Dass Hans-Joachim Watzke auf dem Weg zur DFL-Krisensitzung am Frankfurter Flughafen ausgerechnet vor einem Schild mit der Aufschrift "Flucht- und Rettungsplan" von den Fotografen gestellt wurde, war natürlich reiner Zufall.
Lud am Tag nach dem denkwürdigen Auftritt des BVB-Geschäftsführers in der ARD-"Sportschau" aber doch zu allerlei Wortspielen ein. Vor allem in den sozialen Netzwerken musste sich Watzke seit Sonntagabend Spott und Häme, aber auch harsche inhaltliche Kritik wegen seiner Aussagen zur Coronakrise und dem Umgang des Profifußballs in Deutschland mit den Folgen der Pandemie anhören. "Verantwortungslos, sprachlos, weltfremd, realitätsfern, arrogant" waren noch die harmloseren Attribute, die dem Chef des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund vorgehalten wurden.
Fast schon skurril mutete es dabei an, wie gegensätzlich die Ausführungen von Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß aufgenommen wurden, der wenige Stunden zuvor in der Sport1-Sendung "Doppelpass" sagte, man müsse "endlich der Realität ins Auge schauen" und vielleicht "im Oktober noch aufhören, Fußball zu spielen. Das weiß kein Mensch".
Watzke dagegen überraschte ungeachtet aller Warnungen von Gesundheitsexperten und eindringlicher Mahnungen der Politik mit Aussagen wie: "Irgendwann müssen wir ja auch mal zur Normalität zurückkehren." Oder: "Wir sollten es auch nicht übertreiben."
Weiter führte er aus: "Die aktuelle Gesundheitsgefahr für eine Mannschaft, die aus kompletten Athleten besteht und auf dem Rasen trainiert, die würde ich, auch ohne Virologe zu sein, als nicht so gravierend einstufen. Wir sollten jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten." Auch die Absage des 26. Bundesliga-Spieltages am Wochenende und das ausgefallene Derby zwischen dem BVB und dem FC Schalke 04 stieß bei Watzke nicht unbedingt auf Verständnis.
Der Fußball habe "ja alles getan, um eine absolute Risikominimierung vorzunehmen", so Watzke. Wie schon Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zuvor nannte auch er finanzielle Erwägungen für das Zeitspiel der DFL, die zunächst Spiele ohne Zuschauer angesetzt, den Spieltag dann aber doch komplett abgesagt hatte.
"Wenn wir jetzt das Derby gespielt hätten - ohne Journalisten, die hätten wir ja auch noch rauslassen können - dann wären noch 80 Leute im Stadion gewesen. Ich glaube, dass das ein vertretbares Szenario gewesen wäre. Es hätte aber gleichzeitig die Liga wirtschaftlich um 75 Millionen entlastet, die wir möglicherweise sonst zurückzahlen mussten." In einer "Interessenabwägung" habe das dagegen gestanden, sagte der 60-Jährige und prophezeite Geisterspiele für den Rest der Saison - falls nach der Pause überhaupt wieder gespielt werde.
Dem wiederum widersprach die Fangemeinschaft "Unsere Kurve" vehement. "Die Saison muss so lange unterbrochen werden, wie es gesamtgesellschaftlich notwendig ist. Es darf nicht sein, dass das öffentliche Leben stillgelegt wird, der Profifußball aber weiterhin mit allen Mitteln versucht, eine Scheinrealität aufrecht zu erhalten", hieß es in einer Mitteilung am Montag.
Am heftigsten angegangen wurde Watzke jedoch für seine Gedanken zu möglichen finanziellen Hilfen. "Es gibt ja eine große Solidarität innerhalb der Liga", führte Watzke aus, dessen Verein im März 2005 vor der Insolvenz gerettet wurde. Und fuhr fort: "Aber wir haben auch ein Wirtschaftsunternehmen. Und ehrlicherweise sind wir auch Konkurrenten. Und da muss man das sehr genau miteinander austarieren, was noch Wettbewerb ist und was kein Wettbewerb mehr ist."
Am Ende könnten "nicht die Clubs, die ein bisschen Polster angesetzt haben in den letzten Jahren, dann im Prinzip die Clubs, die das wiederum nicht gemacht haben, dafür auch noch belohnen. Das ist eine sehr diffizile Aufgabe", sagte Watzke, wollte aber immerhin "vernünftige" und "solidarische" Lösungen nicht ausschließen.
"Was für eine große Chance zu zeigen, dass der Profifußball nicht so geldgierig, nicht so abgehoben, nicht so selbstverliebt ist, wie alle denken... naja, und dann war Aki Watzke zu Gast in der Sportschau", twitterte "11Freunde"-Chefredakteur Philipp Köster. (dpa)