (dpa)

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