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Krise des Innenverteidigers: FC Bayern: Demichelis zwischen Zimmerpflanze und Wüstenblume

Krise des Innenverteidigers

FC Bayern: Demichelis zwischen Zimmerpflanze und Wüstenblume

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    Martin Demichelis, Innenverteidiger des FC Bayern München.
    Martin Demichelis, Innenverteidiger des FC Bayern München. Foto: dpa

    Martin Demichelis spielt mittlerweile seine siebte Saison beim FC Bayern. Das wird gerne mal vergessen. Der Argentinier ist neben Bastian Schweinsteiger der dienstälteste Profi beim Deutschen Rekordmeister.

    Somit gehört Demichelis zum laufenden Bestand. Ist etwa sowas wie eine Zimmerpflanze, die anfangs gehegt und gepflegt wird, nach einiger Zeit aber nur noch unbeachtet im Raum steht, selten gegossen und kaum beachtet wird.

    Demichelis steht derzeit tatsächlich auch oft im Raum. Beteiligungslos und verunsichert. Der Innenverteidiger des FC Bayern durchläuft gerade eine veritable Krise.

    Von den Münchnern wurde Demichelis anfangs gehegt und gepflegt. Trainer Ottmar Hitzfeld dosierte die Einsätze des Argentieniers in seiner ersten Saison (2003/04) in beinahe homöopathischen Dosen. Das sensible Ego wurde gegossen und der anfangs Verschlossene blühte beim FC Bayern immer mehr auf. Fühlte er sich dann mal nicht genug wertgeschätzt, sorgte er mit einem seiner seltenen verbalen Vorstößen dafür, dass auch die breite Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam wurde. So forderte er beispielsweise Hitzfeld medienwirksam dazu auf, ihn nicht mehr im defensiven Mittelfeld sondern in der Innenverteidigung aufzustellen.

    Auf dem Platz wirken seine Vorstöße derzeit wie die panischen Angriffe eines ausgehungerten Löwen. Die nur notdürftig gezähmte Mähne wackelt ebenso unkontrolliert durch den Raum, wie die Pässe von Demichelis.

    Dabei war er vor zwei Jahren noch der beste Defensivspieler der Liga. Vor allem dank ihm lief der FC Bayern in der Saison 2007/08 mit lediglich 21 Gegentoren über die Ziellinie. Demichelis spielte dabei eine herausragende Saison. In dieser Phase erinnerte er tatsächlich ein wenig an einen früheren Defensivspieler der Münchner: Franz Beckenbauer. Immer mit erhobenen Kopf, trieb der Argentinier den Ball über den Platz. Was damals als souverän galt, wird ihm heute als Lässigkeit oder Arroganz ausgelegt. Grätschen, die damals mit wundersamer Präzision den Ballbesitz zur Folge hatten, gleiten heute im besten Falle in die Tiefe des Raumes.

    Der Form-Abfall von Demichelis begann mit dem Engagement von Jürgen Klinsmann als Trainer. Der neue Coach wollte jeden Tag jeden seiner Spieler besser machen. Demichelis wurde von Woche zu Woche schwächer. Nach dem Abgang von Lucio zu Inter Mailand sollte er trotzdem neuer Abwehrchef werden, rutsche nach einer Verletzung aber sogar zurück hinter Holger Badstuber. Seinen Stammplatz hat er beim FC Bayern wieder, in der Hierarchie ist er aber hinter Daniel van Buyten zurück gefallen.

    Erklärungsansätze gleiten in die Leere, wie die Pässe und Grätschen des argentinischen Nationalspielers. Trotz einer Reihe von absurden Fehlern, hat er derzeit einen Stammplatz sicher. Sowohl Louis van Gaal im Verein, als auch Diego Maradona in der Nationalmannschaft schenken ihm das Vertrauen. Öffentliche Kritik an ihm gibt es nicht. Trotzdem wird die Durchlässigkeit in der Bayern-Abwehr meistens mit seinem Namen in Verbindung gebracht.

    Demichelis ist ein Spieler mit Anlagen, wie sie sich van Gaal von einem modernen Innenverteidiger wünscht - zweikampfstark mit einem hohen Spielverständnis und solidem Passspiel. Dass er seine Fähigkeiten derzeit nicht abrufen kann, ist offensichtlich. Dass sie bisher nur zu Kollateralschäden geführt haben, ist der starken Offensive der Bayern und der mangelnden Qualität der Gegner zu verdanken. In der entscheidenden Phase der Saison warten nun aber die Big-Point-Spiele auf die Münchner. Dabei sind sie auf Demichelis angewiesen.

    Nur wenn er wieder aufblüht, werden sie ihre Ziele erreichen können. Bei Wüstenblumen reicht ein einziger Tropfen Wasser mitunter, um sie in aller Pracht erscheinen zu lassen.Vielleicht ist er ja doch keine schlichte Zimmerpflanze. Tilmann Mehl

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