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Leichtathletik: Die alten Trümpfe stechen

Leichtathletik

Die alten Trümpfe stechen

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    Ulm Carolin Hingst wusste zunächst nicht, ob sie geknickt oder erleichtert sein sollte. Sie entschied sich dann für die Erleichterung. Die 32-jährige Stabhochspringerin aus Harburg (Landkreis Donau-Ries) war mit 4,71 m als Nummer eins im Lande zu den deutschen Meisterschaften in

    Abgefahren ist sie ohne Medaille. Platz vier mit übersprungenen 4,45. Nicht schlecht, aber eben auch nicht so gut wie Martina Strutz (4,65 m) oder Silke Spiegelburg (4,50 m). Der Wettkampf hatte wieder einmal sein eigenes Spiel mit Hingst gespielt. Der Übergang von den weichen auf die harten Stäbe, die bei den größeren Höhen zum Einsatz kommen, missriet. Das komplexe Gebilde Stabhochsprung geriet ihr aus den Fugen. Irgendwann begann sie dann um ihr Ticket für die WM in Moskau (10. bis 18. August) zu zittern.

    Ulm, wo auch die deutschen Meisterschaften im nächsten Jahr stattfinden werden, war für viele Athleten eine der letzten Gelegenheiten, die WM-Norm zu schaffen und sich für die endgültige Moskau-Nominierung Ende Juli zu empfehlen. Weil die Konkurrenz bei den Stabhochspringerinnen besonders groß ist, sichert nicht einmal eine Saisonbestleistung einen der drei noch offenen Startplätze. Springt eine Athletin aus der zweiten Reihe nach vorne, wird es selbst für Hingst wieder eng. In Ulm blieb ihr das erspart, weshalb sie am Ende „große Erleichterung“ verspürte.

    Dass die Leichtathletik um ihren Platz in der Sportlandschaft kämpfen muss, zeigen die Zuschauerzahlen im Donaustadion, das mit 11800 Zuschauern am Samstag und 15250 am Sonntag an beiden Tagen nicht ausverkauft war.

    Umso mehr hat es Veranstaltungsmanager Frank Kowalski geärgert, dass die ARD eine halbe Stunde der zugesicherten Übertragungszeit zugunsten des Wimbledon-Finales der Frauen kappte. „Für eine Tennis-Konserve“, schnaubte Kowalski.

    Etwas entspannter reagierte Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop auf die ARD-Entscheidung. „Dafür haben wir angesichts des einmaligen Ereignisses Verständnis“, erklärte Prokop, der sich über das wieder gestiegene Interesse der Öffentlich-Rechtlichen an der Leichtathletik freut.

    Seine Athleten unternahmen in Ulm alles, um für die eigene Sache zu werben, wenngleich einsame Soli, wie sie Sabrina Mockenhaupt über 5000 m (15:32,73 Min.) lief, im Donaustadion ebenso die Ausnahme waren wie große Überraschungen. Enge, spannende Duelle, in denen am Ende häufig die Favoriten triumphierten, blieben die Regel. So wie im Diskuswerfen der Frauen, wo Nadine Müller die Ein-Kilo-Scheibe bereits im ersten Durchgang auf beeindruckende 64,17 m beförderte und auch in weiteren Versuchen nie mehr unter die 60-m-Marke rutschte.

    Damit bleibt sie für Moskau einer der großen deutschen Medaillentrümpfe. Genauso wie Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler, die mit 73,93 m ihren neunten Titel gewann, oder Christina Schwanitz (19,76 m), die im Kugelstoßen zum fünften Mal triumphierte. Ähnliches gilt für die technischen Disziplinen der Männer, wo Thomas Röhler (83,56 m) im Speerwerfen, Europameister David Storl im Kugelstoßen (21,04 m) und erst recht Robert Harting (67,95) im Diskuswerfen dominierten.

    Dagegen blieben die Laufleistungen traditionell zurück, auch wenn vor allem in den Sprint der Männer Bewegung geraten ist (siehe auch unten stehenden Artikel).

    Immerhin hat Nadine Hildebrand über 100 m Hürden ihre Form bestätigt. Als Nachfolgerin der verletzten Carolin Nytra ist sie in 12,90 Sekunden wieder einmal unter der WM-Norm geblieben. Zum Spektakel geriet neben dem Stabhochsprung der Männer mit Meister Björn Otto (5,80 m) der Weitsprung. Am Ende aber riss das Duell zwischen dem Jahresbesten Alyn Camara (8,29 m) und Europameister Sebastian Bayer, der in Ulm auch schon einmal 8,49 m gesprungen ist, die Zuschauer von den Sitzen. Bayer steigerte sich im letzten Versuch auf 8,04 m, womit er zwei Zentimeter vor Camara lag. Doch der Leverkusener schlug zurück, holte sich mit dem letzten Sprung, einem 8,15-m-Satz, den Titel.

    „Wir haben in Ulm den Schub bekommen, den wir uns erhofft haben“, resümierte Bundestrainer Idriss Gonschinska zufrieden. Dabei befindet sich das deutsche Leichtathletik-Team wieder einmal im Umbruch. Langfristiges Ziel sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio, wo der DLV ähnlich erfolgreich auftreten möchte wie 2012 in London. „Wir müssen die Nationalmannschaft umformieren“, sagt Leistungssportdirektor Thomas Kur- schilgen offen. „Viele, die in Ulm dabei waren, werden in

    Dazu gehört wohl auch die bald 33-jährige Carolin Hingst, weshalb die Aussicht auf Moskau das Zittern in Ulm wert war.

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