Ja, Ruud van Nistelrooy hat einmal in der Bundesliga gespielt. Und, ja, sogar beim HSV. Deutscher Meister wurde damals Borussia Dortmund. In Italien landete der AC Mailand oben, in Frankreich der OSC Lille, in England Manchester United. Neun Jahre ist das her, der europäische Fußball war ein anderer. Inzwischen ist an den Spitzenplätzen fast aller Top-Ligen des Kontinents Langeweile eingekehrt.
Wer sagt, Bayerns acht Meistertitel in Folge seien eine bemerkenswerte Leistung, hat recht. Außergewöhnlich ist diese Serie aber nicht. Juventus Turin holte am Wochenende den Scudetto zum neunten Mal, Paris Saint-Germain gewann sieben der vergangenen acht Titel, in Spanien geben sich mit wenigen Ausnahmen der FC Barcelona und Real Madrid die Klinke in die Hand. Ähnliche Konstellationen sind in Österreich und Schottland zu beobachten. Die Meister-Monotonie ist ein länderübergreifendes Phänomen – und als solches auch ein Problem, wenn auch kein überraschendes, sagt Andreas Rettig.
Andreas Rettig fordert eine gerechtere Verteilung von Fernsehgeldern
Der ehemalige DFL-Geschäftsführer und Ex-Manager des FC Augsburg beobachtet seit Jahren einen schleichenden Prozess: steigende Ungerechtigkeit aufgrund fehlender Umverteilung der großen Gelder. „Die Schere zwischen wenigen wohlhabenden Vereinen an der europäischen Spitze und dem Rest geht auseinander“, sagt Rettig und verweist auf die jüngst veröffentlichten Fernsehgeld-Zahlen für die kommende Bundesliga-Saison. „70 Millionen Euro für Bayern und 30 für Bielefeld – das mag sich für viele gerecht anhören. Dabei bekommen die Bayern weitere 30 Millionen aus der internationalen Vermarktung und zusätzlich Jahr für Jahr dutzende Millionen aus der Champions Leauge.“ Von Fairness oder Gleichheit könne man in diesem Zusammenhang nicht mehr sprechen.
Just die Champions League – oder genauer: die hohen Prämien, die über sie ausbezahlt werden – sieht Rettig als Hauptgrund für nationale Vormacht-Stellungen. In der laufenden Spielzeit bekommen die Teilnehmer gut zwei Milliarden Euro. Die Beträge steigern sich von Spiel zu Spiel, bis 15 Mio. Euro allein für die Final-Teilnahme. Rettig nennt das „Erlös-Irrsinn“. Eine wichtige Rolle spiele dabei die European Club Association (ECA). „Wenn man sich die Stimmenverhältnisse in der ECA ansieht, merkt man, dass die Top-Klubs besonders stark repräsentiert sind. Das erleichtert es ihnen, Einfluss auf die Entscheidungsprozesse in der Uefa auszuüben.“
Ergebnis sei ein System, in dem die erfolgreichsten Vereine, darunter auch der FC Bayern, durch die Champions League immer mehr Geld verdienten – und die anderen auf der Strecke blieben. Auch die reformierte Klub-WM der Fifa kritisiert Rettig scharf: „Dass jeder der 24 Teilnehmer circa 45 Millionen Euro Antrittsprämie bekommt, ist irre, einer von vielen Angriffen auf die Solidargemeinschaft.“
Haben die europäischen Top-Klubs zu viel Einfluss auf die Uefa?
Im europäischen Vergleich ist England eine Ausnahme, in den vergangenen fünf Jahren gab es dort vier verschiedene Meister. Als Vorbild sieht Rettig das englische Modell aber nicht. Im Gegenteil: „15 von 20 Vereinen dort liegen in der Hand von Milliardären. Fehlende Einnahmen aus der Champions League können leichter ausgeglichen werden. Durch die enormen Summen im Umlauf werden die Vereine aber zu bloßen Investments – und die Fans entfremden sich von ihren Vereinen.“
Um nationale Wettbewerbe wieder unvorhersehbarer zu gestalten, fordert Rettig eine 1:1-Verteilung von Fernsehgeldern. Auch sollten Prämien gezielt an Vereine ausgezahlt werden, die nachhaltig handelten. Eine Gehaltsdeckelung sei dagegen nur wenig sinnvoll, da europaweit kaum praktikabel. Auch von einer Super League, in der die besten europäischen Vereine in einer eigenen Liga spielen, halte er nichts: „Da verkommt Fußball endgültig zum Geschäftsmodell.“
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