Gebisso hat in den USA studiert, von 2014 bis 2017 war er dort. Möglich gemacht hatten das seine Erfolge als Läufer. Er ist einer von immer mehr deutschen Studenten, die mithilfe eines Sportstipendiums in die USA gehen. Nicht nur in Schwaben, sondern bundesweit gehört Gebisso zu den besten Mittelstreckenläufern. 2018 lief er die 3000 Meter – seine Paradedisziplin – in 8:17 Minuten, landete auf Platz neun der Jahres-Bestenliste des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Fünf Jahre zuvor war seine Bestzeit noch etwas langsamer – aber schnell genug: Die Universität von St. Louis im Bundesstaat Missouri nahm ihn als Mathematik-Student und Mitglied im Läuferteam auf.
Hiob Gebisso aus Augsburg hat in St. Louis studiert
Um noch besser Englisch sprechen zu können, habe ihn ein Studium im Ausland immer gereizt, sagt Gebisso. 24 Jahre alt ist er inzwischen, ging in Augsburg auf das Holbein-Gymnasium. An den USA habe ihn interessiert, dass die Studenten eine enge Bindung zu ihrer Universität und dem Campus aufbauen. „Außerdem hat der Sport einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland“, sagt er. Professoren nähmen Rücksicht, Sport und Studium seien einfacher zu verbinden.
Tatsächlich konkurrieren die amerikanischen Universitäten um ihre Studenten. In der Regel sind sie in privater Hand und kassieren teils horrende Gebühren – weshalb sie für Studenten möglichst attraktiv sein müssen. Ein Schlüssel dazu: Sportliche Erfolge. Sie machen die Universität bekannt und bringen ihr Ansehen, in den beliebtesten Sportarten Football oder Basketball auch riesige Einnahmen.
Mehr Verpflichtungen für Studenten mit Stipendium in USA
Für Gebisso war das System von Nutzen. Dank seines Vollstipendiums sparte er schätzungsweise mindestens 100.000 Dollar. Wer sein Studium in den USA selbst finanziert, ist häufig über Jahre hoch verschuldet, wenn nicht gar Jahrzehnte.
Dass Sportlern diese Kosten erlassen werden, findet Gebisso fair – solange sie nicht nur die sportlichen Leistungen, sondern auch die Noten stimmen. Früher sei es tatsächlich vorgekommen, dass herausragende Sportler in ihren Studienkursen durchgeschleppt worden seien – heute so gut wie gar nicht mehr. Außerdem weist er darauf hin, dass Sportler weniger Freizeit und mehr Verpflichtungen als andere Studenten hätten. Denn als Gegenleistung für das Stipendium fordert die Universität Ergebnisse ein – wer diese nicht bringt, verliert das Stipendium.
Kostenlos sind die Studienplatz ohnehin nicht. Für einen Sprach- und einen Aufnahmetest sowie sein Visum zahlte Gebisso rund 1000 Dollar, außerdem half ihm eine Agentur. Dafür waren weitere 2000 Euro fällig. Beauftragt hatte er dafür eine Agentur aus Karlsruhe, die im Vorfeld seine Chancen auf ein Stipendium eingeschätzt hatte und mit den Universitäten und Trainern in Verbindung getreten war.
Agenturen vermitteln Sportstipendien in den USA
Bei der Münchener Agentur Monaco Sports kümmert sich André Heine unter anderem ums Marketing. Ihr Geschäftsmodell bestehe darin, Sportler auf ihrer Suche nach einem Stipendiat zu betreuen, sagt er. Wie intensiv die Betreuung ist, hängt davon ab, wie viel der Sportler zahlt. Als Gegenleistung kümmere die Agentur sich um die Vermarktung des Sportlers und biete gute Kontakte in die USA. I
n den vergangenen Jahren sei die Nachfrage nach Sportstipendien immer größer geworden, sagt Heine. Viele neue Agenturen drängten auf den Markt. Einige davon seien auf eine große Masse an Sportlern ausgelegt, statt einzelne gezielt zu betreuen. „Unseriös ist es, den Sportlern zu gute Chancen auszumalen“, sagt Heine. Wer etwa einen Mannschaftssport betreibt, sollte ungefähr auf Landesliganiveau oder höher spielen. Wie viele Sportler die Agentur jährlich in die USA vermittel, möchte Heine nicht offenlegen. Er schätzt, dass aus ganz Deutschland jährlich über 1000 Studenten ein Sportstipendium in den USA erhalten. Vor zehn Jahren seien es noch rund 300 gewesen – „wenn überhaupt“.
Fußballer Julian Gressel schaffte in den USA den Sprung in ein Profi-Team
Auch um einen Platz an einer der Elite-Universitäten wie Princeton oder Harvard zu bekommen, kann Sport hilfreich sein. Exzellente Schulnoten reichen dazu nicht, die Universitäten verlangen auch außerschulische Leistungen. Das kann ein Ehrenamt oder ein Musikinstrument sein – oder der Sport. Beliebt sind die Stipendien auch als zweite Chance für Fußballer, die den Sprung zum Profi nicht auf Anhieb geschafft haben. Julian Gressel etwa ging diesen Weg: Er wechselte mit 19 Jahren vom mittelfränkischen Landesligisten TSV Neustadt/Aisch ans College in die USA, landete später in der amerikanischen Profiliga und wurde dort erst Nachwuchsspieler des Jahres und dann Meister.
Hiob Gebisso ist inzwischen wieder zurück in Deutschland. Seit 2018 ist er an der Informatik-Fakultät der Technischen Universität München als Masterstudent eingeschrieben. Sein Stipendium in den USA endete 2017 nach vier Jahren, Regelstudienzeit für einen US-Bachelor. Kontakt zu seinen Studienfreunden hält er weiterhin, auch die Ergebnisse seines alten Laufteams verfolgt er noch. „Das gehört sich irgendwie“, sagt Gebisso. „Ich habe ja auch vom System profitiert.“
Lesen Sie auch: Das steht beim Milliarden-Poker um die Bundesliga auf dem Spiel
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.